Paul Nolte beschreibt die Entstehung der Demokratie in Athen

Vor etwa zweieinhalbtausend Jahren entstand im östlichen Mittelmeerraum, auf der griechischen Halbinsel Attika, zum ersten Mal in der Weltgeschichte Demokratie. Paul Nolte erklärt: „Die Bürger von Athen überließen die Regierung ihrer Polis, also ihres stadtstaatlichen Gemeinwesens, nicht einem König, einem Tyrannen oder einer schmalen aristokratischen Elite, was weithin den kaum hinterfragten Normalfall darstellte, sondern regierten sich selbst: frei und einander gleich; durch die Übernahme von Ämtern und unmittelbar in der Volksversammlung.“ Die athenische Demokratie entwickelte sich allerdings laut Paul Nolte nicht zuerst in der Theorie, sondern langsam und in vielen Zwischenschritten, in der praktischen Anwendung. Dass daraus eine Demokratie enstehen würde, wussten die Zeitgenossen vorher und während der Entstehung dieser Regierungsform nicht. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

Die klassische athenische Demokratie beginnt mit der Phylenreform des Kleisthenes

Paul Nolte erklärt, dass der Begriff Demokratie erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts auftauchte, nach den Reformen des Perikles, als die entsprechende Verfassung schon in mehreren Stufen ausgebaut war und ihre endgültige Fassung erreicht hatte. Paul Nolte schreibt: „Insgesamt dauerte die Geschichte der athenischen Demokratie knapp drei Jahrhunderte. Sie begann mit den Reformen des Solon, der im Jahre 594 vor Christus von seinen Mitadligen in das Amt des „Archon“ gewählt wurde. Er sorgte für die Entlastung der völlig überschuldeten und damit unfrei gewordenen Bauern und durchbrach die Vorherrschaft des Adels in Politik und Gesellschaft durch ein Zensussystem.“

Vier Vermögensklassen konnten darauf hin an der Politik teilhaben. Seine Gesetze ließ Solon in Tafeln aus Stein meißeln. Damit wollte er ausdrücken, dass die Gesetze von Menschen gemacht und somit veränderbar waren. Die politischen und sozialen Verhältnisse leiteten sich jetzt laut Paul Nolte nicht mehr von Gott ab, sondern konnten bewusst gestaltet werden. Die klassisch genannte Phase der athenischen Demokratie beginnt mit den Reformen des Kleisthenes in den Jahren 508/ 507. Paul Nolte erläutert: „Ausgangspunkt dafür war eine Neugliederung der Bürgerschaft, die die bisherigen adligen Verbände und vom Adel dominierten Abhängigkeitsverhältnisse durchbrach, die sogenannte Phylenreform.“

Im Jahre 322 endete die athenische Demokratie

Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Phylen, als Untereinheiten der attischen Polis, Personenverbände gewesen, die von Adligen angeführt wurden. An die Stelle dieser vertikalen Gliederung traten laut Paul Nolte nun eine horizontale, und eine Durchmischung der Bürgerschaft, indem Kleisthenes die neuen Phylen nach Gesichtspunkten der Geografie entwarf. Die zehn neuen Phylen, die sich aus Stadt, Binnenland und Küstenregion zusammensetzen, durften je 50 Vertreter in den „Rat der 500“ entsenden.

In den Jahren zwischen 431 bis 404 befand sich die athenische Demokratie in einer großen Phase der militärischen Auseinandersetzungen wie zum Beispiel dem Peloponnesischen Krieg, in deren Schlussphase sie in eine schwere Krise geriert. Zweimal ersetzte ein oligarchisches System die Demokratie. Im Jahr 403 wurde die Demokratie wieder hergestellt, die anschließend in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine neue Blütezeit erlebte. Mit dem Aufstieg Alexander des Großen verloren die griechischen Stadtstaaten die Autonomie über ihre innere Verfassung. Paul Nolte fügt hinzu: „Im Jahre 322 endete die athenische Demokratie, als der größte Teil der Bürger in einer neuen Verfassung seine politischen Rechte verlor.“

Von Hans Klumbies