Ziele reduzieren die Komplexität des menschlichen Lebens

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins August/September Nr. 05/2015 heißt: „Braucht mein Leben ein Ziel?“ Kaum ein Mensch kann sich dem Druck dieser Frage entziehen. Denn sie trifft das Zentrum jeglicher menschlicher Existenz, offenbart geheimste Wünsche und Hoffnungen und nicht zuletzt auch verborgene Ängste. Chefredakteur Wolfram Ellenberger weist auf einen Gegensatz hin: „In der Frage nach dem Lebensziel prallen zwei menschliche Sehnsüchte aufeinander. Die nach einem tätigen Leben in dauerhaft sinnvoller und zielgerichteter Selbstbestimmung. Und die nach einer tief entspannten Existenz in lustvoller Gelassenheit.“ Die Hauptfunktion eines Zieles besteht darin, dass es einen Sinnbezug herstellt. Denn jede sinnvolle Handlung hat ein Ziel, sonst ist sie keine. An Zielen kann ein Mensch wachsen, sie reduzieren die Komplexität des Lebens, geben Halt und Struktur.

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Die Selbstachtung sorgt für Stimmigkeit im menschlichen Leben

Menschen verfügen über die Fähigkeit, ihr Tun für sich und andere verständlich machen zu können, indem sie Geschichten über ihre Motive erzählen. Das macht ihre Identität aus. Die Menschen sind diejenigen, die Motivgeschichten darüber erzählen, wo sie herkommen, wie sie wurden, was sie sind und was sie vorhaben. In solchen Geschichten entsteht laut Peter Bieri ein Selbstbild, das heißt, ein Bild davon, wie man sich selbst sieht. Peter Bieri fügt hinzu: „Es ist nicht nur ein Bild davon, wie wir sind, sondern auch eine Vorstellung davon, wie wir sein möchten und sein sollten.“ Die Menschen können sich bewertend gegenübertreten und sich fragen, ob sie mit ihrem Tun und Erleben zufrieden sind. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Die Auswahl des Essens steht unter gesellschaftlichem Druck

Im neuen Philosophie-Magazin 04/2015 setzt sich das Titelthema mit der Frage „Bin ich, was ich esse? auseinander. Dabei wird festgestellt, dass heute mehr denn je die Auswahl des Essens unter gesellschaftlichem Druck steht. Dabei bilden selbstgewählte Nahrungstabus das Zentrum der menschlichen Identität, ersetzen zunehmend religiöse und auch politische Erkenntnisse. Dr. Catherine Newmark, die am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin arbeitet, schreibt: „Die damit verbundenen Haltungen pendeln zwischen lebensfroher Heilserwartung und genussferner Hypersensibilität, revolutionärer Energie und Angst vor staatlicher Überregulierung. Sie zitiert in ihrem Beitrag Friedrich Nietzsche, der einst behauptete: „Oft entscheidet ein einziger Bissen Nahrung, ob wir mit einem hohlen Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen.“ Viele Menschen sind heutzutage geradezu besessen vom Essen, und das gerade nicht, weil es so schwer zu besorgen wäre.

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Ein Gesichtsverlust ist immer mit einer Demütigung verbunden

Die Menschen leben einen großen Teil ihres Lebens unter dem Blick der anderen. Sie müssen sich für sie auf eine bestimmte Weise darstellen. Sie zeigen ihnen ihr Gesicht. Dieses Gesicht ist für Peter Bieri die sichtbare Identität, die soziale Fassade, auch die Maske, hinter der sich Menschen verstecken können. Gesicht im engeren Sinne bedeutet die Gesichtszüge und der Ausdruck, die eine Person hineinlegt. Peter Bieri fügt hinzu: „Es gehört aber auch vieles dazu, was mit den Gesichtszügen nichts mehr zu tun hat: die soziale Rolle; all das, was wir uns an Fähigkeiten, Einfluss und Macht zuschreiben; das Muster aus Gewohnheiten und Einstellungen, dass wir Charakter nennen; die nach außen hin verkündeten Gedanken und Gefühle.“ Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Bei der Arbeit kommt es immer mehr auf den Sinn an

Glücklich sein, Erfüllung finden, einen Sinn erkennen – was im privaten Alltag längst der Anspruch ist, hält mehr und mehr auch im Berufsleben Einzug. Theo Wehner, Arbeits- und Organisationspsychologe an der ETH Zürich, sagt: „Heute geht es nicht mehr nur um Zufriedenheit, sondern um Sinnhaftigkeit bei der Arbeit.“ Die Ergebnisse von Umfragen in der Arbeitswelt sind allerdings ernüchternd: Nur gerade etwas mehr als zehn Prozent der Angestellten weltweit sind ihn ihrem Job glücklich, Tendenz stagnierend. Dass der Sinn in der Arbeit für die Leistung einer Firma entscheidend ist, haben Wissenschaftler und Experten längst herausgefunden. McKinsey schreibt im Quarterly vom Januar 2013: „Die Opportunitätskosten von fehlendem Sinn bei der Arbeit sind enorm.“ Denn fehlen Drive und Motivation – die Produktivität kann dann sogar bis auf ein Fünftel fallen.

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Kaum ein Mensch kann seine Herkunft erfolgreich verleugnen

Im Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2015, Dezember/Januar, geht es um die Frage, ob sich ein Mensch jemals seiner Herkunft entledigen kann. Auf der einen Seite stiftet Herkunft Identität und seine biographischen Wurzeln geben dem Individuum Halt und Sinn. Auf der anderen Seite beschränkt die Herkunft die persönliche Freiheit, kann in manchen Fällen sogar ein Grund für Diskriminierung, Enge und Depression sein. Viele große Denker der Moderne waren sich deshalb einig: „Löse Dich von den Fesseln der Herkunft! Werde du selbst, indem du mit deinem Erbe brichst!“ Peter Sloterdijk legt in einem Gespräch mit Chefredakteur Wolfram Eilenberger dar, worum diese Form der Verleugnung der Herkunft die eigentliche Ursünde der Moderne darstellt. Svenja Flaßpöhler argumentiert: „Nur wer sich seiner Herkunft stellt, muss sie nicht wiederholen.“

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Die Philosophin Rahel Jaeggi denkt über das „wahre Selbst“ nach

Viele Menschen kennen das Gefühl: „Nicht ich lebe mein Leben, sondern mein Leben lebt mich.“ Für Rahel Jaeggi sind die meisten Individuen in der heutigen Gesellschaft nicht direkt fremdbestimmt. Sie gibt zwar zu, dass es im Kapitalismus unbestritten Formen gezielter Einflussnahme auf menschliche Wünsche gibt – Manipulation durch Werbung zum Beispiel, die mein Verlangen nach bestimmten Gütern hervorbringt. Rahel Jaeggi relativiert diese Fremdbestimmung: „Doch auch wenn mein Wille in diesem Sinn beeinflusst ist, zwingt mich niemand, die Cola, das Smartphone oder das Auto auch tatsächlich zu kaufen. Und wir handeln, wenn wir konsumieren, auch nicht wie unter Hypnose – selbst in Zeiten von Big Data nicht.“ Fremdbestimmt ist ein Mensch nur, wenn ihn ein fremder Wille daran hindert, seinem eigenen Willen zu folgen. Rahel Jaeggi ist Professorin für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Yuval Noah Harari erklärt das indische Kastenwesen

Alle Gesellschaften basieren auf erfundenen Hierarchien, wobei diese recht unterschiedlich aussehen können. Die indische Gesellschaft teilte zum Beispiel die Bevölkerung nach Kasten ein, die ottomanische unterschied sie nach Religionen und die amerikanische nach der Hautfarbe. Yuval Noah Harari begründet dies wie folgt: „In den meisten Fällen war der Grund eine willkürliche historische Verwerfung, die im Lauf der Generationen zu einem Graben wurde, weil bestimmte Gruppen ein Interesse daran hatten.“ Das indische Kastensystem wurde erfunden, als vor rund 3.000 Jahren arische Stämme nach Nordindien vordrangen und die einheimische Bevölkerung unterjochten. Die Eroberer errichteten eine hierarchische Gesellschaftsordnung, in der sie als Priester und Krieger die obersten Ränge einnahmen, während die Einheimischen als Diener und Sklaven schuften mussten. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Rebekka Reinhard beklagt den Verlust der Phantasie

Der Mensch will die Realität, die ihm unübersichtlich erscheint, nicht noch komplizierter machen. Für Rebekka Reinhard scheint das Leben als eine Abfolge von Modulen, die sich der Mensch je nach Bedarf bestellt und wieder abbestellt, von der heutigen Wirklichkeit gar nicht mehr weit entfernt zu sein. Das Leben der Menschen ist voll von Gegenständen, die sie eigentlich nicht brauchen, aber zu denen sie sich doch irgendwie verhalten müssen. Der Mensch ist immer viel zu beschäftigt, um einmal nichts zu tun. Die wenigsten Menschen fragen sich warum sie das tun, was sie tun. In einer Welt, in der der Mensch für jede Frage einen Experten hat, der ihn zur besten Lösung führt, braucht niemand mehr an überflüssigem Leid zugrunde zu gehen.

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Die Liebe ist die Sehnsucht nach dem erregenden Unterschied

In einem ersten Schritt denkt der Philosoph Josef Pieper darüber nach, was der Begriff „Liebe“ überhaupt bedeutet. Als Zentralgebot des Christentums schließt die Liebe ja auch das Verhalten zum Nächsten mit ein, der als Bild Christi wahrgenommen werden soll. Dabei muss der vielgefächert Charakter der Liebe nicht aus dem Auge gelassen werden. Joseph Pieper beschreibt in seinem Buch „Über die Liebe“ nicht nur das Erotisch-Sexuelle, sondern auch das Bedürfen und Begehren sowie die Liebe zum Kind, zum Freund, zum Schönen, zu Gott und dem eigenen Selbst. Dabei unterscheidet er sehr klar den eros, das Begehren und Habenwollen von der agape, dem Uneigennützigen, Bewundern und Seinlassen. Als dritte Spielform der Liebe nennt Josef Pieper die philia, die Freundschaft in der Spannung auf ein drittes, gemeinsames Geliebtes. Im Lateinischen heißen diese Begriffe amor, caritas und amicitia.

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Die Menschen lernen in erster Linie von ihren Vorbildern

Das Wissen und Können eines Menschen beruht auf der Dichte der Verschaltungen seiner neuronalen Netzwerke, da jeder Lernprozess eine Vielzahl neuer Verknüpfungen schafft, die durch Übung verfestigt werden. Rotraud A. Perner nennt als Beispiele das Erlernen der Muttersprache, oder von Fremdsprachen, Musikinstrumenten, Sportarten, aber auch für das sich aneignen der sozialen Handlungsmuster. Und die Menschen lernen in erster Linie von ihren Vorbildern, wobei Rotraud A. Perner die medialen ausdrücklich dazuzählt. In seiner phallischen Phase fragt das Kind nach den Geschlechtsunterschieden, nach körperlichen Verschiedenheiten, die ihm zu dieser Zeit auffallen. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Ihr aktuelles Buch heißt  „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.

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Viele Menschen können zu einem richtig guten Leben kommen

In seinem neuen Buch „Warum nicht. Über die Möglichkeit des Unmöglichen“ stellt Uwe Böschemeyer folgende These auf: „In jedem von uns steckt so viel wartendes Leben, das darauf drängt, endlich leben zu dürfen!“ Für eine wahrhafte, sinnerfüllte und selbstbestimmte Existenz gibt es seiner Meinung nach zwei Voraussetzungen. Erstens müssen die Menschen begreifen, dass sie nicht auf Hilfe von außen warten dürfen, wenn sie ihr Leben verändern wollen. Und zweitens müssen sie erkennen, dass ihr Dasein nur von begrenzter Dauer ist. Uwe Böschemeyer gründete 1982 das Hamburger Institut für Existenzanalyse und Logotherapie. Er ist außerdem Direktor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsentwicklung und Autor zahlreicher Bücher wie zum Beispiel „Du bist viel mehr“ und „Machen Sie sich bitte frei“, die im Ecowin Verlag erschienen sind.

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Henri Lefebvre begibt sich auf eine Zeitreise durch die Modernität

Lange schon steht das „Moderne“ dem „Alten“ als Gegensatz gegenüber. Henri Lefebvre legt zur Frage „Was ist Modernität?“ eine Studie zur Geschichte der Bedeutungen des Begriffs „modern“ vor. Im Mittelalter hießen die gewählten und kooptierten Ratsmitglieder sowohl in den Städten mit Schöffenamt als auch in denen mit Konsuln die „Modernen“. Zur Unterscheidung nannten sich die, deren Mandat verfiel, die „Alten“. Im Begriff „Moderne“ waren laut Henri Lefebvre zwei Vorstellungen verschmolzen: die einer Erneuerung sowie die einer Regularität in der Erneuerung. Diese Vorstellung einer kreisläufigen Regelmäßigkeit im Wandel und einer Norm des Wandels tritt seiner Meinung nach jedoch bald in den Hintergrund. Der Terminus taucht nun in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens auf, vorab in der Kultur, allerdings durchweg mit einem polemischen Sinn behaftet.

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Aufgedeckte Lebenslügen stellen den Sinn des Lebens in Frage

Lebenslügen müssen sich nicht dadurch auszeichnen, dass man andere belügt. Viele Menschen machen sich auch selbst etwas vor. Was dann gefälscht wird, ist nicht die soziale Identität, sondern das Selbstbild. Man sieht und beurteilt sich so, wie man nicht ist. Peter Bieri nennt einfache, harmlose Irrtümer: „Es stellt sich heraus, dass man in einer Sache weniger Einfluss hat als angenommen; dass die Leistung weniger groß oder eine Verfehlung weniger schwerwiegend war als angenommen; dass einen der Tod eines Bekannten weniger berührt als vermutet.“ Harmlose Irrtümer im Selbstbild sind solche, die auch wenn sie aufgedeckt werden, die seelische Identität eines Menschen nicht ins Wanken bringen. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Ein Imperium herrscht über eine große Vielfalt von Ethnien

Ein Imperium ist eine politische Ordnung mit zwei entscheidenden Eigenschaften. Yuval Noah Harari nennt die erste Eigenschaft: „Um als Imperium zu gelten, muss es über eine ausreichende Zahl von verschiedenen Völkern herrschen, von denen jedes seine eigene kulturelle Identität und sein eigenes Territorium hat.“ Die zweite Eigenschaft eines Imperiums besteht darin, dass es über flexible Grenzen und einen potentiell grenzenlosen Appetit verfügt. Imperien können sich immer mehr Völker oder Gebiete einverleiben, ohne dabei ihre Struktur oder Identität zu verlieren. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Das heutige Großbritannien hat klar definierte Grenzen, die es nicht überschreien kann, ohne dass der Staat seine Struktur oder Identität völlig verändern würde. Aber vor einem Jahrhundert hätte fast jeder Ort auf der Erde Teil des Britischen Weltreichs werden können. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Eine eindeutige Schönheitsformel hat noch niemand gefunden

Die Titelgeschichte des neuen Philosophie Magazins Nr.03/2014 lautet „Was macht uns schön?“. Darin gehen die Autoren unter anderem der Frage nach, wonach wahre Schönheit verlangt. Da die Menschen heute in einer Zeit leben, in der sich alle Normen aufzulösen scheinen, wird gerade in Fragen der Schönheit der Normierungsdruck immer stärker. Während die Griechen die Schönheit noch mit dem Wahren und Guten gleichsetzten, unterliegt sie in der modernen Gesellschaft dem Verdacht der Oberflächlichkeit und Gedankenferne. Obwohl die Schönheit jeder ersehnt, bekommt sie niemand so recht zu fassen. „Nur eines scheint sicher: Ein Leben ohne Schönheit wäre schlicht unerträglich. Sie ist der wahre Preis unserer Existenz.“ Allerdings verfügten weder die Griechen noch die heutigen Attraktivitätsforscher über eine eindeutige Schönheitsformel. Denn allen propagierten Idealmaßen zum Trotz, scheinen subjektive Gefühle wie Liebe und Zuneigung die Optik so zu verwirren, dass selbst von dem unvollkommensten Menschen eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeht.

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Die deutschen Philosophie ist ein artifizielles Konstrukt

 Vittorio Hösle beschreibt in seinem Buch die Geschichte der deutschen Philosophie vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Ihr Sonderweg beginnt mit Meister Eckardt und Nicolaus Cusanus. Gottfried Wilhelm Leibniz und Immanuel Kant und die Fundierung der Geisteswissenschaften sind für Vittorio Hösle die Voraussetzung für die Synthese des Deutschen Idealismus. Arthur Schopenhauer, Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Friedrich Nietzsche lösen anschließend das Christentum und die bisher gültige Vernunftmetaphysik auf. Es folgen im frühen 20. Jahrhundert die Neubegründungen der Philosophie bei Gottlob Frege, bei den Neukantianern und in der Phänomenologie eines Edmund Husserl. Zur Philosophie des Nationalsozialismus zählt der Autor Martin Heidegger, Arnold Gehlen und Carl Schmitt. Georg Gadamer, Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas und Hans Jonas sind für Vittorio Hösle die großen Philosophen der Bundesrepublik. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame in den USA.

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In der Europäischen Union fehlt es an Entwicklungsperspektiven

Die europäische Einigung nach 1945 ist laut Dominik Geppert von einem eigenartigen Spannungsverhältnis geprägt. Einerseits boten die Europäische Gemeinschaft und später die Europäische Union (EU) ihren Mitgliedern praktische Vorteile. Sie erleichterten das Handeln über Grenzen hinweg und ermöglichten die Koordination politischer Pläne. Dominik Geppert erläutert: „Auf diese Weise halfen sie den Nationalstaaten, die ihnen angehörten, sich gegenüber den ökonomischen und politischen Herausforderungen des zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besser zu behaupten.“ Andererseits beinhaltete die europäische Einigung für Dominik Geppert von Beginn an auch die Perspektive einer Überwindung der Nationalstaaten durch die Integration. Im Vertrag von Maastricht war ausdrücklich vom Ziel einer immer engeren Einheit die Rede. Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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Die Spontaneität der Jugend lockt und fasziniert die Erwachsenen

Henri Lefebvre will in einem Essay nicht die Situation der Jugend in der zeitgenössischen Gesellschaft, samt ihren Problemen, darstellen, sondern zur Zerstörung der Mythen über die Jugend beitragen und zugleich den Platz dieser Gruppe innerhalb der modernen Gesellschaft sowie die Vielfältigkeit der damit verknüpften Fragen darstellen. Henri Lefebvre schreibt. „Der Mythos der Jugend, gleich dem des Proletariats besteht in einer Reihe philosophischer Behauptungen und ontologisch operierender Überinterpretationen, also solchen, die sich auf ein vorgeblich zu definierendes Sein beziehen.“ In diesem Sinne käme der Jugend ein eigenes Wesen zu, das für sich und durch sich selbst definiert wäre. Sie brächte also ihre besonderen Werte mit, ihre ganz eigene Erfahrung, im Gegensatz zu den angehäuften Erkenntnissen des Erwachsenendaseins. Eine Erfahrung, die sich dem Faktum des Beginnens und dem Geheimnis der Spontaneität verdankt.

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In gewissen Epochen häufen sich die Chancen auf ein neues Leben

Jede Epoche hatte dies kostbarste aller Güter: das Bild des erhofften, begehrten, möglichen „Neuen Lebens“. Henri Lefebvre schreibt: „Für das Neue Leben war man imstande zu sterben, folglich auch zu töten.“ Gekennzeichnet ist die Suche nach einem Neuen Leben durch eine mehr oder minder radikale Kritik des Bestehenden sowie die gründliche Zurückweisung der bestehenden Ordnung. Denn das Neue Leben ist bereits da, in der Nähe, ist möglich, fast gegenwärtig, allerdings noch unterdrückt im Abseits und harrt dort des Augenblicks der Befreiung. Das innovative Dasein, das etwas zum Vorschein bringen soll, ist indes nur scheinbar neu. Es ist absolut, außerhalb der Zeit – ebenso alt wie neu. Es ist mit den Worten Henri Lefebvres gesprochen Wiederholung, Wiedergeburt, Rückkehr zum Verlorenen, Wiederherstellung des Unverstümmelten sowie Auferstehung.

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Geschenke sollen das Wohlbefinden des Empfängers maximieren

Es ist ein Ausdruck von Freundschaft, wenn man dem Freund oder der Freundin ein Geschenk macht, wobei die Gaben unvermeidlich einen materiellen Aspekt haben. Bei manchen ist der Geldwert relativ unbedeutend, bei anderen kann er sehr hoch sein. In den letzten Jahrzehnten hat sich laut Michael J. Sandel ein Trend zu Geldgeschenken verstärkt. Seiner Meinung nach einem weiteren Beispiel für die zunehmende Umwandlung des gesellschaftlichen Lebens in Geschäftsbeziehungen. Ökonomen fällt es schwer, in Geschenken einen Sinn zu erkennen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es fast immer besser, statt eines Sachgeschenks Bargeld zu verschenken. Ein Geldgeschenk bringt ökonomisch den größten Nutzen. Michael J. Sandel ist politischer Philosoph, der in Oxford studiert hat und seit 1980 in Harvard lehrt. Seine Vorlesungen über Gerechtigkeit machten ihn zu einem der bekanntesten Moralphilosophen der Gegenwart.

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Frank Schirrmacher analysiert den Informationskapitalismus

Frank Schirrmacher stellt in seinem Buch „Ego“ die These auf, dass die Ökonomen den Seelenhaushalt des modernen Menschen ohne dessen Wissen okkupiert haben. Sie haben dazu ein Modell entwickelt, das von der Überlegung ausgeht, jeder Mensch würde ausschließlich an sich und seinen eigenen Vorteil denken. Laut Frank Schirrmacher hat eine Ära des Informationskapitalismus begonnen. Dieser will Gedanken lesen, die Menschen kontrollieren und ihnen möglichst viele Waren und Dienstleistungen verkaufen. Der Informationskapitalismus ist unablässig damit beschäftigt, herauszufinden, was Individuen tun, sagen, kaufen und welche Unternehmungen sie als nächste planen. Er ist ein System, das alles immer besser weiß. Frank Schirrmacher fügt hinzu: „Er spricht den Menschen das Recht ab, sich der Umwelt anders darzustellen, als sie sind. Was immer sie tun, es behauptet, dass sie es um des eigenen Vorteils willen tun.“ Frank Schirrmacher ist seit 1994 einer der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für sein Buch „Das Methusalem-Komplott“ erhielt er die Auszeichnung Journalist des Jahres 2004. Zuletzt erschien im Blessing Verlag im Jahr 2009 sein Buch „Payback“.

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Der Geist des Menschen ist ein vollkommen offenes System

Wolfgang Prinz vertritt in seinem neuen Buch „Die Welt im Spiegel“ die These, dass der Mensch eine Maschine ist, die ihre kollektive Welt erfindet. Er beantwortet in seinem Werk Fragen, die sich auf den Aufbau des menschlichen Geistes beziehen, das menschliche Denken betreffen und sich mit dem umstrittenen freien Willen des Menschen beschäftigen. Wolfgang Prinz stellt in diesem Zusammenhang eine Theorie des Geistes vor, die den traditionellen Rahmen der Kognitionspsychologie entscheidend erweitert. Sein Ansatz bietet Anknüpfungspunkte zur Philosophie, zur Neurowissenschaft und zur Sozialwissenschaft. Wolfgang Prinz ist emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie Honorarprofessor an den Universitäten München und Leipzig.

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Alexander Emmerich untersucht den Begriff des Amerikaners

Die Metapher der Neuen Welt ist laut Alexander Emmerich eine Erfindung der Europäer. Auf dem neu entdeckten Kontinent konnte es weder Geschichte noch Kultur von Bedeutung geben. Davon waren die Menschen in der Alten Welt überzeugt. Doch in Amerika entstand dennoch eine neue, für viele Auswanderer extrem anziehende Gesellschaft mit einem eigenen politischen System und großer ökonomischer Dynamik. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller nannte den neu entdeckten Kontinent nach dem Vornamen des Seefahrers Amerigo Vespucci „Amerika“. Wenn man heute von Amerikanern spricht, gibt es ganz verschiedene Auffassungen darüber, um wen es sich dabei eigentlich handelt. Im deutschen Sprachraum werden mit dem Begriff in der Regel die Menschen benannt, die in den Vereinigten Staaten von Amerika leben. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für atlantische Kulturgeschichte.

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Die Avantgarde der deutschen Winzer stellt sich vor

In ihrem Buch „Die Avantgarde der deutschen Winzer“ präsentieren die Autoren Ulrich Steger und Kai Wagner 46 herausragende Winzerpersönlichkeiten aus Deutschland und ihre Philosophie vom „Slow Wine“. Diese Weinmacher bauen die Reben naturschonend an und passen sich dabei den natürlichen Gegebenheiten an. Sie legen Wert auf ein Höchstmaß an handwerklicher Produktion und betonen besonders die regionale und kulturelle Identität ihrer Weine. Allen diesen Winzern gemeinsam ist die Leidenschaft für ihren Beruf und ein Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft. Ulrich Steger und Kai Wagner sind fest davon überzeugt, dass jeder große Wein zuerst im Kopf des Winzers entsteht. Sein Können, seine Erfahrungen sowie seine Persönlichkeit prägen den Wein, bei dessen Verkostung man die Rebsorte, den Jahrgang und möglicherweise sogar die Beschaffenheit des Bodens herausschmecken kann.

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