Mit Philosophen wie John Searle, Thomas Nagel und Colin McGinn ist David Gelernter der ketzerischen Meinung, dass Computer nicht in der Lage sind, Subjektivität herzustellen – die Welt im Kopf eines Menschen, ein eigenes Seelenleben, eine eigene private geistige Landschaft, durch die kein anderer wandern kann. Ein Computer beziehungsweise Roboter hat kein Bewusstsein für Glück. Es gibt keinen Geist in der Maschine, keine menschliche Geistesgegenwart. Dennoch übersteigt die Leistungsfähigkeit des Computers die menschliche Vorstellungskraft. David Gelernter stellt fest: „Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisen gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht. Wir können Subjektivität nicht erklären, vielleicht werden wir es nie können.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.
Bewusstsein ist Geschehenes und Sehender zugleich
Gefühle leiten den Geist. Körper und Seele spiegeln einander. Das Bewusstsein hat zwei Bereiche: einen äußeren und einen inneren. Der äußere wird durch Wahrnehmungen bestimmt, der innere durch Erleben und Erinnern. David Gelernter fügt hinzu: „Bewusstsein ist Geschehenes und Sehender zugleich, das Beobachtete und der Beobachter.“ Die Literatur, die Dichtung und die Kunst, aber auch Philosophie und die Tiefenpsychologie von Sigmund Freud sind die Schlüssel zum Eintritt in die inneren Bereiche des Bewusstseins. Heute ist Sigmund Freund in der Wissenschaft allerdings fast nicht mehr präsent.
David Gelernter kritisiert, dass an den Universitäten die geisteswissenschaftlichen Fächer immer mehr beschnitten und zurückgedrängt werden. Der kulturelle Druck zwingt den akademischen Nachwuchs in den objektivwissenschaftlichen, analytischen Teil des geistigen Spektrums. Die Folge ist eine Verkümmerung der emotionalen Existenz und des kommunikativen Austauschs, die man in den sozialen Netzwerken, aber auch im Kunstbetrieb und im Entertainment-Business feststellen kann.
Der Geist umfasst das Denken und das Sein
Gedanken werden gezielt durch Sprache ausgedrückt. Gefühle drücken die Menschen zunächst durch den Zustand ihres Körpers aus: Mimik, Tonfall, Gesten und so weiter. Gefühle lassen sich in der Regel auch ohne Sprache mitteilen; darauf beruht das Prinzip der bildenden Kunst. David Gelernter ergänzt: „Glück oder Trauer sind Zustände des Seins und als solche ihrem Wesen nach nicht berechenbar. Ein Geist umfasst das Denken und das Sein. Software kann als Output kein Sein liefern. Deshalb ist die Computertheorie des Geistes abwegig.“
Mit Rationalität hat die Menschheit es ganz schön weit gebracht. Die Vorherrschaft der westlichen Zivilisation beruht auf ihren wissenschaftlichen Leistungen der Erkenntnis. David Gelernter erklärt: „Alles was wir Fortschritt nennen, findet im rationalen Spektrum des Geistes statt. Wir sind jedoch an einem Punkt angelangt, an dem wir Gefahr laufen, den Humanismus, der ebenfalls eine Errungenschaft des westlichen Denkens ist, den Götzen der Technologie und der Wissenschaftsgläubigkeit zu opfern.“ Quelle: Der Spiegel
Von Hans Klumbies