Das Philosophie Magazin stellt Jean-Jacques Rousseau vor

In der neuen Winterausgabe 01/2013 des Philosophie Magazins beschäftigt sich das Titelthema mit der Frage: „Gott. Eine gute Idee?“ Am interessantesten dabei ist das Streitgespräch zwischen dem Religionskritiker Herbert Schnädelbach und der Theologin Margot Käßmann. Der ehemalige Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie und emeritierter Professor der Humboldt-Universität Berlin, Herbert Schnädelbach, behauptet, dass das Christentum als Ideologie, Tradition und Institution wie ein Fluch auf unserer Zivilisation lastet. Für ihn ist vor allem die Erbsündenlehre in der augustinisch-lutherischen Fassung eine schwere Hypothek, die bis heute vor allem in der Pädagogik nachwirkt. Er sagt: „Die Vorstellung, dass der Mensch als Wilder auf die Welt kommt und erst einmal domestiziert werden muss, dass sein Wille gebrochen werden muss – genau das ist eine der Erblasten, die auf einem ganz bestimmten Aspekt des christlichen Lehrbestands beruhen.“  

Jean-Jacque Rousseau formuliert eine radikale Zivilisationskritik

Für Margot Käßmann ist es dagegen eine Sünde, wenn der Mensch glaubt, ohne Gottesbezug leben zu können. Das höchste Gebot ist für sie, Gott über alle Dinge zu lieben und deinen nächsten wie dich selbst. Sie sagt: „Solange ich mich in diesem Dreieck bewege, in Verantwortung vor Gott, dem Nächsten und dem Respekt vor mit selbst agiere, lade ich keine Schuld auf mich. Aber der Mensch lädt Schuld auf sich, weil er immer wieder das Gute übertritt und das Böse tut.“ Margot Käßmann findet deshalb das Christentum sehr befreiend, weil man seine Sünden beichten und wieder freigesprochen werden kann.

In der Rubrik „Die Philosophen“ bildet der Klassiker Jean-Jacques Rousseau den Schwerpunkt in der neuen Ausgabe des Philosophie Magazins, das für 6,90 Euro im Handel erhältlich ist. Jean-Jacques Rousseau ist nicht nur einer der prominentesten Vertreter der Aufklärung, sondern zugleich auch deren größter Skeptiker. Denn er formuliert eine radikale Zivilisationskritik gegen den Fortschrittsoptimismus seiner Zeit. Wo für viele die Vernunft an erster Stelle steht, verweist er auf die Stimme des Herzens und der Natur.

Für Judith Butler ist Heterosexualität ein Fantasiegebilde

In seinem Gesellschaftsmodell und in seiner Staatstheorie, ebenso in seinen Werken über Pädagogik, geht es Jean-Jacques Rousseau darum, die Zivilisation nach den Prinzipien einer idealen Natur zu reformieren. Er glaubte an die Gerechtigkeit der Beschlüsse eines Gemeinwillens und lehrte die Menschen, sich zu ihren Gefühlen zu bekennen. Bei der Erziehung müsse es laut Jean-Jacques Rousseau darum gehen, die natürlichen, individuellen Anlagen zur Entfaltung zu bringen. Das Kind soll dabei selbst entdecken, was ihm am ehesten entspricht, es soll an seiner Unabhängigkeit Gefallen finden und sich bei seiner Erkundung der Welt von seiner Neugier leiten lassen.

Außerdem führt das wie immer lesenswerte und zum Denken anregende Philosophie Magazin ein Gespräch mit Judith Butler, für die Heterosexualität ein Fantasiebild darstellt. Die Vordenkerin der Geschlechterforschung zählt zu den bedeutendsten Philosophinnen der Gegenwart. In ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ stellte sie die These auf, dass vermeintlich natürliche Unterschiede zwischen Mann und Frau in Wahrheit kulturelle Setzungen und damit Ausgangspunkt diskriminierender Praktiken sind.

Von Hans Klumbies