Im neuen Philosophie-Magazin 04/2015 setzt sich das Titelthema mit der Frage „Bin ich, was ich esse? auseinander. Dabei wird festgestellt, dass heute mehr denn je die Auswahl des Essens unter gesellschaftlichem Druck steht. Dabei bilden selbstgewählte Nahrungstabus das Zentrum der menschlichen Identität, ersetzen zunehmend religiöse und auch politische Erkenntnisse. Dr. Catherine Newmark, die am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin arbeitet, schreibt: „Die damit verbundenen Haltungen pendeln zwischen lebensfroher Heilserwartung und genussferner Hypersensibilität, revolutionärer Energie und Angst vor staatlicher Überregulierung. Sie zitiert in ihrem Beitrag Friedrich Nietzsche, der einst behauptete: „Oft entscheidet ein einziger Bissen Nahrung, ob wir mit einem hohlen Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen.“ Viele Menschen sind heutzutage geradezu besessen vom Essen, und das gerade nicht, weil es so schwer zu besorgen wäre.
Kapitalisten mögen den Wettbewerb nicht besonders
In der Rubrik „Dialog“ führt der norwegische Philosoph und Sozialwissenschaftler Jon Elster ein Gespräch mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Als Spezialist für die Spieltheorie denkt der Grieche entgegen dem herrschenden Trend, dass sich Kooperation mehr auszahlt als Einzelkämpfertum. Der griechische Politiker versucht seine europäischen Verhandlungspartner davon zu überzeugen, dass sie sich in Europa in einem kooperativen Spiel befinden und kein Recht mehr zu bluffen besitzen.
Zudem führt das Philosophie Magazin ein Gespräch mit dem englischen Geographieprofessor David Harvey. Mit einer ungewöhnlichen Theoriemischung aus Marxismus und Geographie legt der britische Denker die zentralen Widersprüche unserer Zeit frei. David Harvey glaubt nicht, dass das Kapital zwangsläufig unter der Last seiner eigenen Widersprüche zusammenbrechen wird. Es kann seiner Meinung nach ewig fortbestehen. David Harvey deckt in seinem Werk auch kapitalistische Mythen auf: „Es wird einem ja immer erzählt, dass es im Kapitalismus vorrangig um Wettbewerb geht. Aber in Wahrheit mögen Kapitalisten Wettbewerb nicht besonders. Sie mögen Monopole viel lieber.“
Das Gefühl der Schuld ist die Grundlage aller Existenz
Der Klassiker heißt in der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazins Fjodor Michailowitsch Dostojewski, der in seinen metaphysischen Romanen seine Leser tief in die Abgründe der menschlichen Natur blicken lässt. Die Menschen erscheinen darin als gespaltene Wesen, hin- und hergerissen von gegensätzlichen Kräften: Liebe und Hass, Wahrheit und Lüge, Gut und Böse – stets den Versuchungen ausgesetzt. Fjodor Michailowitsch Dostojewski zufolge sind alle Menschen schuldig. Das Gefühl der Schuld ist für ihn nichts Zufälliges, sondern die Grundlage aller Existenz.
Hartmut Rosa, Professor für Soziologie an der Universität Jena, vermisst in seinem Essay das Glück. Dabei stellt er folgendes fest: „Wessen Augen leuchten, der hat so etwas wie eine „vibrierenden Draht“, eine funkensprühende Verbindung zur Welt, und diese Verbindung bedeutet gelingendes Leben.“ Diese lässt sich nicht mit Geld kaufen und kann auch nicht allein mit Bildung erworben werden. Es ist also nicht die Ausstattung an Ressourcen, sondern die Qualität der Weltbeziehung, von der das menschliche Glück abhängig ist.
Von Hans Klumbies