Tim Jackson stellt seine Vorstellung vom Wohlstand vor

Die Grundlage für die Vorstellung von Wohlstand ist laut Tim Jackson die Fähigkeit des Menschen zu gedeihen, und zwar innerhalb der ökologischen Grenzen eines endlichen Planeten Erde. Er gibt zu, dass diese Vorstellung zweifellos materielle Aspekte beinhaltet. Denn es wäre seiner Meinung nach absurd zu behaupten, alles sei bestens, wenn es an Essen und Obdach mangelt. Milliarden von Menschen in den Entwicklungsländern müssen immer noch auf diese Grundbedürfnisse verzichten. Zugleich ist für Tim Jackson unschwer zu erkennen, dass die einfache Gleichsetzung von Quantität mit Qualität, von mehr ist besser, grundsätzlich falsch ist. Er schreibt: „Dinge allein lassen uns nicht gedeihen. Manchmal stehen sie uns dabei sogar im Weg.“ Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey.

Die Sprache der Güter dominiert selbst den Raum der Liebe

Zum Wohlergehen gehört gemäß Tim Jackson auch die Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen, von Mitmenschen geachtet zu werden, einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die Gesellschaft mitgestalten zu können sowie einen verlässlichen Platz in der Welt zu finden. Tim Jackson schreibt: „Sinnvoll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, das ist ein wesentlicher Bestandteil des Wohlstands. Dabei geht es vor allem um soziale und psychologische Belange.“

Tim Jackson vertritt die Ansicht, dass die Schwierigkeit darin liegt, dass die Konsumgesellschaft mit der Erfüllung dieser Belange eine ganze Reihe materieller Güter und Prozesse verknüpft hat. Er erklärt: „Wir sind sicher nicht die erste Gesellschaft, die Dinge symbolisch auflädt. Wir sind jedoch die erste Gesellschaft, die in einem derartigen Ausmaß soziale und psychologische Fähigkeiten zu materialistischen Zielen gemacht hat.“ Selbst das Bewusstsein der eigenen Identität, die Ausdrucksformen der Liebe, die Suche nach dem Sinn des Lebens sowie Wünsche und Träume werden gemäß Tim Jackson in der Sprache der Güter ausgedrückt.

Die Menschen haben sich im Labyrinth des Überflusses verlaufen

Die tiefsten Fragen über die Welt und welchen Platz der Mensch darin einnehmen sollte, werden inzwischen auf der Bühne des Konsumismus erörtert. Tim Jackson schreibt: „Unbegrenzter Zugang zu materiellen Gütern muss für die Sehnsucht nach Freiheit herhalten, manchmal sogar für Unsterblichkeit.“ Materieller Besitz füttert die Selbsttäuschung mit reichlich Nahrung. Sicher tröstet er die Menschen und gibt ihnen Hoffnung. Ebenso sicher verbindet er sie mit Menschen, die sie lieben und denen sie nacheifern. Laut Tim Jackson sind solche Verbindungen allerdings bestenfalls flüchtig.

Für Tim Jackson steht außer Zweifel, dass dies die Weisen seit alters her wussten und ihr Wissen im Lauf der Zeit nichts an Kraft verloren hat. Selbst der materielle Wohlstand hat dieses Wissen nicht vernichten können. Aber es ist seiner Meinung nach immer schwieriger geworden zu erkennen, wo der wahre Reichtum liegt und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Tim Jackson schreibt: „Wir haben uns im Labyrinth des Überflusses verlaufen und kommen nicht mehr heraus, bevor der Bann gebrochen ist. Ist es aber so weit, finden wir den Weg nicht mehr.“

Von Hans Klumbies