Kultur setzt sich in ihrem Zentrum aus Singularitäten zusammen

Die soziale Logik der Singularitäten ist eng mit jener Dimension des Sozialen verknüpft, für die man klassischerweise den Begriff der Kultur vorgesehen hat. Für Andreas Reckwitz lautet dabei der entscheidende Punkt: „Kultur setzt sich in ihrem Zentrum aus Singularitäten zusammen. Jene Einheiten des Sozialen, die als einzigartig anerkannt werden – die singulären Objekte und Subjekte, die singulären Orte, Ereignisse und Kollektive – bilden gemeinsam mit den zugehörigen Praktiken des Beobachtens und Bewertens, des Hervorbringens und Aneignens die Kultursphäre einer Gesellschaft.“ Die Logik des Besonderen gehört zur Kultur wie die Logik des Allgemeinen zur formalen Rationalität. Rationalisierung und Kulturalisierung sind die beiden konträren Formen von Vergesellschaftung. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Andreas Reckwitz stellt die soziale Logik des Allgemeinen vor

Die soziale Logik des Allgmeinen, die mit der formalen Rationalisierung der Moderne einhergeht, betrifft sämtliche Einheiten des Sozialen. Andreas Reckwitz erläutert: „Der Begriff „soziale Logik“ soll sich auf eine solcherart umfassende Strukturierungsform beziehen, die zum einen die genannten Praktiken der Beobachtung, der Bewertung, der Hervorbringung und der Aneignung umfasst und zugleich alle Einheiten des Sozialen einschließt.“ In analoger Weise gilt da auch für die soziale Logik der Singularitäten. Die Plausibilisierung einer Sozial- und Gesellschaftstheorie ist generell darauf angewiesen, dass Aussagen über sämtliche Elemente oder Einheiten des Sozialen gemacht werden. Aus der Perspektive von Andreas Reckwitz lassen sich mindestens fünf Einheiten des Sozialen unterscheiden, die durch eine soziale Logik auf bestimmte Weise formatiert werden: Objekte, Subjekte, Räumlichkeiten, Zeitlichkeiten und Kollektive. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Singularitäten sind durch und durch sozial fabriziert

Die mystifizierende Haltung gegenüber Besonderheiten, die in der sozialen Welt der Kunstbetrachter und religiösen Gläubigen, den Bewunderern von Charisma und Liebenden, der Musikfans, Fetischisten von Markten und unbeirrbaren Lokalpatrioten verbreitet ist, setzt voraus, dass das, was ihnen wertvoll ist und sie fasziniert, gewissermaßen in ihrer natürlichen Essenz und unabhängig vom Betrachter wirklich authentische und einzigartige Phänomene sind. Andreas Reckwitz erläutert: „Mit Blick auf diese Mystifizierung des Authentischen hat die soziologische Analyse eine Aufklärungsfunktion. Einzigartigkeiten sind gerade nicht als vorsoziale Gegebenheiten vorauszusetzen, vielmehr gilt es, die Prozesse und Strukturen der sozialen Logik der Singularitäten zu rekonstruieren.“ „Soziale Logik“ heißt: Die Singularitäten sind nicht kurzerhand objektiv oder subjektiv vorhanden, sondern durch und durch sozial fabriziert. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Singularität meint das Streben nach Einzigartigkeit

Singularität meint laut Andreas Reckwitz mehr als Selbstständigkeit und Selbstoptimierung: „Zentral ist ihr das kompliziertere Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit, die zu erreichen freilich nicht nur subjektiver Wunsch, sondern paradoxe gesellschaftliche Erwartung geworden ist.“ Markant ausgeprägt ist dies in der neuen, der hochqualifizierten Mittelklasse, also in jenem Produkt von Bildungsexpansion und Postindustrialisierung, das zum Leitmilieu der Spätmoderne geworden ist. An alles in der Lebensführung legt man den Maßstab des Besonderen an: wie man wohnt, wie man isst, wohin und wie man reist, wie man den eigenen Körper oder den Freundeskreis gestaltet. Im Modus der Singularisierung wird das Leben nicht einfach gelebt, es wird kuratiert. Das spätmoderne Subjekt performed sein besonderes Selbst vor den anderen, die zum Publikum werden. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Der kulturelle Kapitalismus ersetzt den industriellen

In der Gesellschaft der Gegenwart wird nicht mehr das Allgemeine, sondern das Besondere erwartet. Andreas Reckwitz erläutert: „Nicht an das Standardisierte und Regulierte heften sich die Hoffnungen, das Interesse und die Anstrengungen von Institutionen und Individuen, sondern an das Einzigartige, das Singuläre.“ Diese Entwicklung hat die gesamte spätmoderne Ökonomie erfasst. Sowohl für materielle Güter wie für Dienstleistungen gilt, dass an die Stelle der Massenproduktion uniformer Waren jene Ereignisse und Dinge treten, die nicht für alle gleich oder identisch sind, sondern einzigartig, das heißt singulär sein wollen. Die spätmoderne Ökologie ist mehr und mehr an singulären Dingen, Diensten und Ereignissen ausgerichtet, und die Güter, die sie produziert, sind zunehmend solche, die nicht mehr rein funktional, sondern auch oder allein kulturell konnotiert sind und affektive Anziehungskraft ausüben. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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