Gabrielle Oettingen läutet das Ende des positiven Denkens ein

„Angesichts der Vorherrschaft des Optimismus, erscheint es geradezu riskant, negative Gesichtspunkte auch nur mit vorsichtigen Worten anzusprechen, vor allem in Institutionen und Organisationen“, schreibt die Psychologin Gabriele Oettingen in ihrem neuen Buch „Die Psychologie des Gelingens“. Wer am Arbeitsplatz eine realistische Haltung vertritt, gilt ihrer Meinung nach oft als Spielverderber oder Miesmacher. Unzählige Studien haben die Forscherin überzeugt: Positives Denken hilft den Menschen nicht so viel weiter, wie sie glauben. Egal, ob es sich ums Abnehmen, das Rauchen aufhören, schnelleres Gesundwerden, bessere Noten oder höher dotierte Jobs handelt. Denn davon zu träumen, wie sich ein Herzenswunsch erfüllt, vermittelt ein warmes Gefühl der Zufriedenheit. Gabriele Oettingen analysiert: „Uns do kann man in ausweglosen Situationen ausharren, durchhalten und Hoffnung schöpfen.“

Martin Seligman gilt als der Erfinder der „positiven Psychologie“

Die Psychologin fährt fort: „Was ich mit positiven Wünschen und Träumen aber nicht schaffe: Wenn Handeln gefragt ist, ein herausforderndes Ziel erreichen. Denn ich werde nicht die notwendige Energie aufbringen, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen.“ Der Hype um das positive Denken ist werden neu, noch typisch amerikanisch: Als wichtiger Vertreter darf Martin Seligman, der Erfinder der „positiven Psychologie“ und Autor des Buches „Pessimisten küsst man nicht“ gelten. Als Gabriele Oettingen in den späten 1980er-Jahren nach Amerika kam, war die psychologische Forschung aus Erwartungen ausgerichtet, also die Einschätzung der Erfolgschancen.

Sind die Erfolgserwartungen hoch, spricht man von Optimismus, sind sie niedrig, von Pessimismus. Gabriele Oettingen kritisiert: „Es wurde aber nicht zwischen Hoffnung und Optimismus unterschieden. Das hat mich beunruhigt und war der Anfang meines Interesses am positiven Denken. Von Hoffnung sprechen wir, wenn die Chancen schlecht stehen und wir trotzdem positiv in die Zukunft sehen. So kam ich auf die Idee, den Einfluss von Wunschträumen und positiven Fantasien zu untersuchen.“

Gabriele Oettingen entwickelt die Methode WOOP

In der Folge hat Gabriele Oettingen einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem man Ziele besser erreicht. Die Abkürzung WOOP steht dabei für Wish, Outcome, Obstacle und Plan (Wunsch identifizieren, Zukunft entwerfen, Hindernis identifizieren, Plan entwerfen). Die Psychologin erläutert: „Wir geben nur vier Schritte vor, in die jeder seine persönlichen Wünsche einfüllen kann. Die Wirkung von WOOP ist wissenschaftlich getestet, stößt Prozesse an, zu denen wir keinen bewussten Zugang haben, die aber unser Verhalten verändern.“ Gabriele Oettingen nennt das Erfolgsgeheimnis der Motivationsstrategie: „Wenn ich etwas wirklich möchte, brauch in noch etwas anderes als positives Denken. Ich muss mir zusätzlich die Hindernisse auf dem Weg vorstellen. Das gibt mir die Energie.“

Gabriele Oettingen hat auch einen nicht zu unterschätzenden Zusatznutzen ihres neuen Ansatzes ausgemacht: „WOOP hilft, zu unterscheiden, was man wirklich will, wo man sich tatsächlich engagieren möchte, und wo man sich besser zurückzieht und keine Energie darauf verschwendet.“ Die Methode ist also auch eine Chance, im Leben aufzuräumen. Gabriele Oettingen beschreibt ihren neuen Ansatz wie folgt: „Er ist ein Schweizer Taschenmesser für ein besseres Leben.“ Die Psychologin geht inzwischen sogar so weit, zu sagen, dass positives Denken auch den wirtschaftlichen Erfolg behindert. Quelle: Kurier

Von Hans Klumbies