Die Figur des Bürgers ist das logische Subjekt der Aufklärung

Immanuel Kant betrachtet die Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist dabei das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Der Verstand ohne Leitung eines anderen dagegen, ist von Vernunft geleitete Geisteskraft. Laut Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ist Denken im Sinn der Aufklärung die Herstellung von einheitlicher, wissenschaftlicher Ordnung und die Ableitung der Erkenntnis von Tatsachen aus Prinzipien. Diese können als willkürlich gesetzte Axiome, eingeborene Ideen oder höchste Abstraktionen gedeutet werden. Die Sozialforscher fügen hinzu: „Die logischen Gesetze stellen die allgemeinsten Beziehungen innerhalb der Ordnung her, sie definieren sie. Die Einheit liegt in der Einstimmigkeit. Der Satz vom Widerspruch ist das System in nuce. Erkenntnis besteht in der Subsumtion unter Prinzipien.“

Die Prinzipien des Systems der Aufklärung sind diejenigen der Selbsterhaltung

Für Theodor W. Adorno und Max Horkheimer wird von der Vernunft nichts weiter beigetragen als die Idee systematischer Einheit, das heißt die formalen Elemente, die einen festen begrifflichen Zusammenhang bilden. Jedes inhaltliche Ziel, auf das die Menschen sich berufen mögen, als sei es eine Einsicht der Vernunft, ist nach dem strengen Sinn der Aufklärung nichts weiter als Wahn, Lüge und Rationalisierung. Die Vernunft ist nichts weiter als ein Vermögen, das Besondere aus dem Allgemeinen abzuleiten.

Das System, das der Aufklärung im Sinne liegt, ist für Theodor W. Adorno und Max Horkheimer die Gestalt der Erkenntnis, die mit den Tatsachen am besten fertig wird, das Subjekt am wirksamsten bei der Beherrschung der Natur unterstützt. Seine Prinzipien sind ihrer Meinung nach diejenigen der Selbsterhaltung, denn Unmündigkeit erweist sich als das Unvermögen, sich selbst zu erhalten. Der Bürger in der Gestalt des Sklavenhalters, des freien Unternehmers oder Administrator ist das logische Subjekt der Aufklärung.

Die Lehren der Moral sind sentimental

Bei Immanuel Kant bildet die Vernunft die Instanz des kalkulierbaren Denkens, das die Welt für die Zwecke der Selbsterhaltung zurichtet. Es präpariert einen Gegenstand aus bloßem Sinnenmaterial zum Objekt der Unterjochung. Die wahre Natur des Schematismus erweist sich schließlich in der Wissenschaft als das Interesse der Industriegesellschaft. Theodor W. Adorno und Mar Horkheimer erläutern: „Das Sein wird unter dem Aspekt der Verarbeitung und Verwaltung angeschaut. Alles wird zum wiederholbaren, ersetzbaren Prozess, zum bloßen Beispiel für die begrifflichen Modelle des Systems, auch der einzelne Mensch, vom Tier zu schweigen.“

Die Morallehren der Aufklärung zeugen laut Theodor W. Adorno und Max Horkheimer von dem hoffnungslosen Streben, an Stelle der geschwächten Religion einen intellektuellen Grund dafür zu finden, das Leben in der Gesellschaft auszuhalten, selbst wenn das Interesse daran versagt. Dabei paktieren die Philosophen als echte Bürger in der Praxis mit den Mächten, die nach ihrer Theorie verurteilt sind. Die Theorien sind konsequent und hart, die Lehren der Moral propagandistisch und sentimental.

Kurzbiographie: Theodor W. Adorno, Max Horkheimer

Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Soziologie und war Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. Max Horkheimer, der von 1895 bis 1973 lebte, war ab 1930 Ordinarius für Sozialphilosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main. 1933 emigrierte er nach New York. In den fünfziger und sechziger Jahren lehrte er wieder in Frankfurt.

Von Hans Klumbies