Silvio Vietta kennt den Wert der Demokratie

Silvio Vietta kann im Rückblick auf die Geschichte der Demokratie viele Argumente für sie ausfindig machen. Erstens: Die Demokratie entsteht mit der Ersten Aufklärung in der Antike als eine Art Entmythisierung der Vorstellung, die Götter oder ein Gott lenke die Geschichte. Der Mensch als Gattungswesen muss daher selbst „erwachsen“ werden, und seine Politik wie Geschichte selbst verantworten. Silvio Vietta stellt fest: „Demokratie bedeutet in diesem Sinne einen Reifungsprozess der ganzen Menschheit.“ Zweitens: Schon Perikles in der antiken Demokratie stellt diese selbst in den Zusammenhang einer Mündigwerdung der demokratischen Polis und auch des einzelnen Bürgers. Dieser muss ja nun die Verantwortung für seine Geschicke selbst in die Hand nehmen und sollte daher kulturell gebildet, gut informiert und persönlich gereift sein. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Das Denken stellt Gemeinsamkeiten her

Der Mensch ist ein zur Natur gehörendes Lebewesen. Er hat seine Form erst mit der durch ihn selbst in Gang gekommenen Entwicklung der Natur erhalten. Volker Gerhardt fügt hinzu: „Auch beim homo sapiens steht außer Frage, dass die ihn auszeichnenden intellektuellen Leistungen geschichtlich geworden sind. Das kann allein durch den langen kulturgeschichtlichen Vorlauf des homo faber als erwiesen gelten.“ Zum homo sapiens ist der homo faber gewiss nicht nur angesichts der anwachsenden handwerklich-technischen Probleme geworden. Es dürfte Probleme neuer Qualität gegeben haben, die den Entwicklungsschritt zu einer neuen Leistungsstufe des Könnens forciert haben. Die sich stellenden gesellschaftlichen Aufgaben haben zur Steigerung der Fähigkeiten geführt, die den homo sapiens auszeichnen. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Demokratie und Toleranz gehören zusammen

Der Staatsmann Perikles lobt im 5. Jahrhundert v. Chr. die Form der Demokratie als eine Institution, die den Bürgern Freiheit schenkt. Das aber verlangt auch Toleranz des Bürgers gegenüber seinen Mitbürgern. Der Begriff „Toleranz“ ist eine Prägung der neuzeitlichen Aufklärung im Gegenzug zu den neuzeitlichen Religionskriegen. Es ist ja der Monotheismus mit seinen jeweils verabsolutierenden Religionsauffassungen, welcher die furchtbarsten Religionskriege auslöste und immer noch auslöst. Silvio Vietta nennt Beispiele: „So den Dreißigjährigen Krieg zwischen Katholiken und Protestanten im Europa des 17. Jahrhunderts. Und eben auch die heutigen Bruderkriege zwischen Schiiten und Sunniten.“ Gemeint ist mit Toleranz eine Haltung der Offenheit und auch des Respekts gegenüber Bürgern mit anderer Weltanschauung. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Die Philosophen waren in der Antike sehr populär

Die griechische Welt der Antike war eine Börse der Ideen und ein Experimentierfeld der Politik. Man bekämpfte einander, fand sich zu Bündnissen zusammen, experimentierte mit bundesstaatlichen Modellen. Bernd Roeck weiß: „Kriege und innere Krisen, wie sie Athen in dichter Folge seit dem Tod des Perikles, 429 v. Chr., erlebte, wirkten sich keineswegs ungünstig auf das kulturelle Leben aus.“ Im Gegenteil vergrößerten Umbruch und Chaos den Markt für Philosophen, weil sie Orientierung versprachen und eine Erziehung anboten, die half, sich in einer komplizierten Gesellschaft durchzusetzen und Erfolg zu haben. Außerdem zeigte sich ein lernbegieriges Publikum bereit, Gelehrsamkeit und Rhetorik – wichtiges Handwerkszeug im politischen Geschäft – zu entgelten. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Ralf Dahrendorf erklärt die Entstehung der Bürgerrechte

Die Bürgerrechte haben ihren Ursprung laut Ralf Dahrendorf in drei Quellen: Erstens in der Burg, zweitens in der aus den ländlichen Feudalstrukturen herausgenommenen mittelalterlichen Stadt und drittens im antiken Stadtstaat. Seiner Meinung nach führten sie am Ende mit innerer Notwendigkeit zur universellen, der Weltbürgergesellschaft. Ihre moderne Ausprägung haben die Bürgerrechte allerdings erst im Nationalstaat gewonnen. Ralf Dahrendorf schreibt: „Es ist kein Zufall, dass Länder, in denen moderne Bürgerrechte sich erst später durchgesetzt haben, meist auch verspätete Nationen waren, während die ersten Nationen zugleich Vorreiter der Bürgerrechte waren.“ Denn der moderne Nationalstaat besitzt im Kern die Form, in dem das nicht-feudale und anti-feudale Bürgertum seinen legitimen Platz finden konnte.

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Paul Nolte beschreibt die Entstehung der Demokratie in Athen

Vor etwa zweieinhalbtausend Jahren entstand im östlichen Mittelmeerraum, auf der griechischen Halbinsel Attika, zum ersten Mal in der Weltgeschichte Demokratie. Paul Nolte erklärt: „Die Bürger von Athen überließen die Regierung ihrer Polis, also ihres stadtstaatlichen Gemeinwesens, nicht einem König, einem Tyrannen oder einer schmalen aristokratischen Elite, was weithin den kaum hinterfragten Normalfall darstellte, sondern regierten sich selbst: frei und einander gleich; durch die Übernahme von Ämtern und unmittelbar in der Volksversammlung.“ Die athenische Demokratie entwickelte sich allerdings laut Paul Nolte nicht zuerst in der Theorie, sondern langsam und in vielen Zwischenschritten, in der praktischen Anwendung. Dass daraus eine Demokratie enstehen würde, wussten die Zeitgenossen vorher und während der Entstehung dieser Regierungsform nicht. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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