Otto von Bismarck eint Deutschland durch militärische Erfolge

Im 19. Jahrhundert bildete sich ein Weltsystem heraus, das von den atlantischen Mächten absolut dominiert war und die einstigen Großreiche China und Indien zu Statisten degradierte. Thomas Seifert erläutert: „Der Sieg Großbritanniens über China im Ersten Opiumkrieg 1839 bis 1842 war dafür das sichtbarste Zeichen.“ Nach der Niederlage im Ersten Opiumkrieg musste China am 29. August 1842 den „Vertrag von Nanjing“ unterzeichnen, in dem Reparationszahlungen in Höhe von 21 Millionen Dollar vereinbart wurden. Japan musste sich fast zur gleichen Zeit dem Westen beugen. Im Jahr 1899 kam es in China zum Krieg der Boxer gegen die vereinigten acht Staaten (Deutsches Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und die USA) mit dem Ziel, die Vorherrschaft der imperialistischen Mächte zu brechen. Die Boxer wurden blutig niedergeschlagen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

Die USA gerät in eine Wirtschaftskrise

In Europa und den USA wurden die Karten in diesen Jahren ebenfalls neu gemischt: In Nordamerika wurde das Ringen um die Macht in den Vereinigten Staaten zwischen industrialisiertem Norden und agrarischem Süden 1865 mit der Niederlage der Konföderierten im Süden entschieden. Und in Europa waren Großbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn und Russland mit dem Aufstieg Deutschlands konfrontiert: Otto von Bismarck hatte Deutschland durch eine Serie von militärischen Erfolgen gegen Dänemark, Österreich-Ungarn und Frankreich geeint und begann die Führungsmacht Großbritannien herauszufordern.

Thomas Seifert erklärt: „Ein Boom in Deutschland und Österreich setzte ein, der 1873 zu einer Wirtschaftskrise in den USA führte: Denn bislang strömten enorme Summen von Kapital aus der Alten Welt in die Neue. Da Berlin und Wien aber aufgrund der Gründerzeit-Boom-Jahre nun selbst Kapital brauchten, versiegten die Kreditlinien aus Europa an die US-Banken und Anleihe-Emittenten in Übersee.“ Vor allem Banken und Unternehmen in Wien hatten sich in Erwartung großer Profite rund um die Weltausstellung, die am 1. Mai 1873 im Wiener Prater eröffnete, hoffnungslos überschuldet.

In Europa und den USA setzt sich die Globalisierung durch

Das Platzen der Immobilienblase in Wien schwappte bis über den Atlantik und ließ auch die Eisenbahnblase in den USA bersten. Die Zeit des Fin de Siècle war eine Zeit enormen ökonomischen Aufschwungs, aber auch ideologischer Widersprüche, vor allem in Europa. Der britische Historiker Tony Judt erläutert: „Es gab die Ansicht der neoklassischen Ökonomen und ihrer Anhänger – dass es mit dem Kapitalismus gut läuft und es weiter gut laufen wird und dass er die Quelle seiner eigenen Erneuerung in sich trägt – bis in alle Ewigkeit.“

Tony Judt fährt fort: „Und dann gab es die parallele und nicht minder modernistische Ansicht, dass der Kapitalismus – ob er damals gegenwärtig blühte oder nicht – ein System war, das zum Scheitern und zum Kollaps verurteilt war – unter der Last der eigenen Konflikte und Widersprüche.“ Die zwei Dekaden, die auf die Wirtschaftskrise von 1873 in den USA und Europa folgten, waren die zweite große Zeitspanne der Globalisierung: Die Handels- und Finanzströme zwischen London, Paris, Wien und New York verdichteten sich. London mutierte zur Achse des British Empire, wo die Fäden aus Bombay, Kalkutta, Shanghai, Hongkong und Singapur zusammenliefen. Quelle: „Die pazifische Epoche“ von Thomas Seifert

Von Hans Klumbies