Thomas Mann unterscheidet strikt zwischen Kultur und Zivilisation

Es gibt den tief in der deutschen Geistesgeschichte verwurzelte Sonderauffassung, dass zwischen „Kultur“ und „Zivilisation“ ein unüberbrückbarer Gegensatz besteht. Denn nur wenn man sich mit diesem deutschen Sonderweg befasst, kann man begreifen, was Thomas Mann meinte, als er 1945 davon sprach, dass es nicht „zwei Deutschland“ gebe, „ein böses und ein gutes, sondern nur eines, dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug“. Thea Dorn weiß: „Thomas Mann selbst war bis in sein fünftes Lebensjahrzehnt hinein ein Anhänger dieser Auffassung.“ In seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“, geschrieben zwischen 1915 und 1918, schließt er sich dem damals vorherrschenden konservativen deutschen Zeitgeist an, indem er den Ersten Weltkrieg als „Krieg der Zivilisation gegen Deutschland“ deutet und deshalb ohne Einschränkung unterstützt, dass Deutschland seinerseits mit aller Kraft zuschlägt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Sicherheit ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis

Wenn man in den allgemeinen Unsicherheiten eine vielversprechende Möglichkeit erkennt, seinen Bedürfnissen und Überzeugungen nachzugehen, dann sieht man sich im besten Sinne herausgefordert, fühlt sich wohl, ganz mit sich einverstanden und manchmal auch euphorisch. Erst-Dieter Lantermann ergänzt: „Unsere Selbstachtung und unser Selbstwertgefühl wachsen an diesen Herausforderungen, da wir uns selbst und anderen beweisen, dass wir aus eigener Kraft auch in dieser unsicheren Welt unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.“ Erlebt man die Unsicherheiten der eigenen Lebensverhältnisse hingegen als eine Gefährdung der eigenen Bedürfnisse, Werte und Überzeugungen, nimmt man diese Unsicherheit als einen bedrohlichen Angriff auf seine Selbstwertschätzung und Selbstwertgefühl wahr und wird alles unternehmen, um sich gegen diesen Angriff zu wehren. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Die Bildung des Charakters erfordert Mitgefühl

In der modernen Gesellschaft genießen Menschen hohes Ansehen, die egoistisch ihre eigenen Ziele verfolgen. Verhalten, das zum Erfolg führt, wird belohnt. Kalkül und Eigennutz stehen ganz oben auf der Werteskala. Aber machen diese Eigenschaften einen Menschen auch zu einer wertvollen Persönlichkeit? David Brooks verneint in seinem neuen Buch „Charakter“ diese Frage. Seiner Meinung geht es nicht darum, die Welt zu erobern, sondern sich ihr zu verpflichten. Die Menschen können alle nur gewinnen, wenn sie sich eine einfache Wahrheit verpflichtet fühlen. Wer sich selbst verwirklichen will, muss sich auch selbst vergessen können. Für die Charakterbildung ist die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst sowie Demut und Mitgefühl erforderlich. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Die Krisen an Europas Grenzen häufen sich besorgniserregend

Beobachter aus dem Westen hat das Kriegsgebahren Wladimir Putins in der Ukraine ziemlich verwirrt. Ob es nun hybrid genannt wird, mehrdeutig oder getarnt, spielt dabei keine Rolle. Jean-Marie Guéhenno, Präsident der International Crisis Group, erklärt: „Unerklärte Konflikte sind ein wichtiger Bestandteil heutiger Kriege. Diese Konflikte fordern Europa heraus. Wie verteidigt man sich politisch und rechtlich gegen verdeckte Aggression?“ Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges ist Europa plötzlich mit einer ganzen Reihe neuer Bedrohungen konfrontiert. Die Destabilisierung durch Russland an der Ostgrenze ist nur eine davon, wenn auch eine spektakuläre. Höchste Bedeutung geben Sicherheitsexperten der Bedrohung durch Cyber-Angriffe, weil auch hier viele neue Probleme des internationalen Rechts, in den Freiheitsrechten der Bürger und im technologischen Wettlauf um Sicherheit und Vorherrschaft aufgeworfen werden.

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Herwarth Walden erklärt die Begrifflichkeit in der Dichtung

Das Material der Dichtung ist das Wort, die Form ist der Rhythmus. In keiner Kunst sind laut Herwarth Walden die Elemente so wenig erkannt worden. Der Schriftsteller stellt die Schrift, statt das Wort zu setzen. Für den Sprachlehrer Herwarth Walden ist Schrift die Zusammenstellung der Wörter zu Begriffen. Er schreibt: „Mit diesen Begriffen arbeiten Schriftsteller und Dichter. Der Begriff ist aber etwas Gewonnenes. Die Kunst jedoch muss sich jedes Wort neu gewinnen.“ Wort zu Wort muss seiner Meinung nach gefügt werden, wenn ein Wortgebäude entstehen soll, dass man Dichtung nennt. Der Musikwissenschaftler und Sprachlehrer Herwarth Walden wurde 1878 in Berlin geboren. Er schrieb Romane, Dramen, Gedichte und Essays. Bleibendes Verdienst hat er als Theoretiker der expressionistischen Wortkunst, deren unermüdlicher Propagator, Mittler und Förderer er war. Herwarth Walden starb 1941 in Saratow/Wolga.

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Eigenes Denken erschwert die Anpassung an eine genormte Welt

Die Position derer, die im 18. Jahrhundert für den Glauben an die Offenbarung eintraten, war laut Theodor W. Adorno grundverschieden von der jener, die heute das gleiche tun. Wie seiner Meinung nach überhaupt identische Ideen, je nach dem geschichtlichen Augenblick, höchst unterschiedliche Bedeutungen annehmen können. Theodor W. Adorno schreibt: „Damals ging es um die Verteidigung eines traditionell vorgegebenen und mehr oder minder durch die gesellschaftliche Autorität gestützten Lehrbegriffs gegen den Angriff der autonomen ratio, die nichts zu akzeptieren willens ist, als was ihrer eigenen Prüfung standhält.“ Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

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Max Otte fordert Griechenlands Austritt aus dem Euro

Für Max Otte stehen die Chancen 50:50, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt, obwohl es seiner Meinung nach besser wäre, wenn Hellas aus der Währungsunion austreten würde. Er glaubt aber, dass die Europäische Union jedes Feigenblatt benutzen wird, damit Griechenland den Euro behalten kann. Den Euro selbst hält Max Otte nicht für gefährdet, zumindest nicht in den nächsten zwei, drei Jahren. Max Otte erklärt warum ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro besser wäre: „Man kann nur durch Abwertung der Währung oder durch reale Lohn- und Leistungskürzungen die Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen.“ Die erzwungenen Reformen, die von der EU den Griechen auferlegt wurden, hält Max Otte für höchst ungerecht, da die steuerehrlichen Griechen jetzt höhere Steuern zahlen müssen.

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Richard Wilhelm erklärt die Philosophie des Laotse

Laotse ist der Name, unter dem der Philosoph Lao Dan aus der Familie Li in die europäische Literatur eingegangen ist. Er stammt ganz aus dem Süden des damaligen Chinas und dürfte um 550 vor Christus geboren sein. Er arbeitet in Lo Yang als königlicher Bibliothekar. Das berühmteste Buch von Laotse ist das so genannte Taoteking, ein klassisches Buch vom Sinn und Leben, in der Form von Aphorismen niedergeschrieben. Richard Wilhelm erklärt: „Es enthält Zitate und Zusätze und ist in seiner heutigen Form sicher nicht von Laotse persönlich aufgezeichnet. Aber die philosophische Weltanschauung, die es enthält, ist vollkommen geschlossen und einheitlich.“

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Die nach oben offene Spirale des Wirtschaftskreislaufs

Der Schweizer Ökonom Hans Christoph Binswanger erwartet keine Staatspleiten, obwohl Griechenland, Portugal, Irland und selbst die USA hoch verschuldet sind. Pleite gehen kann seiner Meinung nach nur eine Institution, für die es definitive Grenzen der Verschuldung gibt. Für den Staat trifft dies nicht zu, weil die Zentralbanken nicht mehr dem Zwang unterstehen, die Banknoten in Gold einzulösen. Hans Christoph Binswanger sagt: „Sie können daher das Geld unendlich vermehren und so auch dem Staat, wenn er sich verschuldet, im Prinzip immer unter die Arme greifen, indem sie Staatsschulden ankaufen.“ Der Ökonom schränkt allerdings ein, dass dies nicht für alle Länder in gleicher Weise gilt. Man muss zwischen Ländern wie den USA, die eine eigene Währung haben, und Staaten, die ein Teil einer Währungsunion sind, unterscheiden.

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Der Opiumkrieg zwischen China und Großbritannien

Der Historiker David S. Landes war fest davon überzeugt, dass man sich mit China beschäftigen muss, wenn man die Geschichte der Weltwirtschaft verstehen will. Denn von Christi Geburt bis zum Beginn der Neuzeit schrieb das Land eine ökonomische Erfolgsgeschichte. Vor allem als geniale Erfinder taten sich die Chinesen hervor – sie entwickelten unter anderen das Schwarzpulver, das Papier, den Kompass und den Seismographen. Aber auch beim Brückenbau und der Errichtung von Straßen und Dämmen war China weltweit führend. Zudem beherrschten sie moderne Techniken der Bewässerung und die Konstruktion von Kanalsystemen. Noch 1820 wurden rund 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet. Westeuropa kam auf etwa 20 Prozent, die USA nicht einmal auf zwei Prozent.

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Ernest Hemingway: "Der Mensch darf nicht aufgeben"

Ernest Hemingway gehört zu den größten Autoren von Kurzgeschichten in der Literaturgeschichte. Der Autor wuchs in einem Vorort von Chicago auf. Anstatt ein College zu besuchen arbeitete Ernest Hemingway zuerst als Reporter und wollte eigentlich in die US-Army gehen, die ihn allerdings wegen seiner Kurzsichtigkeit ablehnte. Darauf hin meldete er sich als Freiwilliger beim Roten Kreuz und wurde 1918 als Lieutenant an die italienische Front geschickt, wo er schwere Verwundung erlitt. Seine Kriegserlebnisse verarbeitete er in dem 1929 erschienen Buch „In einem anderen Land“. Nach dem Krieg übersiedelte Ernest Hemingway nach Paris und verkehrte dort mit berühmten Literaten wie Gertrude Stein, Esra Pound und James Joyce.

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