Auch innere Impulse werden als Aggressionen bezeichnet

Als Aggression werden im Deutschen häufig nicht nur sichtbare Verhaltensweisen bezeichnet, sondern auch innere Impulse, nämlich Emotionen wie Ärger, Wut und Hass. In dieser Bedeutung wird dann meistens die Pluralform „Aggressionen“ bevorzugt: Aggressionen haben, Aggressionen ausleben, Aggressionen loswerden und so weiter. Das wäre für Hans-Peter Nolting unproblematisch, wenn aggressives Verhalten und aggressive Emotionen lediglich zwei Seiten desselben Prozesses wären. Aber das ist nicht so. Hans-Peter Nolting erklärt: „Es gibt aggressives Verhalten, dass nicht auf aggressiven Emotionen beruht, sondern zum Beispiel auf Habgier oder Angst, und umgekehrt werden aggressive Emotionen keineswegs immer in aggressives Verhalten umgesetzt.“ Daher sollte man beides auseinanderhalten. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Der menschliche Geist ist eine Art Spiegel

Selbst komplexe Handlungsmuster bedürfen nicht unbedingt einer bewussten Entscheidung. William James schrieb in seinem berühmten Kapitel „Der Willen“ von 1890, dass menschliches Verhalten aus unbewussten und nicht intentionalen Quellen entspringt, auch das Verhalten, das dem, was jemand gegenwärtig in der Welt erlebt und sieht, angemessen ist und ihm nahegelegt wird. Die bewussten Willensakte, so William James, sind Akte der Kontrolle über diese unbewussten Impulse, die manche durchlassen, andere hingegen nicht. John Bargh erläutert: „Der menschliche Geist ist eine Art Spiegel: Er generiert potenzielles Verhalten, das die Situation und die Umgebung widerspiegelt, in der man sich gerade befindet. Bevor man es merkt, wird das, was man tut, von dem bestimmt, was man sieht.“ Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Für den Sinn des Lebens gibt es keine Garantie

Das menschliche Streben nach Veränderung und Verbesserung, die Suche, ist nicht als Makel und Beweis für die Unvollkommenheit des Menschen zu verstehen, sondern als kreative und schöpferische Fähigkeit, mit Unsicherheit und Wandel umzugehen. Dabei handelt es sich um eine unerlässliche Kompetenz in jedem lebendigen Zusammenhang. Ina Schmidt erläutert: „Gerade in einer globalen, mobilen und gut vernetzten Welt, die ebenfalls den Gesetzen sozialer und organischer Zusammenhänge gehorcht, brauchen wir mehr denn je kompetente Suchende.“ Diese Überzeugung gilt auch dann, wenn man erst einmal nichts zu verstehen glaubt und sich auf folgende Einsicht des Denkers Georg Christoph Lichtenberg beschränken muss: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Ein Mensch sollte seinem Körper gegenüber Geduld aufbringen

Michel de Montaigne (1533 – 1592) geht das Leben lockerer an als beispielsweise Diogenes und Epikur, indem er als praktische Antwort auf sein theoretisches Zweifeln seiner persönlichen Vorlieben zur Richtschnur seines Umgangs mit sich selbst und seiner Gesundheit macht. Ein bedürfnis- und empfindungsreicher Umgang mit Krankheiten verlangt allerdings, dass ein Mensch seinem Körper gegenüber Geduld aufbringt. Ludger Pfeil erklärt: „Wir sollten den jeder Unpässlichkeit eigenen Lebenszyklus von Entstehung, Entfaltung, Höhepunkt, Abklingen und Vergehen nicht zu beschleunigen suchen.“ Michel de Montaigne will „den Krankheiten Durchlass gewähren“ und glaubt, dass sie dann weniger hartnäckig und von kürzerer Dauer sind, wenn sie nicht behandelt werden. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Selbstkontrolle macht einen Menschen handlungsfähig

Selbststeuerung ist möglich, wenn ein Mensch seine Denkprozesse automatisch leitet. Wenn er Situationen erlebt, interpretiert und Schlüsse zieht, versucht sein Bewusstsein, die Übersicht zu behalten und alles zu durchleuchten, was im Inneren auftaucht. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Wie wir unser inneres Geschehen wie auch Außenwahrnehmung gewichten und ordnen, hängt von unseren Erfahrungen und unserem Persönlichkeitstyp ab.“ Doch unabhängig davon, ob man sich als Denk-, Empfindungs-, Gefühls- oder intuitiven Typ versteht, diszipliniert man als Individuum den inneren Zirkus. Der Mensch spult nicht einfach ein genetisches Programm ab oder wird durch neurologische Prozesse bestimmt, sondern das Kommando hat das Ich. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Frage „Will ich zu viel – oder zu wenig?“ wirft viele Rätsel auf

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2017 beschäftigt sich mit der Frage: „Will ich zu viel – oder zu wenig?“ Eigentlich beruht die gesamte Lebensweise der modernen Staaten des Westens auf dem Imperativ des immer Mehrwollens. Sowohl im privaten Bereich als auch im Beruf führt dieser Wille oft zu einer dauerhaften Selbstüberforderung. Die Lust am Leben wird so eher gemindert anstatt gesteigert. Aus beglückender Fülle werden Leere und Angst. Scheinbar ist also klar: Wer weniger will, wird seltener enttäuscht, ist also entspannter und lebt so möglicherweise zufriedener. Das Wollen selbst sei die Wurzel allen Unglücks – das behaupten zumindest Denker von der Stoa bis zu Arthur Schopenhauer. Doch ganz so einfach ist es nicht. Ist es nicht gerade die Suche nach mehr Intensität, die dem eigenen Leben erst Spannung und Sinn gibt?

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Der Glauben entspringt demselben Boden wie die seelische Pathologie

Sigmund Freud war fest davon überzeugt, dass der Mensch die Verantwortung für sein Schicksal tragen muss, ohne dass er sie an andere Instanzen abtreten darf. Peter-André Alt erklärt: „Allein dort, wo die Annahme von der Existenz guter oder böser Übermächte durchbrochen wird, kann das gelingen.“ Dass der Einzelne nicht selten durch seinen Glauben wie seinen Aberglauben an der Selbstbestimmung gehindert wird, gehört zu Sigmund Freuds tiefsten Überzeugungen: „Ich halte mich für einen sehr moralischen Menschen, betrachte aber jede Form öffentlicher Zurschaustellung sittlicher Tugenden, wie sie in religiösen Bekenntnissen erfolgt, als peinlich.“ Die Trennung von Ethik und Religion gehörte zu den systematischen Prinzipien, die Sigmund Freud zeitlebens verteidigte. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Das Ich wird von den Mächten des Unbewussten beherrscht

Während das Ich als steuernde Instanz auf Ordnung und Organisation ausgerichtet ist, bleibt das Es unberechenbar. Der Trieb ist materialistisch und auf Verbrauch ausgerichtet. Er unterliegt weder einer sittlichen noch einer rationalen Lenkung. Sigmund Freud schreibt: „Selbstverständlich kennt das Es keine Wertungen, kein Gut und Böse, keine Moral.“ Dem Es kann man nur in Vergleichen nahekommen, denn es ist eigentlich unbenennbar, sofern es sich nicht in Träumen oder Neurosen meldet. Peter-André Alt ergänzt: „Aus diesem Grund repräsentiert es auch kein „Unbewusstes“ – einen bis heute häufige Fehlbenennung, die Sigmund Freud immer rügte –, sondern eine amorphe und unbekannte, nur über Wirkungen erfahrbare Ordnung.“ Als „Kessel voll brodelnder Erregungen“ lässt sich das Es weniger beherrschen als über Umwege sublimieren. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Ein denkendes Wesen möchte nicht der Natur ausgesetzt sein

Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Aussicht, die Natur zu überlisten. Denn der Natur ausgesetzt zu sein, ist für ein denkendes Wesen furchtbar, kränkend, demütigend. Daidalos, dessen Name sich vom griechischen Wort „daidallein“ ableitet, ein kunstvolles Arbeiten bezeichnet, hat im antiken Sinne eher nicht gearbeitet. Er war Künstler, Handwerker, Erfinder, aber kein Sklave. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die Antike unterschied feinsinnig unterschiedliche Formen menschlicher Tätigkeit: „ascholía“, eigentlich die Nichtmuße, die Beschäftigung, die eher freudlosen Dinge, die verrichtet werden müssen, um das Lebensnotwendige bereitzustellen, das tägliche Brot im Schweiße unseres Angesichts zu verdienen.“ Diese Arbeit, die auch zur Mühe und Plage, zur Qual – „ponos“ – werden konnte, erachtete man aber eines freien Menschen für unwürdig, dafür hielt man sich Sklaven.

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Der Zweifel ist der Weisheit Anfang

Die Fähigkeit zu lernen geht nicht an einem bestimmten Punkt im Leben verloren. Selbst eingeschliffene Denkmuster kann jeder Mensch jederzeit ändern, sogar noch im hohen Alter. Anja Förster und Peter Kreuz erklären: „Neuroplastizität heißt die Fähigkeit unseres Gehirns, zwischen seinen Nervenzellen ständig neue Verknüpfungen herzustellen. Damit ist es in der Lage, sich lebenslang auf neue Anforderungen einzustellen und seinen Kurs zu verändern.“ Damit steht auch fest: Entschiedenheit kann man lernen. Dazu benötigt man allerdings Selbstreflexion, Disziplin, Mut und auch … Zweifel. Obwohl in der heutigen Zeit keine Zweifler gefragt sind, sondern eher Macher. Es herrscht die Erwartung, dass man seine Zweifel beiseiteschiebt und Gewissheit verbreitet, auch dann, wenn es nur Hoffnungen oder Erwartungen sind. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Gutscheine regen zu Lustkäufen an

Die Psychologie des Schenkens ist vielseitig und spannend, weshalb sich die amerikanischen Sozialpsychologen auf ihrer Jahreskonferenz in Long Beach 2015 zum Thema als Schwerpunkt gewidmet haben. Einige Erkenntnisse sind ebenso überraschend wie alltagstauglich – und bieten praktische Hilfe für die Wahl der Gaben an Weihnachten oder für den Geburtstag. Werner Bartens nennt ein Beispiel: „Wer für besonders wählerische Menschen Geschenke aussuchen muss, ist zumeist wenig motiviert und schiebt die Entscheidung gerne hinaus. Vermutlich hat der Schenkende den Eindruck, es dem anderen sowieso nicht recht machen zu können.“ Als Geschenk bekommen wählerische Zeitgenossen daher oft Gutscheine – oder genau das, was sie sich gerade gewünscht haben, was den meisten Menschen übrigens die größte Freude bereitet, auch wenn es vielen Schenkenden als einfallslos und nicht gerade kreativ gilt. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.

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Ohne Selbststeuerung lässt sich im Leben nichts erreichen

Joachim Bauer vertritt in seinem neuen Buch „Selbststeuerung“ die These, dass sich durch Selbststeuerung im Leben vieles erreichen lässt, ohne sie nichts. Allen Menschen ist die Fähigkeit angeboren, Selbststeuerung zu erlernen. Sie sorgt für eine ausgeglichene Balance zwischen der unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen und dem Erreichen längerfristiger, höherstufiger Ziele. Die Selbststeuerung kann sogar niedergeschlagenen Menschen einen Weg aus Stress, innerer Leere und dem Gefühl der Sinnlosigkeit weisen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer, der an der Universität Freiburg lehrt, beschreibt Selbststeuerung als Funktionen des menschlichen Stirnhirns. Die Philosophie nennt sie schlicht den freien Willen. Der tiefere Sinn der Selbststeuerung liegt darin, sein ganz eigenes, wahres Leben zu leben und zu sich selbst, zu seiner ureigenen Identität zu finden. Zum Selbst gehört es, einen Plan zu haben und auf dieser Basis etwas besonders Beglückendes zu tun, nämlich für sich eine eigene, ganz individuelle Zukunft zu entwerfen.

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Aggression schließt Gewalt und das Böse mit ein

Hans-Peter Nolting stellt in seinem Buch „Psychologie der Aggression“ die Frage nach den Gemeinsamkeiten von Aggression, Gewalt und dem Bösen. Er stellt fest, dass es keine Instanz gibt, die verbindliche Definitionen verordnen kann, und dass es faktisch kein ganz einheitliches Begriffsverständnis von Aggression oder Gewalt gibt, nicht in der Öffentlichkeit und zum Teil nicht einmal in der Wissenschaft. Unter dem Begriff „Aggression“ versteht Hans-Peter Nolting den Oberbegriff für das gesamte Themenfeld. Er schließt „Gewalt“, „Grausamkeit“ und „das Böse“ mit ein. Hans-Peter Nolting erklärt: „Aggression ist ein Verhalten, das darauf gerichtet ist, andere Individuen zu schädigen. So etwa lauten typische Kurzdefinitionen in der Psychologie. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Emotionen dienen der sozialen Kommunikation

Der Rolle der Gefühle hat als einer der Ersten Antonio Damasio erkannt. Der Neurologe, der fast sein ganzes Forscherleben dem Zusammenspiel zwischen Fühlen und Denken gewidmet hat, belegte, was Philosophen wie David Hume schon im 18. Jahrhundert postuliert hatten: Erst die Emotionen geben dem Verstand eine Richtung und dem Handeln einen Sinn. Ulrich Schnabel fügt hinzu: „Wer keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat, dem fällt auch das sogenannte vernünftige Denken enorm schwer.“ Antonio Damasio ist fest davon überzeugt, dass ein Leben ohne Gefühle zwar theoretisch möglich, aber nicht von langer Dauer wäre. So sind Gefühle aus Sicht der Biologie entscheidende Instrument des Überlebens. Sie vermitteln wichtige Informationen, die man oft gar nicht bewusst zur Kenntnis nimmt, die einen aber dennoch leiten und steuern, weil man sie körperlich spürt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Verzeihen bedeutet Verzicht auf Vergeltung und Wiedergutmachung

Verzeihen ist grundlegend für das menschliche Zusammenleben. In ihrem Buch „Verzeihen“ beantwortet die Philosophin Svenja Flaßpöhler unter anderem die Frage, wie Menschen, die schuldig geworden sind, der Spirale aus Schuld und Sühne entkommen können. Außerdem lotet sie mittels philosophischer Gedankengänge die Grenzen des Verzeihbaren aus. Wer verzeiht, beschuldigt nicht länger andere für das eigene Leid, fordert keine Rache oder ein Urteil vor Gericht, sondern lässt die Sache auf sich beruhen. Svenja Flaßpöhler ergründet, indem sie Opfer wie Täter zu Wort kommen lässt, unter welchen Bedingungen ein Schuldenschnitt im moralischen Sinne gelingen kann. Svenja Flaßpöhler schreibt, dass ihr Buch ein Versuch sei, das Verzeihen zu verstehen: „Wer verzeiht, handelt weder gerecht noch ökonomisch, noch logisch. Verzeihen bedeutet dem Wort nach: Verzicht auf Vergeltung. Verzicht auf Wiedergutmachung.“ Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und stellvertretende Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Der Form nach sind alle Vorurteile falsch

Dass die Aufklärung Vorurteile zu entdecken und zu zerstören sucht, ist philosophie- und sozialhistorisch nicht zu bestreiten. Das Vorurteil ist sogar eine ihrer zentralen Kampfideen. Vorurteile werden in materialen Definitionen als falsche Urteile, Meinungen, Stellungnahmen, Thesen, geistige Einstellungen oder Annahmen verstanden. Im deutschen Sprachraum we3rden solche Definitionen, die Vorurteile als Irrtum, als falsches, unwahres Urteil ansehen, in philosophischen Logiken breit tradiert. René Descartes (1596 – 1650) band den Begriff des Vorurteils an die Dauerhaftigkeit von Meinungen, die durch einmal gefällte Urteile glaubhaft bleiben. Diese Urteile und die auf ihnen basierenden Ansichten müssen nicht falsch sein. In der deutschsprachigen Aufklärung entwickelt erstmals Georg Friedrich Meier (1718 – 1777) systematisch einen formalen Vorurteilsbegriff. Vorurteile sind bei Meier vorgefasste Meinungen, ungeprüfte Einstellungen, die nicht unbedingt auch inhaltlich falsch sind.

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Clemens Fuest unterscheidet zwei Arten von Deflation

Die Situation der Wirtschaft in Deutschland und ganz Europa ist schwierig, aber deutlich besser als in der massiven Krise vor acht Jahren. Die Inflation liegt derzeit bei null Prozent, das Ziel ist zwei Prozent. Insofern kann Clemens Fuest die Motive der Europäischen Zentralbank (EZB) nachvollziehen, die den Leitzins auf null gedrückt hat und massenweise Staatsanleihen aufkauft. Aber Clemens Fuest merkt kritisch an: „Die EZB versucht eben auch, mit den niedrigen Zinsen die hoch verschuldeten Krisenstaaten zu entlasten. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. Sie versucht außerdem die Konjunktur anzuheizen. Aber man kann sich fragen, ob das alles wirksam ist.“ Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Zinsen nicht allein von der EZB gemacht werden. Clemens Fuest ist seit dem 1. April 2016 Präsident der angesehensten deutschen Forschungseinrichtung in Sachen Ökonomie, des Ifo-Instituts in München.

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Menschen brauchen soziale Resonanz

Eine passende Rückmeldung der Umwelt ist nicht nur in den ersten Lebensjahren essenziell für einen Menschen. Ulrich Schnabel erklärt: „Auch in späteren Jahren sind wir auf „Resonanz“ von außen angewiesen.“ Zwar reagieren Menschen mit zunehmenden Alter weniger labil auf äußere Einflüsse, weil sich die Persönlichkeit ausgeformt und an Stabilität gewinnt. Dennoch bleibt man ein soziales Wesen, das bis ins hohe Alter offen ist für den Austausch von Liebe und Zuneigung, das Teilen von Trauer und Trost und die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte. Diese Resonanz mit der Außenwelt ist umso ausgeprägter, je mehr man sich mit den jeweiligen Mitmenschen verbunden fühlt und je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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In der Pubertät ist das Gehirn im Ausnahmezustand

Wenn Kinder für ihre Eltern auf einmal ein Rätsel sind, hat die Lebensphase der Pubertät begonnen. Das Interesse für die Schule lässt oftmals rapide nach. Wichtig ist nur noch, was die Clique macht: Zigaretten rauchen, Alkohol trinken oder die Haare färben. Mütter und Väter stehen vor geschlossenen Kinderzimmertüren und grübeln darüber nach, was sich wohl gerade im Kopf des Nachwuchses abspielt. Diese Frage stellen sich auch Neuronenwissenschaftler. Um Antworten zu finden, schauen sie Jugendlichen mit modernen bildgebenden Verfahren tatsächlich ins Gehirn. Für die Forschung ist die Pubertät höchst spannend. Nicht wegen der körperlichen Entwicklungen, die Teenager durchlaufen, sondern wegen der psychosozialen Veränderungen. Hinter der Stirn von Pubertierenden findet ein riesiges Umbauprojekt statt. Das Gehirn formiert sich neu – in zeitversetzten Bauphasen.

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Die Liebe macht viele Menschen demütig

Wenn man heute von „Gemeinsinn“ spricht, stellt man sich darunter jemanden vor, der Petitionen, Demonstrationen und Proteste organisiert und der seine Stimme zum Wohl der Allgemeinheit erhebt. David Brooks ergänzt: „Aber in früheren Epochen war damit eine Person gemeint, die ihre Leidenschaften gezügelt und ihre Meinungen gemäßigt hat, um einen umfassenden Konsens zu erreichen und unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen.“ Viele Menschen stellen sich Gemeinsinn als Durchsetzungskraft vor, aber früher verstand man darunter die Fähigkeit zu Selbstbeherrschung. Dabei lernt man eine innere Struktur zu entwickeln, um die chaotischen Impulse im Innern zu kontrollieren. Sündhaftigkeit wird dabei indirekt durch uneigennütziges Verhalten bekämpft. Damit führt man das Leben von den schlimmsten Tendenzen weg. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Märkte entwickeln sich ständig weiter

Marktdesign ist so allgegenwärtig, dass es, vom täglichen Aufwachen an, praktisch jeden Aspekt des menschlichen Lebens betrifft. Die Umwandlung eines Produktes in eine Ware beeinflusst nicht nur, wie es gekauft und verkauft wird, sondern auch, was produziert wird. Ein wesentlicher Aspekt des Marktdesigns hängt mit dem menschlichen Verhalten zusammen. Alvin E. Roth erklärt: „In den letzten Jahren haben Verhaltensökonomen traditionelle ökonomische Annahmen auf den Kopf gestellt, weil sie erkannten, dass Menschen nicht gnadenlos berechnend und rein eigennützig handeln, und Marktdesigner vergeben große Chancen, wenn sie dies vergessen.“ Die Lektion, die man beherzigen muss, wenn man gewöhnliche Märkte betrachtet, lautet, dass Marktplätze nicht nur die Probleme lösen müssen, die damit verbunden sind, einen dichten Markt zu erzeugen, „Verstopfung“ zu verhindern und dafür zu sorgen, dass die Teilnahme sicher und einfach ist. Vielmehr müssen sie diese Probleme immer wieder neu lösen, denn Märkte entwickeln sich weiter.“ Im Jahr 2012 erhielt Alvin E. Roth den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Der Wirtschaftsprofessor lehrt an der Stanford University.

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Ein gutes Arbeitsklima verhindert Stress im Job

Dauerstress im Job macht krank. Doch er ist zum Teil auch eine Sache der Einstellung. Ein ausgezeichnetes Gegenmittel ist ein gutes Arbeitsklima. Und das kann jeder Mitarbeiter mitbestimmen. Laut einem Report der Krankenkasse DAK-Gesundheit haben sich die Fehltage wegen psychischer Leiden in den vergangenen zwanzig Jahren verdreifacht. Schuld an den steigenden Zahlen ist sicher nicht allein die Arbeitswelt. Psychische Erkrankungen werden heute auch deutlich öfter erkannt. Dennoch wird niemand bezweifeln, dass der Beruf eine mögliche Ursache für Dauerstress ist. Und der kann krank machen, schwer krank sogar. Arbeitsfrust ist aber nicht nur ein persönliches Schicksal. Jeder kann sein eigenes Anti-Stress-Programm starten. Die drei Grundregeln dabei lauten: akzeptieren, verändern – oder verlassen. Einen Weg gibt es fast immer. Hektik, Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung: Spricht man über Jobs von heute, dann oft nur als Quelle von Belastungen.

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Die Schuld ist ein unheimliches Phänomen

Über Schuld reden Menschen normalerweise nicht gerne. Doch Schuld ist allgegenwärtig. Auch ein psychisch kranker Mensch kann schuldig werden. Manfred Lütz erläutert: „Unser Rechtsordnung hat sich nach dem Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ entschieden, Menschen, denen einen halluzinierte Stimme befohlen hat, einen anderen Menschen zu töten, für schuldunfähig zu erklären, wenn er dieser Stimme folgt.“ Doch niemand weiß genau, inwieweit dieser Mensch sich dem Befehl doch hätte widersetzen können. Schuld ist ein unheimliches Phänomen. Die meisten Menschen sind sich ganz gewiss, dass es sie gibt, denn sie beeinträchtigt ihr Leben Tag für Tag, sie umgibt sie, sie sind ihr ausgeliefert, sie verstricken sich selbst in ihr, aber sie können die Schuld nicht fassen. Manfred Lütz leitet eine Klinik für psychisch Kranke in Köln.

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Der Ausdruck ist an das Gefühl gekoppelt

Die Beziehung zwischen einem Gefühl und dem Minenspiel einen Menschen ist alles andere als eine Einbahnstraße. Vielmehr wirkt der Ausdruck einer Emotion immer auch auf den Organismus zurück und verstärkt die zum Ausdruck gebrachte Empfindung. Schon Charles Darwin hat dieses Phänomen beobachtet und in seinem Werk „Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren“ beschrieben: „Wer seiner Wuth durch heftige Gebärden nachgibt, wird sie nur vergrößern.“ Tatsächlich kann das laut Ulrich Schnabel jeder an sich selbst studieren: „Wer eine ängstliche Mine aufsetzt, verstärkt seine Angst, wer hingegen durch breites Lächeln eine frohe Stimmung zum Ausdruck bringt, fühlt sich prompt noch fröhlicher.“ Diese rückwirkende Koppelung von Ausdruck und dazugehörigem Gefühl funktioniert sogar dann, wenn man die entsprechenden Verhaltensweisen nur vorspielt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Eine Versuchung ist ein Anreiz zur Sünde

Gewohnheiten sind wie das Rückgrat eines Lebens. Sie lassen den Menschen aufrecht gehen, auch wenn es bequemer wäre, sich hängen zu lassen. Eine Versuchung ist ein Anreiz zur Sünde. Sie hängt von den inneren Zuständen einen Menschen ab wie der Stärke von Überzeugungen, der Willensstärke, der Selbstdisziplin. Sie ist aber auch von äußeren Faktoren abhängig, wie etwa der Gestaltung der Umgebung. Die Zeitdisziplin ist für Clemens Sedmak wohl ein Versuch, die inneren und die äußeren Faktoren zusammenzuführen. Der berühmte Schriftsteller Wystan Hugh Auden sah Disziplin, vor allem Zeitdisziplin, als den Schlüssel seines Erfolgs an: „Man muss sich für den Tag etwas Konkretes vornehmen, und wenn man immer zum selben Zeitpunkt dasselbe macht, hat man mit Ablenkungen keine Probleme.“ Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderem eine Professur am Londoner King´s College inne.

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