Mathias Binswanger klärt über die Illusion der Messbarkeit auf

Die messbare Leistung prägt den Begriff der Leistungsgesellschaft. Das Problem besteht für Mathias Binswanger dabei allerdings darin, dass sich die heute in Wirklichkeit wichtigen Leistungen einer quantitativen Messbarkeit entziehen. Denn dort geht es in erster Linie um Qualität und nicht um Quantität. Sportdisziplinen wie Eiskunstlauf zeigen in typsicher Weise die Unmöglichkeit, die Qualität von Leistungen zu messen und zu vergleichen. Mathias Binswanger betont: „Was sich messen lässt, sind nur bestimmte Indikatoren, die dann mit der nicht genau definierten Qualität einer Leistung möglichst stark korrelieren sollten.“ Die in der heutigen Wirtschaft relevanten Leistungen haben seiner Meinung nach viel mehr Ähnlichkeit mit Eiskunstlauf als mit Leichtathletik. Wie beim Eiskunstlauf ist die Qualität dabei grundsätzlich nicht messbar. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Solothurn.

Manager führen Organisationen und deren Mitarbeiter über Kennzahlen

Der tatsächlichen Qualität kommt man auch nicht auf die Spur, indem man immer mehr messbare Indikatoren einsetzt. Denn je genauer man bestimmte Aspekte der Qualität zu messen versucht, umso mehr verliert man andere, weniger gut messbare Indikatoren aus dem Blickfeld. Versucht jemand die Qualität von Leistungen immer exakter zu erfassen, greift er dermaßen stark in das System eines Unternehmens oder öffentlichen Organisation ein, dass sich die Menschen nachher nicht mehr gleich verhalten, was schon wieder eine andere Messung der Qualität erforderlich machen würde.

Dennoch glauben nicht wenige Betriebswissenschaftler, die sich mit Qualitätsmessung beschäftigen, an die exakte Messbarkeit von qualitativen Leistungen. Die Illusion der Messbarkeit hat vor allem seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch zu neuen Methoden des Managements geführt, deren oberstes Ziel darin besteht, Organisationen und deren Mitarbeiter über Kennzahlen zu führen. Mathias Binswanger erklärt: „Man glaubt, dass sich Leistungen auf diese Weise objektiver erfassen und beurteilen lassen.“

Kennzahlen gaukeln Managern oftmals ein Scheinwissen über ihr Unternehmen vor

Besonders zwei Managementmethoden, die sich heute großer Beliebtheit erfreuen, basieren auf der Illusion der Messbarkeit. Es handelt sich dabei laut Mathias Binswanger um die Methoden des New Public Management (NPM) oder wirkungsorientierte Verwaltungsführung (WOV). Mathias Binswanger kritisiert: „Hinter der schönen Fassade der angeblich objektiven Kennzahlen einer Balanced Scorecard oder eines Benchmarking verbirgt sich in Zahlen gegossene Irrelevanz.“

Bei der Balanced Scorecard geht es darum, den Zustand eines Unternehmens oder Organisation mit Hilfe von quantitativen Kennzahlen zu bestimmen und dann die Führung an diesen Kennzahlen auszurichten. Mathias Binswanger fügt hinzu: „Diese Kennzahlen sollen aus der Strategie eines Unternehmens abgeleitet werden und andeuten, ob sich das Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet, um die strategischen Vorgaben zu erreichen.“ In der praktischen Anwendung führen die Methoden allerdings oftmals dazu, dass ein Sammelsurium an kaum zueinander in Beziehung stehender Kennzahlen berechnet wird, die den Managern ein Scheinwissen über ihr Unternehmen vorgaukeln.

Von Hans Klumbies