Die Politik hat ihre Vorherrschaft an die Wirtschaft verloren

Die Welt erlebt nun seit einigen Jahren eine dreifache Krise. Thomas Seifert nennt sie beim Namen: „Eine Krise des Kapitalismus, die mit dem Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft nach dem Lehman-Pleite am 15. September 2008 offenbar geworden ist, eine Krise der westlichen (Parteien-) Demokratie, die die Probleme nicht lösen kann, und – durch die Verschiebung des Schwerpunkts des Globus von West nach Ost – eine Krise der Weltordnung, des Global Governance Systems.“ Die drei Krisen sind miteinander verwoben, bedingen und verstärken einander, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft hat die zentrale Funktion der Steuerung der Gesellschaft übernommen, die Vorherrschaft der Politik ist längst verloren. Die Wähler haben verstanden, dass die Politik das Gesetz des Handelns an die Ökonomie abgetreten hat, und strafen die politischen Akteure mit Ignoranz, Misstrauen, Totalverweigerung oder Anti-Politik. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

Der Klimawandel bedroht die Zivilisation in ihren Grundfesten

Das globale Steuerungssystem kann eine Vielzahl von Konflikten – im Nahen Osten, in der Ukraine und anderswo – kaum mehr bewältigen. Thomas Seifert erklärt: „Die Vereinten Nationen sind gelähmt, denn die Institution ist ein Kind der Nachkriegsordnung von 1945, im wichtigsten Gremium – dem Weltsicherheitsrat – sitzen die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, eine ganze Reihe von aufstrebenden Mächten ist darin nicht vertreten.“ Und es scheint als sei die Gleichzeitigkeit und Rückkopplung der drei Faktoren der dreifachen Krise kein Zufall.

Alle drei Elemente – der moderne Kapitalismus, die Parteien-Demokratie und die herrschende Weltordnung, bestehend aus den Bretton-Woods Organisationen IWF, Weltbank und WTO sowie den Vereinten Nationen – wurden vom Westen ersonnen und durchgesetzt. Mit dem Aufstieg der Länder China und Indien, aber auch Nigeria kommt die Hegemonie des Westens an sein Ende. Und über all dem schwebt zudem die Gefahr einer schweren Umweltkrise, die – wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird – die Zivilisation in ihren Grundfesten bedroht.

Die Welt befindet sich in einer Dauerkrise

Das dreifache Dilemma des Westens könnte also als Krise des Übergangs von der atlantischen zur pazifischen Epoche gedeutet werden, als Geburtswehen einer neuen Welt, die gerade erst im Entstehen ist. Vor allem der real existierende Finanzkapitalismus steht in der Kritik. Thomas Seifert nennt Beispiele: „Der Börsencrash von 1987 – Black Monday –, an dem der Kurs an der Wall Street an einem Tag um 22,5 Prozent fiel. Das Platzen der Immobilienblase in den späten 1980er Jahren. Das Platzen der japanischen Immobilienblase im Jahr 1992. Die mexikanische Finanzkrise von 1994.“

Die Welt lebt bis zum heutigen Tag in einer Dauerkrise. Vor allem die Finanzkrise im Jahr 2008 sorgte für ein gewaltiges Beben. Die Ursache dieses Tremors war eine Machtverschiebung weg von Regierungen und Gesellschaft, hin zur Finanzindustrie, sowie auf internationaler Ebene die Verschiebung der geopolitischen und ökonomischen Plattentektonik. Ostasien war zu einer gigantischen Export-Maschine geworden. Ungleichgewichte bei der Leistungsbilanz monumentalen Ausmaßes bauten sich auf. Quelle: „Die pazifische Epoche“ von Thomas Seifert

Von Hans Klumbies