Die Kunstfreiheit gehört zur Demokratie

Martin Heideggers Ansicht, in der Kunst könne die für das Dasein des Menschen entscheidende Wahrheit geschehen, mag mit „Nein“ beantwortet werden, zumal die Kunst sich selbst zum Problem geworden ist. Für die Frage nach dem Freiheitsrang und Freiheitswerk der Kunst genügt laut Otfried Höffe die weit bescheidenere Annahme, die Kunst sei nicht belanglos geworden. Heutzutage hält man die Kunstfreiheit für ein selbstverständliches Recht, weshalb man gegen deren Nichtanerkennung protestieren muss und Staaten, in denen die Kunst systematisch unterdrückt wird, als Unrechtsstaaten kritisiert. Obwohl es zutrifft, dass die Kunstfreiheit zu den unverzichtbaren Elementen konstitutioneller Demokratien gehört, ist sie aber als Grundrecht relativ jung. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Rupert M. Scheule erörtert den Begriff der Freiheit

Vielleicht ist es mit der Freiheit von Unterdrückung, Beengung, Hunger und so weiter wie bei der Freude bei nachlassendem Schmerz. In dem Moment, das Menschen von wie auch immer beengenden Fesseln befreit werden, spüren sie das Glück der Freiheit besonders intensiv. Viele Menschen der Moderne sind für ganz offensichtlich gebrannte Kinder des Absolutismus und des Totalitarismus. Rupert M. Scheule erklärt: „Sie verstehen Freiheit primär als negative Freiheit, als Freiheit von staatlicher Einmischung und Bevormundung.“ In einem ganzen Arsenal von Abwehrrechten hat sich die negative Freiheit ein juristisches Denkmal gesetzt, was pikanterweise wieder einen Staat voraussetzt, der die Abwehrrechte garantiert. Wenn die Ethik hier von negativer Freiheit spricht, drängt sich natürlich die Frage auf, ob es denn auch eine positive Freiheit gibt und worin sie besteht. Rupert M. Scheule ist Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Fulda.

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Die Philosophie prägt das Selbstverständnis des 18. Jahrhunderts

Schon den Zeitgenossen gilt das 18. Jahrhundert als das philosophische. Dass die Philosophie das Selbstverständnis eines Zeitalters maßgeblich prägen kann, sagt etwas über ihren wachsenden Anspruch auf öffentliche Wirksamkeit aus. Darin spiegelt sich der Versuch wider, die Gesellschaft, die Moral und das komplette Wissen der Zeit mithilfe der Vernunft rational abzusichern und sie auf vernünftigen Grundlagen neu zu entwickeln. Nicht zuletzt manifestiert sich in diesem Anspruch auch das Selbstbewusstsein einer neuen Elite von Intellektuellen, die sich aus religiösen und staatlichen Abhängigkeiten und Bevormundungen zu lösen beginnt und sich machtvoll als Vordenker und Sprachrohr dessen begreift, was sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert als öffentliche Meinung herausbildet. Teile der intellektuellen Eliten treten aus ihren ständischen Bindungen und aus ihren alten Funktionszusammenhängen heraus.

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Aeneas war der Ahnherr der Literatur der Stauferzeit

Die Literaturepoche der Stauferzeit fällt mit dem Höhepunkt der Regierungszeit Friedrich Barbarossas um 1180 und dem Todesdatum Friedrichs II. zusammen. Der Konflikt zwischen den Staufern und den Welfen um die Vorherrschaft im Reich und der beständige Kampf des Kaisertums gegen die Bevormundung durch die Kirche und den Papst sollte diese Ära bestimmen, die im Grunde bereits mit dem plötzlichen Tod Heinrichs VI. beendet war. Zum Zeitpunkt der Thronbesteigung durch Friedrich Barbarossa stand die Literatur noch unter lateinisch-geistlicher Vorherrschaft. Selbst der frühhöfische Versroman war noch fest in der Hand der katholischen Geistlichen. Erst mit Heinrich von Veldekes „Eneit“ (nach 1170 begonnen, abgeschlossen 1185/87) gelang der Durchbruch einer neuen ritterlich-höfischen, am antiken Vorbild des dynastischen Ahnvaters Aeneas weltorientierten Standesliteratur, an der drei Dichtergenerationen beteiligt waren.

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Freiheit hat immer auch etwas mit Verantwortung zu tun

Freiheit ist ein tiefer, starker Antrieb der Menschen. Die meisten Menschen wünschen sich selbstverständlich mehr davon als sie momentan besitzen. Viele davon wünschen sich Freiheit von etwas. Anja Förster und Peter Kreuz nennen Beispiele: „Freiheit von einengenden Zwängen, Freiheit von autoritärer Bevormundung, Freiheit von bohrenden Ängsten, Freiheit von finanziellen Sorgen, Freiheit von starren Regeln, Freiheit von mächtiger Willkür, Freiheit von erdrückenden Hierarchien, Freiheit von lästigen Pflichten, Freiheit von ständiger Kontrolle …“. Doch Freiheit bedeutet mehr als nur die Freiheit von etwas zu sein. Es gibt immer auch einen zweiten Aspekt, der aber im alltäglichen Bewusstsein eine viel kleinere Rolle spielt, als würden sich die Menschen vor ihm fürchten: Freiheit zu etwas. Anja Förster und Peter Kreuz gehören zu einer neuen Generation von Vordenkern für Wirtschaft und Management.

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Bildung ist zu einem beliebigen Konsumprodukt verkommen

Bildung erscheint für Konrad Paul Liessmann längst nicht mehr als Ausdruck einer eigenen und zunehmend selbstverantwortlich organisierten Anstrengung, sondern als das Konsumieren eines Produkts, das von einem Konsortium von Pädagogen und ihren Beratern maßgeschneidert angeboten werden muss. Konrad Liessmann stellt fest: „Studenten, die an der Hand ihrer jugendlichen Mütter die Universitäten betreten, wären dann kein Sonderfall, sondern Symptom einer gesellschaftlichen Entwicklung.“ Und wie bei den Nahrungs- und Genussmitteln verlangen die Menschen auch hier, dass ihnen eine übergeordnete Instanz die Verantwortung für ihr Tun abnimmt und vor möglichen Gefahren schützt oder zumindest eindringlich warnt. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Peter Bieri stellt Formen der fürsorglichen Bevormundung vor

Menschen können von anderen Menschen bevormundet werden. Ob daraus eine Gefahr für die Würde hervorgeht, hängt laut Peter Bieri davon ab, welche Absicht dahintersteckt und ob der Eingriff in den Freiheit des anderen verständlich und gerechtfertigt erscheint. Es hängt auch davon ab, wie es um den Willen desjenigen steht, über dessen Kopf hinweg Entscheidungen getroffen werden. Es kann auch sein, dass es in der Sache, über die entschieden werden muss, noch gar keinen Willen gibt. Peter Bieri nennt als Beispiel Kinder, die in einer folgenreichen Angelegenheit noch keinen ausgeprägten, gefestigten Willen und keine Autorität haben. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Wilhelm Schmid philosophiert über den Sinn der Kindererziehung

Wilhelm Schmid stellt in seinem Buch „Dem Leben Sinn geben“ die Frage, warum und wozu Eltern ihre Kinder erziehen müssen. Seiner Meinung nach sind mehrere Antworten möglich. Erstens aus altruistischen Gründen, dem Anderen zugewandt, der erzogen werden soll, um ein sinnvolles, schönes Leben führen zu können, in dem er sich so entfalten kann, dass er Freude daran hat. Zweitens aus egoistischen Gründen, auf das eigene Ich bezogen, das zur Entwicklung des heranwachsenden Lebens beiträgt und daran Gefallen findet, insgeheim aber auch daran Interesse hat, sich die Zumutungen zu ersparen, die ein unförmiges Wachstum mit sich bringen könnte. Wilhelm Schmid fügt hinzu: „So oder so ist eine anfängliche Bevormundung kaum zu vermeiden, und doch kann das Ziel der Erziehung nur sein, dass der Heranwachsende davon frei wird und mit seiner Freiheit auch etwas anfangen kann.“ Wilhelm Schmid lebt als freier Autor in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt.

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Rechte tragen zur Würde im Sinne der Selbstständigkeit bei

Rechte sind für Peter Bieri ein Schutzwall gegen die Abhängigkeit, die durch Willkür entsteht. Damit tragen die Rechte zur Würde des Menschen im Sinne der Selbstständigkeit bei. Wer Rechte besitzt, kann Ansprüche geltend machen. Er muss nicht darum bitten, dass er etwas tun darf oder man etwas für ihn unternimmt. Peter Bieri fügt hinzu: „Er kann es einfordern und einklagen. Er ist auf niemandes Wohlwollen angewiesen. Man kann ihn nicht, wie einen Rechtlosen, herumschubsen.“ Wenn ein Mensch ein Recht auf etwas besitzt, so entspricht ihm eine Pflicht seiner Mitmenschen, etwas für ihn zu tun oder zu unterlassen. Peter Bieri studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Die Existenz gewinnt ihre Schönheit durch das Unberechenbare

Die aktuelle Sommerausgabe des Philosophie Magazins stellt in seinem Titelthema die Frage, ob überwiegend der Zufall das Leben der Menschen bestimmt. Für die Philosophin Svenja Flaßpöhler ist der Zufall das metaphysische Rätsel an sich, das bis heute für die tiefsten Kränkungen des menschlichen Selbstbildes verantwortlich ist. Deshalb versuchen die Menschen mit immer raffinierteren Methoden den Zufall zu kontrollieren. Es gibt zwei Fiktionen, um sich über die Zufälligkeiten des Lebens hinwegzutrösten. Die erste ist der Glaube an das Schicksal, an einen übernatürlichen Willen, der alles fügt. Sonja Flaßpöhler erläutert: „Der schicksalsgläubige Mensch vertraut auf die schützende Hand, die er über sich wähnt und die ihn genau dorthin gestellt hat, wo er sich gerade befindet.“ Der zweite Trost ist der Glaube an die Selbstbestimmung, an die überwältigende Kraft des eigenen Tuns. An die Stelle des Gottvertrauens tritt das Selbstvertrauen.  

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Die Kriterien der Zumutbarkeit von Nebenwirkungen

Für den Philosophen Robert Spaemann stellen moderne Technologien auf physikalischem und biologischem Gebiet, insbesondere die Atomspaltung und die genetische Manipulation, moralische Probleme dar. Deren Lösung mit traditionellen philosophischen und theologischen Argumenten kann seiner Meinung nach nur gelingen, wenn man sie in ihren abstraktesten und allgemeinsten Formen heranzieht. Robert Spaemann schreibt: „Das gilt insbesondere dort, wo die moralischen Probleme sich mit den politisch-rechtlichen überschneiden, das heißt mit der Frage nach der Verantwortlichkeit des Staates für die möglichen Folgen und Nebenfolgen der Anwendung dieser Technologien.“ Er liegt zufolge von Robert Spaemann im Wesen menschlicher Handlungen, dass sie Nebenwirkungen hervorbringen und Handeln auf Zwecke ausgerichtet ist.

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Robert Pfaller ergründet die Angst vor dem Leben

Lust, Genuss, Ausgelassenheit und Unvernunft werden zunehmend von der Gesellschaft diskriminiert. Die meisten Menschen lassen sich von ihrem schlechten Gewissen und den Verboten bevormunden. Der Wiener Philosoph Robert Pfaller weiß, warum dies so ist. Robert Pfaller sagt: „Beim Versuch, am liebsten ewig zu leben, töten die Menschen ihr Leben schon vor dem Tod. Weil sie sich alles, was das Leben lebenswert macht, verbieten oder verbieten lassen.“ Der Mensch der Postmoderne übersieht dabei allerdings, dass er dabei aseptisch, lustlos, humorlos und postsexuell lebt. Alle möglichen Ängste treiben ihn um, schon der Anblick einer Zigarette kann ihm einen tödlichen Schrecken einjagen.

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Tony Judt kritisiert den ungeregelten Kapitalismus

Für Tony Judt ist irgendetwas grundfalsch an der Art und Weise, wie die Amerikaner in der Gegenwart leben. Seit dreißig Jahren wird vor allem in den USA ein eigennütziges Gewinnstreben verherrlicht. Wenn die amerikanische Gesellschaft überhaupt ein Ziel hat, ist es seiner Meinung nach die Jagd nach dem Profit. Die Menschen wissen zwar, was die Dinge kosten, kennen aber nicht deren Wert. Wenn Gesetze erlassen oder Gerichtsurteile gesprochen werden, fragen die Menschen nicht danach, ob sie gut, gerecht und vernünftig sind. Oder ob sie vielleicht sogar zu einer besseren Gesellschaft, ja einer besseren Welt beitragen könnten. Tony Judt, der von 1948 bis 2010 lebte, studierte in Cambridge und Paris und lehrte nach Stationen in Cambridge, Oxford und Berkeley seit 1995 als Erich-Maria-Remarque-Professor für Europäische Studien in New York.

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