Die Liebe befähigt einen Menschen zum Vergeben

„Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet; welchem aber wenig vergeben wird, der liebet wenig“: Hannah Arendt zitiert diesen Satz aus dem Lukasevangelium, den Jesus über die ehemalige Prostituierte Marin Magdalena sagt, in ihrem Buch „Vita activa“. Der Ausspruch Jesu, so die Philosophin, verweise auf ein Wesensmerkmal des Vergebens – richtet sich dieses doch bei näherem Hinsehen nicht auf die Tat selbst als vielmehr auf den Menschen, der sie begangen hat. Svenja Flaßpöhler fügt hinzu: „Nicht das Vergehen, sondern seinem Urheber wird vergeben, denn: Er ist größer als seine Tat. Die Liebe, die im Täter wohnt, erhebt ihn über das Unheil, das er angerichtet hat.“ Aber wie ist zu erkennen, ob eine Sünderin tatsächlich viel liebt oder nur vorgibt, dies zu tun? Dr. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.

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Nach innen schauend sah Augustinus eine unermessliche Welt

Mit Ende zwanzig hatte Augustinus das Gefühl, von sich selbst entfremdet zu sein. Er führte ein beschwerliches Leben, und es verschaffte ihm nicht jene tiefere Sättigung, die er sich wünschte. Er hatte Begierden, deren Befriedigung ihn nicht glücklich machte, und dennoch folgte er weiterhin seinen Lüsten. Augustinus reagierte auf diese Lebenskrise, indem er seinen Blick nach innen richtete. Eigentlich sollte man meinen, dass jemand, der über seine Ichbezogenheit entsetzt ist, nach Selbstvergessenheit strebt. David Brooks fügt hinzu: „Sei Rat wäre: Sieh von dir selbst ab und wende deine Aufmerksamkeit anderen zu.“ Aber Augustinus unternahm zunächst eine beinahe wissenschaftliche Entdeckungsreise in sein Inneres. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Der politische Islam ist unfähig zur Demokratie

Als im Jahr 2010 der Arabische Frühling ausbrach, keimte die Hoffnung nach einer demokratischen arabischen Welt auf. Heute ist von dieser Hoffnung kaum etwas übriggeblieben. Im Gegenteil, viele Länder im Nahen Osten sind in Krieg und Konflikte verfallen. Auf die Frage nach den Gründen antwortet der Islam-Experte und Psychologe Ahmad Mansour wie folgt: „Weil bei den dort lebenden Menschen noch kein Demokratieverständnis vorhanden ist. Sie haben die Erfahrung damit nicht. Der Mehrheit der Leute lebt in patriarchalischen Strukturen. Sie leben in Familien, in denen keine demokratischen Strukturen herrschen, in denen individuelle Bedürfnisse keine große Rolle spielen.“ Und vor allem leben sie in einer religiösen Gesellschaft, in der Demokratie eine ganz andere Bedeutung hat. Demokratie, wie wir jetzt in der Türkei sehen, bedeutet nicht nur freie Wahlen, sondern es gehört viel mehr dazu.

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Ihr enormer Reichtum läutete den Untergang der Tempelritter ein

Im Frühjahr des Jahres 1314 wurde der letzte Großmeister des Templerordens auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Den Tod vor Augen verfluchte Jacques de Molay den französischen König Philipp IV., der in einem fragwürdigen Ketzerprozess alle Tempelritten gefangen nehmen, foltern und töten ließ. Außerdem stieß er einen Fluch gegen Papst Clemens V. aus, der die Auflösung des Templerordens angeordnet hatte. Kurze Zeit später starben die Verfluchten. Die Geschichte des Templerordens zählt zu den aufsehenerregendsten des ganzen Mittelalters. Die Gründung des Ordens fiel in die Zeit der Kreuzzüge. Seine genaue Bezeichnung lautet „Arme Ritterschaft Christi vom salomonischen Tempel“. Im Jahr 1095 hatte Papst Urban II. zum Ersten Kreuzzug aufgerufen. Die Christen sollten das Heilige Land erobern, zur Not auch mit Gewalt.

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Der Gleichgültige ist noch schlimmer als der Täter

Das neue Buch von Andreas Salcher „Ich habe es nicht gewusst“ ist ein Buch über Nähe und Distanz sowie über das Mitgefühl. Es ist aber kein Buch über Weltverbesserung, sondern über Selbstverbesserung. Andreas Salcher schreibt: „Die positiven Beispiele werden zeigen, dass wir nicht immer die Möglichkeit haben, die großen Dinge in der Welt zu ändern, aber sehr wohl die Macht, die kleinen zu korrigieren.“ Der Autor hat bei seinen Recherchen erkannt, dass die Welt genug Probleme hat und wenn sie etwas definitiv nicht benötigt, dann ist das menschliche Resignation. Noch hat die Gleichgültigkeit laut Andreas Salcher das Mitgefühl nicht ausgelöscht, noch hat die Gier die Moral nicht endgültig besiegt, noch hat der Klimawandel die Erde nicht vernichtet. Um zu verhindern, dass diese Szenarien Wirklichkeit werden, gibt es für jeden Menschen genug zu tun.

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Die geheimnisvolle Welt der Märchen

Es gibt Märchen, die einfältig erscheinen, weil sie an die Moral appellieren, aber auch subversive, die von der Veränderbarkeit der Welt erzählen. Hier geschieht manchmal das Unglaubliche, dass die Schwachen die Starken besiegen. Immer wieder tauchen in den Märchen gewaltsame Akte der Befreiung auf. In drastischen Szenen schildert das Märchen Modelle einer essentiellen Erfahrung der Menschen – das Böse ist besiegbar, aber nicht im Guten, sondern mit Gewalt. Es gibt wesentliche Märchenelemente, die von den verschiedensten Erzählern immer wieder aufgegriffen wurden. Dazu zählen die Unbotmäßigkeit und die Phantasie. Zweitgenannte steht für die Kreativität und die Kraft der Verwandlung als ursprüngliche Anlagen, die der Menschen in den Zeiten der Moderne verliert, wenn er sich von deren Rationalismus unterjochen lässt.

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