Robert Menasse betont: „Konfrontiert mit all diesen Krisen – jede für sich eine große Herausforderung, sie alle zusammen eine dramatische Bedrohung – reichte es nicht mehr den Status quo zu verwalten, sich im mühsamen Ausgleich sogenannter nationaler Interessen zu erschöpfen und die Europapolitik zu nennen.“ Die Europäische Union (EU) muss sich jetzt bewegen, sich weiterentwickeln, die Möglichkeiten von Gemeinschaftspolitik ausbauen, um diese Krisen zu managen, mit denen kein einziger Mitgliedstaat bei Wahrung seiner nationalen Souveränität allein fertigwerden könnte. Diese Krisen zeigen das Rohe, das Halbfertige, das buchstäblich beschränkte des europäischen Projekts, mit dem die Mitgliedsstaaten die längste Zeit geglaubt hatten, weiter leben zu können. Aber diese Krisen, eine nach der anderen, führten immer wieder aufs Neue vor, dass das nicht funktioniert. Seit 1988 lebt der Romancier und kulturkritische Essayist Robert Menasse hauptsächlich in Wien.
Herausforderungen
Die Staaten der Welt stehen vor gigantischen Herausforderungen
In seinem neuen Buch „Das Jahrhundert der Toleranz“ beschreibt Richard David Precht die großen Herausforderungen, die auf die Staaten der Welt im 21. Jahrhundert zukommen. Außerdem fragt er, wie ein halbwegs friedliches Miteinander möglich sein könnte und wie es sich vermeiden lässt, dauerhaft in alte Muster der Feindschaft und Konfrontation zurückzufallen. Dabei nimmt er eine philosophische Perspektive ein und bietet seinen Lesern daher keine schnellen Lösungen. Denn in der Gesellschaft, in Politik und Kultur werden Herausforderungen und Krisen nicht durch Lösungen aus der Welt geschafft. Richard David Precht erläutert: „Für welche Maßnahmen man auch immer sich entscheidet, stets werden Schwierigkeiten verlagert, überformt, in den Hintergrund gestellt oder durch andere Schwierigkeiten ersetzt.“ Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.
Die Herausforderungen für die Menschheit sind gewaltig
Die größten Herausforderungen dieser Welt – Klimawandel, Migration, Epidemien, Kriege, Ungleichheiten – lassen sich weder „lösen“ noch „besiegen“. Rebekka Reinhard ergänzt: „Auch ganze Heerscharen weicher Helden, die Anarchie und Gewaltlosigkeit in sich vereinten, könnten uns nicht den Weltfrieden bescheren. Dafür können sie mit spielerischer Leichtigkeit den ineffizienten Heroismus durchkreuzen.“ Mit jedem Akt des „Nicht-Tuns“. Bis der Lauf der Welt sich in eine andere Richtung dreht. Bis man sieht, dass die durch Schwerter, Bomben und Granaten, Strafen und Sanktionen erzeugten Risse im Gewebe der Welt allen schaden. Weil auf dem Planeten Erde nichts isoliert existiert. Sondern alles mit allem verwoben und in seiner Freiheit und Verletzlichkeit auf anderes angewiesen ist. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.
Konrad Paul Liessmann macht sich Gedanken über die Schule
„Nirgendwo wird so gerne über Utopien, bessere Rahmenbedingungen, ideale Betreuungsverhältnisse, innovative Didaktiken, neue Möglichkeiten, Aufgaben und Herausforderungen schwadroniert wie in Fragen der Bildung,“ behauptet Konrad Paul Liessmann. Und nirgendwo hält sich die hartnäckige Klage länger, dass sich nichts ändert, alles erstarrt und verknöchert ist, frontal vorgetragen wird, was dann auswendig gelernt werden muss, selektiert statt gefördert wird, alles verstellt und blockiert wird durch Überbleibsel aus der Vergangenheit, die endlich beseitigt werden müssen. Tatsächlich gibt es, vielleicht mit Ausnahme der katholischen Kirche, keine Institution, die so sehr unter Verdacht steht, sich allen Veränderungen zu verweigern, wie die Schule. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Rebekka Reinhard erforscht die Absurdität
Die Erfahrung des Absurden machen laut Rebekka Reinhard nicht nur Jugendliche. Ganz im Gegenteil stellt die Absurdität die Standardsituation des modernen Menschen dar, der sich zwar damit abgefunden hat, dass kein Gott mehr sein Flehen erhört, dass sich ihm die Welt in der er lebt, schrecklich gleichgültig zeigt. Dennoch kann es der Mensch nicht lassen dieser Welt seinen Stempel aufzudrücken. Beispielsweise indem er in den Krieg zieht oder Bakterien mit künstlichem Erbgut produziert. Rebekka Reinhard schreibt: „ Im Alltag verbindet sich das Absurde mit der fraglosen Akzeptanz routinemäßiger Vorgänge.“ Die meisten Menschen freunden sich mit ihrer absurden Lage an, gewöhnen sich an sie, sie funktionieren.
Roland Berger stellt sein Vier-Säulen-Programm für Europa vor
Die Europäische Union (EU) ist der größte Wirtschaftsraum der Welt und steht dennoch vor gewaltigen Herausforderungen. So ist zum Beispiel die Wettbewerbsfähigkeit mangelhaft, die Jugendarbeitslosigkeit untragbar hoch, das Wachstum gering und die Verschuldung gigantisch. Weitere Rettungspakete für Griechenland und andere Krisenländer sind nicht ausgeschlossen, die die Glaubwürdigkeit des Euro erneut gefährden würden. Selbst im hochgelobten Deutschland gibt es viel zu tun. Der Berater-Doyen Roland Berger hat sich deshalb Gedanken gemacht, wie man Europa zukunftsfest machen könnte. Sein Programm für wirtschaftlich stabiles Europa besteht aus vier Säulen. Roland Berger (76) ist Deutschlands bekanntester Politik- und Unternehmensberater. Im Jahr 1967 gründete er die Roland Berger Strategy Consultants, in deren Aufsichtsrat er noch heute als Ehrenvorsitzender über die Geschäfte wacht.
In Gefahrensituationen ist gesunder Stress überlebensnotwendig
Seine Entwicklungsgeschichte hat dem Menschen die Fähigkeit verliehen, mit Gefahren und Herausforderungen durch neue Situationen ganz gut fertigzuwerden. Dabei spielt die Stressreaktion eine bedeutende Rolle. Kurt Langbein fügt hinzu: „Würde Stress keine körperlichen Auswirkungen haben, hätten es unsere Vorfahren nicht weit geschafft.“ Alle Reaktionen, die unter dem Begriff Stress zusammengefasst werden, bewirken zunächst einmal nichts, was die Gesundheit beeinträchtigen könnte. Eher ist das Gegenteil der Fall: In akut bedrohlichen Situationen wird der Kreislauf und die Atmung aktiviert, das Schmerzempfinden heruntergefahren, jede Zelle im Körper auf den Modus für Höchstleistungen geschaltet und das Immunsystem vorsorglich angekurbelt. Kurt Langbein studierte in Wien Soziologie und ist seit 1992 geschäftsführender Gesellschafter der Produktionsfirma Langbein & Partner Media. Er ist unter anderem Autor des Bestsellers „Bittere Pillen“. Sein aktuelles Buch heißt „Weissbuch Heilung“ und ist im Ecowin Verlag erschienen.
In der Europäischen Union fehlt es an Entwicklungsperspektiven
Die europäische Einigung nach 1945 ist laut Dominik Geppert von einem eigenartigen Spannungsverhältnis geprägt. Einerseits boten die Europäische Gemeinschaft und später die Europäische Union (EU) ihren Mitgliedern praktische Vorteile. Sie erleichterten das Handeln über Grenzen hinweg und ermöglichten die Koordination politischer Pläne. Dominik Geppert erläutert: „Auf diese Weise halfen sie den Nationalstaaten, die ihnen angehörten, sich gegenüber den ökonomischen und politischen Herausforderungen des zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besser zu behaupten.“ Andererseits beinhaltete die europäische Einigung für Dominik Geppert von Beginn an auch die Perspektive einer Überwindung der Nationalstaaten durch die Integration. Im Vertrag von Maastricht war ausdrücklich vom Ziel einer immer engeren Einheit die Rede. Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Die Menschheit befindet sich mitten im Klimawandel
Mit der Verlässlichkeit stabiler Wetterlagen scheint es vorbei zu sein. Wir befinden uns laut Daniel Goeudevert mitten im Klimawandel. Obwohl das der eine oder andere Experte anders sieht und weiterhin seine wissenschaftlichen Zweifel pflegt, ob Erderwärmung und Wetterextreme wirklich durch menschlichen Einfluss verursacht sind. Daniel Goeudevert kritisiert, dass diese Wissenschaftler den Irrtum längst zu ihrem Hauptfeind erklärt haben und nur noch das mit Gewissheit Wissbare gelten lassen. Er schreibt: „Sobald Antworten mit dem Makel irgendeines Zweifels behaftet sind, erklären sie sich lieber für nicht zuständig. So erhalten sie ihre Unschuld und können im strengen Sinne niemals irren. Aber diese scheinbar rationale Strenge ist nur um den Preis der eigenen Borniertheit aufrechtzuerhalten, denn es handelt sich hierbei im Grunde um nichts anderes als um eine Kapitulation vor der Komplexität der Wirklichkeit.“
Tim Jackson fordert eine andere Makroökonomie
Tim Jackson, Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey, glaubt, dass die Konsumgesellschaft wild entschlossen zu sein scheint, auf die Klimakatastrophe zuzusteuern. Das System lässt sich seiner Meinung nach allerdings auch nicht so einfach umbauen. Eine komplette Kehrtwende könnte die Menschheit sogar noch schneller ins Verderben führen. Änderungen in kleinen Schritten reichen aber mit Sicherheit auch nicht. Gar nichts bringt es, sich in eine Art Fatalismus zu flüchten, das heißt, hinzunehmen, dass der Klimawandel unausweichlich, die Welt ungleich ist, sich vielleicht sogar mit dem kommenden gesellschaftlichen Zusammenbruch abzufinden. Der Nachhaltigkeitsexperte hält diese Reaktion zwar für verständlich, auf keinen Fall für konstruktiv, da sie nicht unausweichlich ist. Es gibt immer Alternativen, auch wenn manche Politiker das Gegenteil behaupten.
Heiner Flassbeck fordert eine neue Marktwirtschaft
Heiner Flassbeck stellt in seinem neuen Buch „Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“ die These auf, dass ein neues Wirtschaftswunder machbar ist, wenn man die vier großen Aufgabengebiete Finanzen, Handel, die soziale sowie die ökologische Absicherung erfolgreich miteinander verbindet. Gleichzeitig fordert der Autor eine radikale Reform der Parteiendemokratie und des Lobbyismus. Die Marktwirtschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn sie in ein System verwandelt wird, das nicht dazu da ist, einigen Wenigen Reichtum zu ermöglichen, sondern ganz im Gegenteil allen Bürgern eine systematische Chance auf die Verbesserung ihrer Lebensumstände gibt. Heiner Flassbeck arbeitet seit dem Jahr 2000 bei den Vereinten Nationen in Genf und ist dort als Direktor zuständig für die Division Entwicklung und Globalisierung.