Kriege führten früher nur Staaten

Es ist für Herfried Münkler nicht die Anzahl der Kriege, die sich in jüngster Zeit signifikant geändert hat, und es sind auch nicht die bloßen Zahlen der im Rahmen von Kriegshandlungen Getöteten und Verstümmelten, die zu gesteigerter Sorge Anlass geben. Vielmehr ist es die Art der Kriege, die größte Aufmerksamkeit fordert. Die neuen Kriege zeichnen sich dadurch aus, dass die Staaten nicht länger die Monopolisten des Krieges sind. Sondern substaatliche Akteure, Warlords, Netzwerkorganisationen und so weiter führen Kriege und bestimmen weitgehend die Rhythmik des Kriegsgeschehens. Dadurch ist die Politik der Kriegsvermeidung und Friedensicherung sehr viel schwieriger geworden, als dies in Zeiten der Fall war, da es sich bei Kriegen um eine wesentlich zwischenstaatliche Angelegenheit handelte. Prof. Dr. Herfried Münkler ist Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Nach 1918 brachen die europäischen Demokratien aus vier Gründen zusammen

In seinem Buch „Höllensturz“, das sich mit der Zwischenkriegszeit auseinandersetzt, beschreibt der britische Historiker Ian Kershaw vier Faktoren, die nach 1918 zum Zusammenbruch der europäischen Demokratien führten: Erstens die explosionsartige Ausbreitung eines ethnisch-rassistischen Nationalismus. Zweitens erbitterte und unversöhnliche territoriale Revisionsforderungen. Drittens ein akuter Klassenkonflikt. Viertens eine langanhaltende Krise des Kapitalismus. Philipp Blom schreibt: „Man muss nicht lange suchen, um in dieser Vergangenheit unsere Gegenwart zu erkennen. Keine Facette, die sich in dieser Aufzählung nicht spiegeln würde – von den nationalistisch-rassistischen Rechtspopulisten im Weißen Haus bis zur Krim und dem Krieg in der Ostukraine, von der täglich steigenden sozialen Ungleichheit bis zum Crash von 2008 und zur nächsten großen Finanzkrise eines immer weiter deregulierten Marktes.“ Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Friedrich Ebert wird von Max von Baden zum Reichskanzler ernannt

Friedrich Ebert, der vom Prinzen Max von Baden zum Reichskanzler ernannt wurde, stand seit dem 9. November 1918 einer Übergangsregierung, dem „Rat der Volksbeauftragten“ vor, der einen Tag später von der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigt wurde. Ulrich Herbert erklärt: „Sein Hauptziel war zunächst die Eindämmung jener revolutionären Dynamik, der er seine eigene Machtübernahme verdankte. Um Ordnung, Sicherheit und Wohlfahrt herzustellen, wurden daher bereits in den ersten Tagen der Revolution vier Grundsatzentscheidungen getroffen, welche die weitere Entwicklung der deutschen Revolution nachhaltig prägten.“ Entscheidend war hier zunächst die Kontinuität der Behördentätigkeit: Polizei und Krankenhäuser, Finanzämter und Ministerialbürokratie sollten weiterarbeiten. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Die Oktoberrevolution wurde zum Vorbild für die extreme Linke

Die deutsche Revolution von 1918/19 vollzog sich vor dem Hintergrund der Ereignisse in Russland, wo seit dem Sommer 1918 der offene Bürgerkrieg herrschte. Ulrich Herbert erklärt: „Antirevolutionäre Kräfte der verschiedensten Richtungen bekämpften dort das neue Regime an allen Fronten, unterstützt von Truppen der Westmächte, die ein Ausgreifen des revolutionären Elans nach Westen fürchteten.“ Die Randstaaten des Reiches erklärten ihre Unabhängigkeit, der russische Vielvölkerstaat schien auseinanderzubrechen. Die Wirtschaft versank im Chaos, die Produktion von Gütern ging dramatisch zurück, die Inflation stieg in schwindelerregende Höhen, wodurch ein riesiger Schwarzmarkt entstand. Der immer heftiger geführte Bürgerkrieg gefährdete auch die Versorgung mit Lebensmitteln in den Städten und führte schließlich zu Hungersnöten, denen rund zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Durch den Ersten Weltkrieg zerfielen vier große Reiche

In der Geschichte des europäischen 20. Jahrhunderts wird dem Ersten Weltkrieg der Charakter einer Epochenschneide zugemessen. Und die Gründe, warum er als einer der tiefsten Einschnitte in der neueren Geschichte des Kontinents angesehen wird, sind für Ulrich Herbert schwerwiegend: Erst hier sei das 19. Jahrhundert wirklich zu Ende gegangen: „Mit dem Fall des Deutschen Kaiserreiches stürzte auch die Habsburger Doppelmonarchie; ein Jahr zuvor war bereits die Herrschaft des russischen Zaren durch die Oktoberrevolution beendet worden, und auch das Reich der Osmanen stand vor dem Untergang.“ Die vier großen Reiche, gekennzeichnet durch die Vorherrschaft vormoderner Kräfte, durch die herausgehobene Position des Militärs und durch die Unterdrückung der nationalen Minderheiten, brachen zusammen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Kurt Tucholsky rechnet schonungslos mit dem Militär ab (4.Teil)

Kurt Tucholsky kehrt psychisch und physisch angeschlagen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Anfang November 1918 tritt er die Stelle des Chefredakteurs der Zeitschrift „Ulk“ an. Der „Ulk“ teilt seine Schläge in erster Linie gegen die Ewiggestrigen, gegen die Schieber und Kriegsgewinnler und die verschlafenen Bürger aus. Aber schon bald richtete sich die Kritik auch gegen den Militarismus. Kurt Tucholsky fordert permanent während dieser Zeit eine geistige Revolution und die Einlösung der Versprechen der Französischen Revolution. Kurt Tucholskys Ideal vom freiheitlichen Verfassungsstaat, getragen von aufgeklärten Bürgern, kann seiner Meinung nach nur durch das richtige Bewusstsein geschaffen werden. „Gegen Gewalt den Geist!“ heißt seine Devise. Und er fügt hinzu: „Alle positiven Vorschläge nützen nichts, wenn nicht die rechte Redlichkeit das Land durchzieht.“

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