Erich Fromm erörtert das vielgestaltige Phänomen der Hoffnung

Die Hoffnung ist für den Psychoanalytiker und Sozialphilosophen Erich Fromm ein entscheidendes Element für jeden Versuch, eine gesellschaftliche Veränderung in Richtung auf eine größere Lebendigkeit, höheres Bewusstsein und mehr Vernunft herbeizuführen. Für Erich Fromm heißt hoffen nicht, wie viele andere meinen, Begierden und Wünsche zu haben. Menschen die bessere Autos, größere Häuser und die neuesten Geräte haben möchten sind für ihn keine Menschen der Hoffnung, sondern einfach nur Menschen, die es nach mehr Konsum gelüstet. Erich Fromm spricht von Hoffnung, wenn der Gegenstand der Hoffnung kein Ding, sondern ein erfüllteres Leben, ein Zustand größerer Lebendigkeit oder eine Befreiung von der ewigen Langeweile ist. Es kann sich aber auch theologisch gesprochen, um eine Hoffnung der Erlösung handeln oder politisch gesagt, um die Hoffnung auf eine Revolution.

Untätigkeit verwandelt die Hoffnung zu einem Deckmantel der Resignation

Erwartungen auf Erlösung oder eine Revolution können laut Erich Fromm tatsächlich Hoffnungen sein, aber sie verwandeln sich in Hoffnungslosigkeit, wenn man damit Untätigkeit meint, wenn man auf etwas wartet – und die Hoffnung in Wirklichkeit zu einem Deckmantel der Resignation, zu einer bloßen Ideologie verkommt. Diese Art der untätigen Hoffnung ist eng verwandt mit einer allgemeinen Form der Hoffnung, die man als ein Hoffen auf die kommende Zeit definieren könnte.

Die Zeit und die Zukunft werden in einem solchen Fall zur zentralen Kategorie bei dieser Art von Hoffnung. Die Anhänger dieser Hoffnung erwarten nicht, dass in der Gegenwart etwas geschieht, sondern hoffen auf den nächsten Augenblick, auf den nächsten Tag, auf das nächste Jahr oder auf eine andere Welt. Erich Fromm schreibt: „Hinter diesem Glauben steht die Vergötzung der Zukunft, der Geschichte und der Nachwelt, die in der Französischen Revolution mit Männern wie Robbespiere begann, der die Zukunft als Göttin verehrte.“

Phrasendrescherei und Abenteuerlust ist getarnte Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung

Diese Verehrung der Zukunft, die für Erich Fromm nur einen anderen Aspekt der Verehrung des Fortschritts im Denken der modernen Bourgeoisie darstellt, ist genau die Entfremdung der Hoffnung. Erich Fromm schreibt: „Anstatt dass ich etwas tue oder etwas werde, bringen die Idole der Zukunft und der Nachwelt ohne mein Zutun etwas zustande.“ Das untätige Abwarten ist seiner Meinung nach eine verkappte Form der Hoffnungslosigkeit und Impotenz.

Erich Fromm vertritt die These, dass es noch eine Form der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung gibt, die sich einer genau entgegengesetzten Verkleidung bedient. Sie kommt als Phrasendrescherei und Abenteuerlust daher und scheint der Wirklichkeit zu spotten und das herbeizuzwingen, was eigentlich unmöglich ist. Dies war die Haltung derer, die als falscher Messias auftraten, und der Putschisten, die alle jene verachten, die nicht unter allen Umständen den Tod der Niederlage vorzogen.

Kurzbiographie: Erich Fromm

Erich Fromm wurde am 23. März 1900 in Frankfurt am Main geboren. Vor seinem Jurastudium an der Frankfurter Universität beschäftigte er sich stark mit dem Talmud. Da er sich mit dem Studium der Rechte nicht sehr anfreunden konnte, ging er nach Heidelberg um Soziologie zu studieren. 1922 promovierte er mit einer Dissertation über „Das jüdische Gesetz“. 1926 heiratet er die Psychiaterin Frieda Reichmann und absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung. 1929 wurde Erich Fromm zum Mitbegründer des Süddeutschen Instituts für Psychoanalyse in Frankfurt.

Im Jahr 1933 hielt Erich Fromm Gastvorlesungen an der Universität von Chicago und ließ sich ein Jahr später in New York nieder. 1941 erschien sein Buch „Die Furcht vor der Freiheit“, durch das er berühmt wurde. 1947 publizierte er sein bedeutendes Werk „Psychoanalyse und Ethik“. 1951 wurde Erich Fromm Professor für Psychoanalyse an der Autonomen Universität von Mexiko. 1955 erschien sein drittes Hauptwerk „Der moderne Mensch und seine Zukunft“. Seinen größten publizistischen Erfolg erzielt Fromm allerdings mit seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ (1956). Sehr bekannt geworden ist auch sein Spätwerk „Haben oder sein“ von 1976. Erich Fromm der seit 1974 in Locarno, in der Schweiz, lebte, starb am 18. März 1980.

Von Hans Klumbies