Das Ich wird von den Mächten des Unbewussten beherrscht

Während das Ich als steuernde Instanz auf Ordnung und Organisation ausgerichtet ist, bleibt das Es unberechenbar. Der Trieb ist materialistisch und auf Verbrauch ausgerichtet. Er unterliegt weder einer sittlichen noch einer rationalen Lenkung. Sigmund Freud schreibt: „Selbstverständlich kennt das Es keine Wertungen, kein Gut und Böse, keine Moral.“ Dem Es kann man nur in Vergleichen nahekommen, denn es ist eigentlich unbenennbar, sofern es sich nicht in Träumen oder Neurosen meldet. Peter-André Alt ergänzt: „Aus diesem Grund repräsentiert es auch kein „Unbewusstes“ – einen bis heute häufige Fehlbenennung, die Sigmund Freud immer rügte –, sondern eine amorphe und unbekannte, nur über Wirkungen erfahrbare Ordnung.“ Als „Kessel voll brodelnder Erregungen“ lässt sich das Es weniger beherrschen als über Umwege sublimieren. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Die Literatur war einst die Kompensation für zu wenig Leben

Der Lesende ist eine eigentümliche Erscheinung: Er ist da und doch nicht da. Er befindet sich, obwohl leiblich anwesend, in einer anderen Welt. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die durch Buchstaben hervorgerufene Welt im Kopf gleicht keiner anderen Welt: weder der Erfahrungswirklichkeit noch der von Bildern, noch einer durch Digitalrechnung erzeugten virtuellen Welt.“ Es ist die Kraft des Visionären, die dem Leser einen universellen Weltbezug erlaubt: Welt ist dort, wo der Leser ein Buch aufschlägt. Das machte in früheren Zeiten das Lesen und das Schreiben zum bevorzugten Medium der Menschen an Randlagen. Die Literatur war damals das eigentliche Medium der Provinz – in jeder Hinsicht. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Rudolf Eucken setzt sich mit dem Glücksproblem auseinander

Rudolf Eucken stellt sich die Frage, ob ein Mensch das Glück zum Ziel seines Strebens machen darf, da es möglicherweise eine Enge und Kleinheit der Gesinnung bekundet, alles Streben vornehmlich darauf zu richten, was das Leben an Glück gewährt. Rudolf Eucken fügt hinzu: „Auch die Erfahrung scheint deutlich zu zeigen, dass nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker und Religionen auf Glück zu verzichten vermochten; auch Denker allerersten Ranges haben eine Erhebung über das Glücksstreben gefordert.“ Wenn man die Geschichte allerdings genauer betrachtet, sieht man den Kampf weniger gegen das Glück überhaupt, sondern lediglich geringere Formen des Glücks gerichtet. Auch in dem, wodurch man es zu ersetzen glaubte, ist laut Rudolf Eucken immer wieder ein Verlangen nach Glück zu erkennen.

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Sören Kierkegaard hofft auf die göttliche Erlösung

Der Däne Sören Kierkegaard (1813 – 1855) entwickelt schon bei seinem Studium in Berlin die ersten Grundzüge einer Philosophie der subjektiven Existenz und wird dadurch zu einem der Begründer der späteren Existenzphilosophie. Sören Kierkegaard stammte aus einem streng religiösen Elternhaus und studierte auf Wunsch seines Vaters Theologie und hing einer freigeistigen Romantik an. Später entwickelte er sich zum engagierten, religiösen Schriftsteller, der das bürgerliche Schein- und Sonntagschristentum anprangerte. Nachdem er sich lange hinter Pseudonymen versteckt hatte, wandte er sich zuletzt in aller Öffentlichkeit gegen die Kirche und starb, nach einem Zusammenbruch auf der Straße, völlig mittellos im Alter von 42 Jahren.

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Emile Durkheim untersucht die moralische Wirklichkeit

Emile Durkheim vertritt die These, dass die moralische Wirklichkeit wie jede Art der Wirklichkeit von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus untersucht werden kann. Der Mensch kann sie erkennen und verstehen wollen oder sich vornehmen, sie zu beurteilen. Um die moralische Wirklichkeit untersuchen zu können, ist es für ihn unerlässlich, vorher zu bestimmen, woraus sie besteht und was sie charakterisiert. Zu den Hauptmerkmalen der moralischen Tatsachen zählt Emile Durkheim, dass sich jede Moral darstellt als ein System von Verhaltensregeln. Er ergänzt: „Doch auch alle Techniken werden von Maximen regiert, die dem Handelnden vorschreiben, wie er sich bei bestimmten Gelegenheiten zu verhalten hat. Emile Durkheim, der von 1858 bis 1917 lebte, war seit 1902 Professor der Pädagogik und Soziologie an der Sorbonne.

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José Ortega Y Gasset folgt den Spuren der Vernunft

Die Entdeckung der Vernunft durch den griechischen Philosophen Sokrates enthält für José Ortega Y Gasset den Schlüssel zur europäischen Geschichte, ohne den die Vergangenheit und Zukunft unverständliche Hieroglyphen sind. Vor Sokrates besaßen auch schon Parmenides und Herakles die Vernunft, doch sie wussten es nicht. Der spanische Philosoph schreibt: „Sokrates als erstem war es bewusst, dass die Vernunft ein neues Universum ist, vollendeter und erhabener als das, welches wir im spontanen Leben um uns her vorfinden.“ Die sichtbaren und tastbaren Dinge sind einem ständigen Wechsel unterworfen, sie erscheinen und vergehen und verwandeln sich ineinander. Dasselbe geschieht in der Seele des Menschen: Wünsche und Neigungen wandeln und widersprechen sich.

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In der Geschichte blitzt das Glück nur ganz kurz auf

Benedetto Croce hat in seinen Werken immer wieder Stellung bezogen sowohl gegen voluntaristische als auch deterministische Konzepte des Fortschritts. Vor allem kritisierte er die Varianten der letzen Spielart einer teleologischen Geschichtstheorie. Im Anbetracht beider Möglichkeiten befürchtete er eine Verdinglichung und Erstarrung des geistigen Fortschritts, wobei er klar erkannte, dass der Voluntarismus oft getarnt als wissenschaftlicher Determinismus auftritt. Von einer utopischen Fortschrittseuphorie, die in Kürze ein widerspruchsfreies Reich der Freiheit propagiert, fühlt er sich abgestoßen. Denn er weiß, dass in allen solchen Fällen die Enttäuschung so groß gewesen ist, das man schnell die Kraft der Illusionen zu Hilfe rufen musste.

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José Ortega Y Gasset kritisiert den Buddhismus

Buddhist sein heißt für José Ortega Y Gasset, von vornherein zu glauben, dass in einer Welt bloßer Erscheinungen existieren heißt, in Wirklichkeit nicht wahrhaft da zu sein. Die wirkliche Existenz besteht für einen Buddhisten nicht darin, ein Mensch innerhalb des Universums zu sein, sondern darin, mit dem Weltall zu verschmelzen, in ihm sozusagen aufzugehen. Er strebt also danach nicht zu leben, oder so wenig wie möglich zu existieren. So beschränkt er beispielsweise seine Ernährung auf ein Mindestmaß. Außerdem strebt er nach einem Höchstmaß von Regungslosigkeit, um sich in die Meditation zu versenken, das einzige Mittel, das dem Menschen gestattet, in Ekstase zu gelangen, das heißt in ein Leben außerhalb der Welt zu versetzen.

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Stendhals Romane erzeugen ein Gefühl des Glücks

Der französische Philosoph Alain erkannte, dass der Schriftsteller Stendhal ganz und gar kein Bürger im üblichen Sinne war. Er schrieb: „Die Tyrannen, ob groß oder klein, fürchten dieses skandalöse Beispiel eines Mannes großen Stils, der vor nichts Respekt hat.“ Laut Alain nahm Stendhal die Götter der Politik nicht ernst, ob sie nun Staat oder Vaterland hießen. Er machte sich über die Macht lustig und verlachte die Wichtigtuer. Seine Götter waren der Mut, die Ehre, die Liebe und die Freundschaft. In den zwei großen Romanen von Stendhal sieht Alain zwei Muster der Schönheit, und zwar ohne jede Einschränkung. Alain sagt: „Die ersten Seiten der Kartause von Parma reißen mich mit wie der schönste Gesang Homers. Schlichtheit, Jugend, Poesie, all dies kommt darin dem großen Augenblick gleich.“

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