Manchmal fächert sich die eigene Identität regelrecht auf

Im neuen Philosophie Magazin 01/2024 geht es im Titelthema um alternative Leben nach dem Motto: „Wer wäre ich, wenn …?“ Viele Möglichkeiten, sich zu entwerfen, bleiben im Laufe eines Lebens unverwirklicht. Die Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt: „Es gibt Momente, in denen sich die eigene Identität regelrecht auffächert.“ Tatsächlich sind Lebensumstände ja nicht einfach wie Kleider, die man einer festen, unveränderbaren Identität überwirft. Lebensumstände haben die Macht, einen Menschen tief zu verändern. Oder noch stärker: Sie haben die die Kraft, einer Person die Möglichkeit eines ganz anderen Ich zu eröffnen. Zunächst einmal kann man das eigene Leben nur vor dem Hintergrund vorstellbarer Alternativen als gestaltbar erfahren. Es stimmt, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann. Und doch gibt es auch Entscheidungen, die sich zurücknehmen oder mindestens überdenken lassen.

Weiterlesen

Der Mensch ist für den Untergang der Natur verantwortlich

Das neue Ausgabe des philosophischen Wirtschaftsmagazins agora42 handelt von den vielfältigen Beziehungen zwischen Natur und Wirtschaft. Wobei festzuhalten ist, dass der Naturbegriff alles andere als eindeutig ist. Der Philosoph Hans Jonas und andere haben darauf hingewiesen, dass Menschen gut daran tun, ihre natürlichen Lebensgrundlagen und ihre gesamte Mitwelt nicht in rasantem Tempo zu zerstören, weil sie für viele, vor allem systemische Funktionen der Natur, keinen technischen Ersatz haben. Das Erschreckende ist: An jedem einzelnen Tag verschwinden auf der Erde 150 Arten – auf das Jahr gesehen sind das mehr als 58.000 Spezies. In Deutschland ist die Biomasse an Fluginsekten in den letzten 30 Jahren laut einer Studie um drei Viertel zurückgegangen. Schuld daran sind die industrielle Landwirtschaft, die Nutzung von Düngemitteln und Pestiziden sowie die Klimaveränderung.

Weiterlesen

Die Machtzentren der Welt haben sich nicht verlagert

Die politische Ökonomie ist laut Emmanuel Todd nicht in der Lage, die gewaltigen Umwälzungen in der Welt zu erfassen. Um dies zu erkennen hält sich der französische Soziologe an die am weitesten entwickelten Länder. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten Brasiliens und Chinas räumen mit der Illusion auf, die Geschichte werde fortan maßgeblich durch die Schwellenländer geprägt. Emmanuel Todd schreibt: „Die Spielregeln der wirtschaftlichen Globalisierung wurden in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan festgelegt. Diese „Triade“ hat seit 1980 die jüngst alphabetisierten Erwerbsbevölkerungen der Dritten Welt in Arbeit gebracht, dadurch die inländischen Arbeitseinkommen gewaltig unter Druck gesetzt und – wie man sagen muss – auf diese Art weltweit die Profitraten erhöht.“ Wohl noch besser drückt sich die Vorherrschaft der alternden entwickelten Welt in einer anderen Fähigkeit aus. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

Weiterlesen

Moderne Ideologien sind Konzepte der Weltdeutung

Die radikale Veränderung der Welt in den zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg wurde von der bürgerlichen Gesellschaft als Krise und Bedrohung empfunden. Dies führte vor allem in Deutschland zum Aufkommen nicht minder radikaler Antworten auf die Verunsicherung. Ulrich Herbert erklärt: „Das schlug sich im Aufschwung der großen politischen Ideologien nieder, die im Zuge des Aufstiegs der Massengesellschaft so viele Menschen wie nie zuvor mobilisierten.“ Dabei ist zu bedenken, dass es sich bei modernen Ideologien um Konzepte der Weltdeutung handelt. Sie erläutern die komplexen Verhältnisse auf eingängige und einleuchtende Weise, heben dabei auf eindeutige Verursacher ab und bieten so Anleitungen für das Handeln und gewähren Sicherheit im Verhalten. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Weiterlesen

Die Auswahl des Essens steht unter gesellschaftlichem Druck

Im neuen Philosophie-Magazin 04/2015 setzt sich das Titelthema mit der Frage „Bin ich, was ich esse? auseinander. Dabei wird festgestellt, dass heute mehr denn je die Auswahl des Essens unter gesellschaftlichem Druck steht. Dabei bilden selbstgewählte Nahrungstabus das Zentrum der menschlichen Identität, ersetzen zunehmend religiöse und auch politische Erkenntnisse. Dr. Catherine Newmark, die am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin arbeitet, schreibt: „Die damit verbundenen Haltungen pendeln zwischen lebensfroher Heilserwartung und genussferner Hypersensibilität, revolutionärer Energie und Angst vor staatlicher Überregulierung. Sie zitiert in ihrem Beitrag Friedrich Nietzsche, der einst behauptete: „Oft entscheidet ein einziger Bissen Nahrung, ob wir mit einem hohlen Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen.“ Viele Menschen sind heutzutage geradezu besessen vom Essen, und das gerade nicht, weil es so schwer zu besorgen wäre.

Weiterlesen

Tony Judt lüftet einige Geheimnisse der Erfolge des Marxismus

Die Attraktion des Marxismus, die dieser auf viele Menschen in den Ländern Europas ausübte, liegt möglicherweise daran, dass er mit verschiedenen nationalen linken Traditionen erstaunlich gut zu vereinbaren war. Überall auf dem alten Kontinent war der Marxismus das Fundament fortschrittlichen Denkens. Tony Judt schreibt: „Karl Marx verknüpfte, mehr als ihm bewusst war, zahlreiche Strömungen in Gesellschaftskritik und Wirtschaftstheorien des frühen neunzehnten Jahrhunderts.“ Tony Judt war Karl Marx zum Beispiel ein herausragender Kommentator der französischen Politik und der klassischen englischen Nationalökonomie. Zudem schenkte er der europäischen Linken die einzige Version ihres Erbes, die mit lokalen radikalen Traditionen vereinbar war und zugleich über sie hinauswies. Der britische Historiker Tony Judt, geboren 1948, studierte in Cambridge und Paris und lehrte in Cambridge, Oxford und Berkeley. Seit 1995 war er Erich-Maria-Remarque-Professor für Europäische Studien in New York. Er starb 2010 in New York.

Weiterlesen

Thomas Rentsch erklärt die Philosophie des 20. Jahrhunderts

Thomas Rentsch erklärt in seinem Buch „Philosophie des 20. Jahrhunderts“ die Höhepunkte der modernen und gegenwärtigen Philosophie wie zum Beispiel die Sprachkritik Ludwig Wittgensteins, die Onotologiekritik Martin Heideggers, die Verdinglichungskritik Theodor W. Adornos sowie die französisch geprägte Postmoderne. Dabei zeigt er, wie sich die auf den ersten Blick gegensätzlichen Philosophierichtungen immer wieder ergänzen und so produktiv fortentwickeln. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist für Thomas Rentsch ein Höhepunkt der 2500-jährigen Philosophiegeschichte: „Geprägt sowohl durch eine weitreichende Ausdifferenzierung der thematischen Schwerpunkte und Schulbindungen als auch durch eine Radikalisierung der Vernunftkritik auf allen Ebenen – vom Unbewussten über die menschliche Existenz und die Sprache bis zu Gesellschaft und Wissenschaft.“ Thomas Rentsch ist Professor für Philosophie an der TU Dresden. Er arbeitet vor allem zur Hermeneutik, zur Sprachphilosophie und zur praktischen Philosophie.

Weiterlesen

In gewissen Epochen häufen sich die Chancen auf ein neues Leben

Jede Epoche hatte dies kostbarste aller Güter: das Bild des erhofften, begehrten, möglichen „Neuen Lebens“. Henri Lefebvre schreibt: „Für das Neue Leben war man imstande zu sterben, folglich auch zu töten.“ Gekennzeichnet ist die Suche nach einem Neuen Leben durch eine mehr oder minder radikale Kritik des Bestehenden sowie die gründliche Zurückweisung der bestehenden Ordnung. Denn das Neue Leben ist bereits da, in der Nähe, ist möglich, fast gegenwärtig, allerdings noch unterdrückt im Abseits und harrt dort des Augenblicks der Befreiung. Das innovative Dasein, das etwas zum Vorschein bringen soll, ist indes nur scheinbar neu. Es ist absolut, außerhalb der Zeit – ebenso alt wie neu. Es ist mit den Worten Henri Lefebvres gesprochen Wiederholung, Wiedergeburt, Rückkehr zum Verlorenen, Wiederherstellung des Unverstümmelten sowie Auferstehung.

Weiterlesen

Henri Lefebvre singt das hohe Lied auf die Feste des Frühlings

Seit den Anfängen der Kunst und der Literatur preisen und loben die Dichter den Frühling in den höchsten Tönen. Sie nennen ihn die Zeit der Liebe, die gewaltige Brunst der Natur, die Tage der Fruchtbarkeit und den Zeitraum der Herrschaft Aphrodites und der Venus. Das expressive Thema des Monats Mai zählt Henri Lefebvre zu jenen, die unerschöpflich scheinen. Die Lobgesänge der griechischen und lateinischen Texte hallen noch in seinem Gedächtnis nach. Von Anbeginn an bemächtigt sich auf die französische Literatur des Themas des Frühlings. Henri Lefebvre fügt hinzu: „Der antiken Vorstellung zufolge, die sich bis in die Naturphilosophie unserer Tage hinein verlängert, ist die Natur eine grundlegende Macht – Physis.“ In Raum und Zeit mit sich selbst identisch bleibend, impliziert sie seiner Meinung nach die Endlichkeit des Kosmos.

Weiterlesen

Henri Lefebvre setzt sich mit dem Naturbegriff auseinander

Der Missbrauch, den die kosmologische Romantik mit dem Naturbegriff trieb, hat diesen laut Henri Lefebvre in Misskredit gebracht, obwohl systematische Philosophie bislang nie auf eine Philosophie der Natur verzichten wollte. Naturalismus und Naturismus haben den Begriff der Natur regressiv in Beschlag genommen, haben ihn bald verschnörkelt, bald einem von Physik oder der Physiologie abgezogenen elementaren Szientismus unterworfen. Schließlich ist der Naturbegriff durch die bürgerlichen und technizistischen Verzückungen schier unerträglich geworden, angesichts der mit den modernen Hilfsmitteln eroberten Welten des Schweigens, der Abgründe und Höhen. Henri Lefebvre schreibt: „Die Natur ist vom Journalismus, von der Literatur, den Massenmedien und zugleich von einer dekadenten Ontologie okkupiert worden.“ Seiner Meinung nach hat man die Natur entschärft, indem man sie interessanter machen wollte. Die ihr angedichtete Pittoreskheit und das Geschwätz über Natur haben ihren Begriff trivialisiert.  

Weiterlesen

Die Metamorphosen des Teufels sind voller Überraschungen

Gerade jene, die den Teufel gemeinsam mit dem lieben Gott ausgetrieben haben, die guten, braven und loyalen Materialisten, haben laut Henri Lefebvre die naivste dualistische Vorstellung der Welt begründet. Nämlich die Gegensätze zwischen den Guten und den Bösen, zwischen dem wir und den anderen sowie zwischen den positiven Helden und den negativen Schurken. Henri Lefebvre schreibt: „Auf ihre Art haben sie die Dialektik des Dämonischen und des Göttlichen, des Guten und des Bösen, des Lichts und der Finsternis fortgesetzt. Der Teufel rächt sich; gemeinsam mit dem lieben Gott kommt er durch die Hintertür wieder herein.“ Die Metamorphosen des Teufels sind vielfältig und voller Überraschungen. Ihre Spur durchzieht, sie belebend, ebenso die Geschichte Gottes wie die des Seins der Philosophen.

Weiterlesen

Henri Lefebvre beschreibt den Einzug des Ödipus in Theben

Am Hofe des Königs Polybos stach der junge Ödipus laut Henri Lefebvre sowohl durch seine Kraft und Schönheit als auch durch seine Intelligenz hervor. Zugleich erstaunte er seine Umwelt durch einen wilden Charakter. Ödipus verkehrte mit keinem Mädchen und mit keiner Frau. Manchmal ging er in die Berge zu den wilden Tieren und starb dort fast vor Hunger. Immer wieder fragte er sich: „Wer bin ich?“ „Und warum bin ich?“ „Warum bin ich nicht wie die anderen, wie meine Brüder, die nehmen, was das Leben ihnen an Gutem bietet, und die unnötiger Pein aus dem Weg gehen?“ Um auf diese Fragen Antworten zu erhalten, beschloss Ödipus eines Tages, das Orakel zu befragen. Er hoffte, der Gott des Lichts würde ihm erklären, dass er in seiner Familie und seinem Gemeinwesen nicht überflüssig sei.

Weiterlesen

Ironie setzt das geschärfte Bewusstsein eines Konflikts voraus

Die großen Ironiker wie Sokrates, Michel de Montaigne, Alfred de Musset und Heinrich Heine treten laut Henri Lefebvre in unruhigen, gestörten Zeitläufen auf, wenn sich die Menschen in ihrem Umkreis bedeutsamen Angelegenheiten widmen, wenn die Zukunft von großen Entscheidungen abhängt, wenn enorme Interessen im Spiel sind und die Menschen der Tat sich rückhaltlos in den Kampf begeben. Henri Lefebvre fügt hinzu: „Dann genau zieht der Ironiker sich auf sich selbst zurück, ohne sich freilich für immer einzuigeln.“ Er besinnt und stärkt sich nur, um anschließend dach draußen zum Publikum zurückzukehren, um die Akteure des Kampfes zu befragen, ob sie wirklich wissen, warum sie ihr Leben aufs Spiel setzen. Der Ironiker erkennt als erster die Grenzen der aufgebotenen Interessen und die Chancen der vorliegenden Taktiken.

Weiterlesen

Paul Nolte beschreibt die scheinbaren Vorzüge der Diktatur

Selbst in Großbritannien und Amerika kamen in der Zwischenkriegszeit neue Zweifel an der Demokratie auf, doch diese Zweifel griffen im kontinentalen Europa viel weiter und grundsätzlicher um sich und mündeten häufiger, über Skepsis hinaus, in Gegnerschaft gegen die Demokratie oder jedenfalls Gleichgültigkeit gegenüber ihrer möglichen Zerstörung. Die Aussicht auf eine Diktatur erschien in den 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht so schrecklich wie in der Gegenwart. Erst aus der konkreten Erfahrung des Nationalsozialismus, der für Verfolgung und Massenmord verantwortlich war, teils auch aus den parallelen Gegebenheiten im Stalinismus der Sowjetunion, entstand laut Paul Nolte jenes Bild der Diktatur als alles umgreifender und kontrollierender, totaler Herrschaft, die sich auf Willkür und die Entfesslung von Gewalt stützt. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

Weiterlesen

Sarah Wagenknecht benennt die Übel des Kapitalismus

Die Märkte sind für die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht nicht das Problem der gegenwärtigen Schuldenkrise, sondern der Kapitalismus ist ihrer Meinung daran schuld, dass sich wenige auf Kosten der Mehrheit bereichern können. Wo Märkte funktionieren und ihren Platz haben, erfüllen sie für Sarah Wagenknecht eine wichtige Funktion. Nichts zu suchen haben sie dagegen im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor, wo es um elementare Güter der Gesellschaft geht. Das betrifft auch den Finanzsektor. Sarah Wagenknecht sagt: „Es spricht viel dafür, dass auch Finanzen ein öffentliches Gut sind, dass man nicht Märkten überlassen sollte. Zumal der Finanzmarkt ohnehin kein funktionierender Markt ist.“ Sarah Wagenknecht würde sich allerdings nie als Liberale bezeichnen, auch wenn sie den klassischen Liberalismus im Marxismus verwurzelt sieht.

Weiterlesen

Die geistesgeschichtlichen Quellen des Anarchismus

Für den Politologen Peter Lösche sind die Ursprünge und Vorläufer des Anarchismus ebenso zahlreich wie die sozialen, geistesgeschichtlichen und politischen Bedingungen, unter denen der Anarchismus entstanden ist. Geistesgeschichtlich wird der Anarchismus laut Peter Lösche aus zwei Quellen gespeist, die selbst miteinander verbunden sind. Er schreibt: „Zunächst ist er ein Produkt der Aufklärung: Unter Anlehnung an naturrechtliche Vorstellungen ermöglicht der Rationalismus überhaupt erst ein Gesellschaftskonzept, das die in der Gegenwart vorhandene menschliche Entfremdung für real aufhebbar hält.“ In der Abwendung vom Reich Gottes und des Feudalismus wird die Einzigartigkeit des Individuums entdeckt. Der Liberalismus und der Anarchismus haben an dieser Stelle die gleiche Wurzel. Der Anarchismus allerdings treibt den Individualismus bis zu seiner letzten Konsequenz. Die zweite geistesgeschichtlich Quelle des Anarchismus sieht Peter Lösche, ähnlich dem Marxismus in seinen Ursprüngen, in der Hegel-Kritik.

Weiterlesen

Der Anarchismus will eine herrschaftsfreie Gesellschaft

Der Politologe Peter Lösche grenzt den Anarchismus von anderen sozialen und politischen Bewegungen ab, indem er ihn anhand von vier immanenten Kriterien beschreibt. Erstens sind die Anarchisten dadurch charakterisiert, dass sie jede Form von menschlicher Organisation ablehnen, mit deren Hilfe politischer, ideologischer, gesellschaftlicher oder ökonomischer Zwang ausgeübt werden könnte. Vielmehr streben sie die freiwillige Assoziation der emanzipierten, mündigen Bürger an. Laut Peter Lösche ist der Anarchist konsequent gegen Institutionen eingestellt, lehnt die Bürokratie und die Parlamente ab, mit Parteien, Verbänden und der Kirche will er auch nichts zu tun haben. Doch selbst das genügt den Anarchisten noch nicht. Peter Lösche erklärt: „Anarchisten wenden den Antiinstitutionalismus auch auf ihre eigene Bewegung an; sie lehnen festgefügte Organisationen, in denen sich die Gefahr der Hierarchisierung realisieren könnte, ab.“  

Weiterlesen

Maurice Merleau-Ponty kritisiert die Technikgläubigkeit

Obwohl Naturwissenschaft und Technik unwiderstehlich voranschreiten, bewirken sie für Maurice Merleau-Ponty keine fundamentale Förderung der Humanität. Denn das menschliche Ethos hat offenbar nur wenige Berührungspunkte mit dem Begreifen der Natur und der technischen Allmacht über dieselbe. Jedenfalls hat es die Menschheit erlebt, dass Wissenschaft und Technik ohne Moral sich durchaus in den Dienst tyrannischer Herrschaftssysteme stellen lassen. In den Kriegen gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, dass die großartigen technischen Erkenntnisse und Maschinen zur Vernichtung von Menschen eingesetzt werden. Die Naturwissenschaften sind laut Max Scheler eine Art von Herrschaftswissen, in denen keinerlei Heilswissen enthalten ist.

Weiterlesen

Maurice Merleau-Ponty: "Humanismus und Terror"

In den beiden Bänden von „Humanismus und Terror“ formulierte Maurice Merleau-Ponty unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg seine Stellungnahme zum Marxismus, Sozialismus und Kapitalismus. Er forschte nach einem humanistischen Sozialismus, der sich von der Anbetung der Sowjetmacht befreien müsse. Es war für ihn nicht nachvollziehbar, dass man auf dem Wege über eine absolute Diktatur zum Reich der Freiheit gelangen könne. Maurice Merleau-Ponty machte darauf aufmerksam, dass der Marxismus von seiner Ideologiegeschichte her auf den Liberalismus folgte. Die Lehre von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, die von der Französischen Revolution vereinnahmt wurde, war eine Errungenschaft des revolutionären Bürgertums.

Weiterlesen

Für Alain Badiou gibt es ewige Wahrheiten

Der französische Philosoph Alain Badiou unterscheidet in seinem neuen Buch „Logiken der Welten“, das gerade im Diaphanes-Verlag auf Deutsch erschienen ist, vier philosophische Wahrheitsprozeduren: Wissenschaft, Kunst, Politik und die Liebe. Die Mathematik, die Malerei, die Dichtung und die Liebe bringen ganz bestimmte Formen der Wahrheit hervor. Diese verschiedenen Wahrheiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie universell sind, nicht aufzählbar, sich in der Unendlichkeit verlierend und immer erkennbar. Es gibt laut Alain Badiou so viele Wahrheiten, dass kein Mensch sie alle aufzählen könnte. Das sei aber auch gar nicht nötig, da man diese Wahrheiten nicht verfehlen könne, wenn man an sie denke.

Weiterlesen