Die Religion ist der gefährlichste Feind des freien Denkens

Die unstillbare Sehnsucht nach Reinheit, gefährlichste Feindin freien Denkens, ist die Obsession des Religiösen zu allen Zeiten in allen Kulturen – schon deshalb, weil Religion gewöhnlich auf Absolutes, Immaterielles und damit eben auch Reines zielt. In Krisenzeiten wird der Wunsch nach Reinheit besonders drängend. Bernd Roeck stellt fest: „Gereinigt durch die Taufe beginnen Christinnen und Christen ihr Leben; durch Buße reinigen sie sich im Inneren. Sich Gott zu nähern verlangt Reinheit, vom Priester wie vom Gläubigen. Am Ende helfen Sterbesakramente bei letzter Säuberung.“ Noch nach dem Tod vollzieht das Fegefeuer – jene furchterregende Erfindung der Kirchenväter – eine allerletzte Purgation. Sie erst macht dazu bereit, in den Himmel einzugehen. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Die Kreuzzüge zielten auf die Reinigung der Welt von Heidenbrut

Die Kreuzzüge ins Heilige Land nahmen 1095 ihren Anfang. Papst Urban II. hatte dazu aufgerufen, den bedrängten Byzantinern zu Hilfe zu eilen und gegen das „verruchte Heidenvolk“, das die heiligen Stätten besetzt hielt, zu ziehen. Der Geist, der die Papstreform und die Kämpfe in Italien und Spanien inspirierte, trug auch die Kreuzzüge. Bernd Roeck erläutert: „Sie zielten auf Reinigung der ganzen Welt von Heidenbrut, jetzt, wo vielen der Jüngste Tag nahe schien. Der demographische Aufschwung produzierte Krieger; Freiheit und Abenteuer lockten.“ Europas Adel fand Gelegenheit, Ruhm und Seelenheil zu verdienen, dazu neues Land und Sklaven – sei es im Kampf gegen die Mauren, gegen Ketzernester und Götzenanbeter im Norden und Osten. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Aeneas war der Ahnherr der Literatur der Stauferzeit

Die Literaturepoche der Stauferzeit fällt mit dem Höhepunkt der Regierungszeit Friedrich Barbarossas um 1180 und dem Todesdatum Friedrichs II. zusammen. Der Konflikt zwischen den Staufern und den Welfen um die Vorherrschaft im Reich und der beständige Kampf des Kaisertums gegen die Bevormundung durch die Kirche und den Papst sollte diese Ära bestimmen, die im Grunde bereits mit dem plötzlichen Tod Heinrichs VI. beendet war. Zum Zeitpunkt der Thronbesteigung durch Friedrich Barbarossa stand die Literatur noch unter lateinisch-geistlicher Vorherrschaft. Selbst der frühhöfische Versroman war noch fest in der Hand der katholischen Geistlichen. Erst mit Heinrich von Veldekes „Eneit“ (nach 1170 begonnen, abgeschlossen 1185/87) gelang der Durchbruch einer neuen ritterlich-höfischen, am antiken Vorbild des dynastischen Ahnvaters Aeneas weltorientierten Standesliteratur, an der drei Dichtergenerationen beteiligt waren.

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