Eine kitschige Weltsicht verspricht Halt und Orientierung

Die Rationalität ist der Treibstoff des wissenschaftlichen Denkens, von sachlicher Abwägung und nutzenorientiertem Pragmatismus. Genau hierin aber wittert die sentimentale Seele die Ursache für die Ausbeutung, Ungleichheit, der Unfähigkeit zum Frieden und die Zerstörung der Natur. Alexander Grau fügt hinzu: „Diesem imaginierten Szenario der Entfremdung setzt das kitschige Bewusstsein eine Version absoluter Empathie, Gefühligkeit und Harmonie entgegen.“ Nur sie sind in der Lage, bestimmte Normen und Verhaltensweisen zu entwickeln. Diese sollen nicht nur einen schonenden Umgang der Menschen untereinander ermöglichen, sondern auch des Menschen mit der Natur. Dass in der Natur selbst Kategorien wie Empfindsamkeit, Empathie und Achtsamkeit überhaupt nicht vorkommen, stört das kitschige Gemüt naturgemäß wenig. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Manchmal verwirft das Gehirn völlig zutreffende Informationen

Nach Daten zu suchen und diese auf eine Weise zu interpretieren, die die eigene vorgefasste Meinung festigt, wird in der Psychologie als „Bestätigungsfehler“ bezeichnet. Er gehört zu den stärksten Befangenheiten des Menschen. Tali Sharot erklärt: „Da Sie sich nun dieses Umstands bewusst sind, werden Ihnen vermutlich tagtäglich Menschen ins Auge springen, die genauso denken und handeln: Argumente beiseite wischen, die ihnen nicht gefallen und sich solche zu eigen machen, die ihnen zupass kommen.“ Diese Neigung ist sehr unterschiedlich ausgeprägt: Manche Menschen sind viel stärker damit behaftet als andere. Menschen mit höher entwickeltem analytischem Denken verdrehen Daten mit größerer Wahrscheinlichkeit als Menschen, die im logischen Schlussfolgern weniger geübt sind. Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaften promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London.

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Der Mensch gibt sich durch die Verwendung von Zeichen Sinn und Orientierung

Laut Ernst Cassirer (1874 – 1945) ist der Mensch vor allem ein zeichenverwendendes und zeichenhervorbringendes Wesen – ein „animal symbolicum“. Wolfram Eilenberger ergänzt: „Er ist mit anderen Worten ein Wesen, das sich selbst und seiner Welt durch die Verwendung von Zeichen Sinn, Halt und Orientierung gibt. Das wichtigste Zeichensystem des Menschen ist dabei seine natürliche Muttersprache.“ Doch gibt es zahlreiche andere Zeichensysteme – in Ernst Cassirers Begrifflichkeit: „symbolische Formen“ –, etwa die des Mythos, der Kunst, der Mathematik oder der Musik. Diese Symbolisierungen, seien es sprachliche, bildliche, akustische oder gestische Zeichen, verstehen sich in der Regel nicht von selbst. Der fortlaufende Prozess, in dem Zeichen in die Welt gesetzt und durch andere Menschen interpretiert und verändert werden, ist der Prozess der menschlichen Kultur. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.

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Wolfram Eilenberger beschreibt das wichtigste Jahrzehnt der deutschen Geistesgeschichte

Die Hauptfiguren in Wolfram Eilenbergers neuem Buch „Zeit der Zauberer“ sind die großen Denker Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin und Ernst Cassirer. In den Lebenswegen und dem revolutionären Denken dieser vier Ausnahmephilosophen sieht der Autor den Ursprung der heutigen Welt begründet. Ludwig Wittgenstein ist der Verfasser des legendären Werks „Tractatus-logico-philosophicus“. Er beendet das Buch in dem festen Bewusstsein, sämtliche Probleme des Denkens „im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben“. Martin Heidegger hatte im Frühjahr 1927 mit „Sein und Zeit“ sein Hauptwerk veröffentlicht, das binnen weniger Monate als neuer Meilenstein des Denkens anerkannt war. Ernst Cassirer veröffentlichte eine dreiteilige „Philosophie der symbolischen Formen“. Dieses Werk etablierte ihn als unbestrittenes Haupt des Neukantianismus und damit der führenden akademischen Strömung der deutschen Philosophie. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie“ im Schweizer Fernsehen.

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Die Verblödung aus Bequemlichkeit ist in Deutschland weit verbreitet

Unbändiger Hass, krude Verschwörungstheorien, die Suche nach autoritären antidemokratischen Leitfiguren – dahinter verbirgt sich für Jürgen Roth vielmehr als die Angst vor den Herausforderungen der Globalisierung oder vor den Fremden: „Viele Menschen sind verunsichert, die fehlenden stabilen Beschäftigungsverhältnisse, als das führt zu Ängsten vor der Zukunft. Und die politischen Eliten haben darauf immer noch keine befriedigende Antwort gefunden.“ Doch Unsicherheit und Angst sind die Seele des Spießers, der Haltegriff für die Mentalität eines Blockwarts, die Psyche der Empfänger von Befehlen. Das ist nicht nur das Einfallstor für Argumente, sondern auch für die Gewalt. Deshalb suchen sich die Ängstlichen, also die sogenannten besorgten Bürger, die Schwächsten einer Gesellschaft als Ventil für ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen aus. Jürgen Roth gilt als einer der bekanntesten Vertreter des investigativen Journalismus in Deutschland.

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Das Leben wird stark vom Denken geprägt

Die meisten Menschen leben, was sie denken. Hinter den Phänomenen der Oberflächen ihres Einschätzens, Verhaltens und Entscheidens im Alltag erheben sich philosophische Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Ludger Pfeil erklärt: „Sie sind errichtet als Annahmen über die erfahrbare Welt und was über sie hinausgehen könnte, über richtiges Denken und Kommunizieren, über unser Zusammenleben in Beziehungen und in der Gesellschaft und bilden damit unausgesprochene philosophische Theorien, die maßgeblich prägen, was wir wahrnehmen und wie wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen einordnen und miteinander verknüpfen.“ Was und wie ein Mensch denkt, beeinflusst, wie er die Welt betrachtet, wie er mit sich selbst, anderen Menschen und Dingen umgeht, was er für wichtig und unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Ludger Pfeil stellt neun philosophische Denkweisen vor

In seinem Buch „Du lebst, was du denkst“ will Ludger Pfeil seinen Lesern mit der Aufdeckung philosophischer Hintergründe begreiflich machen, warum ein Mensch denkt, was er denkt. Menschen denken unterschiedlich. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, deshalb vergessen es viele Menschen gerne und sind enttäuscht, wenn sie sich nicht verstanden fühlen. Doch gerade bei wichtigen Fragen und Entscheidungen ist die eigene Perspektive alles andere als allgemeingültig, denn man argumentiert vor dem Hintergrund unausgesprochener Grundannahmen, die man sich selten bewusst macht. Hinter diesen Phänomenen verbergen sich die philosophischen Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Sie bestimmen, wie und was ein Mensch denkt, wie er die Welt betrachtet und wie er mit sich selbst und anderen Menschen umgeht, was er für wichtig oder unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft.

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Die Welt existiert als Wille und Vorstellung

Das Leben ist voller Leiden, und es wäre besser, nicht geboren worden zu sein. Nur wenige Menschen haben eine so pessimistische Weltsicht wie Arthur Schopenhauer (1788 – 1860). Seiner Meinung nach sind die Menschen alle in einem Teufelskreis gefangen, in dem sie Dinge wollen, sie bekommen, nur umso gleich wieder neue Dinge zu wollen. Dies setzt sich bis zum Tod fort. Nigel Warburton ergänzt: „Wir sind nie zufrieden, hören nie auf, nach mehr zu verlangen, als wir besitzen. Das ist in der Tat alles sehr deprimierend.“ Aber Arthur Schopenhauers Philosophie ist nicht ganz so düster wie sie klingt. Er dachte, wenn man lediglich das wahre Wesen der Wirklichkeit erkennen würde, käme es zu ganz anderen Verhaltensweisen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Aufklärung steht im Zeichen der Menschenrechte

Unter Aufklärung wird jene Epoche verstanden, in der sich in Europa beziehungsweise in den USA die Auffassung durchsetzte, dass weder die Ständeordnung noch das Gottesgnadentum der Monarchie auf Dauer durchsetzbar waren. Die Theorie der Gewaltenteilung setzte sich durch und die Menschenrechte wurden in die amerikanische Verfassung von 1776 aufgenommen. Ebenso bedeutsam war die Déclaration des droits de l´homme et du citoyen von 1789, die einer auf Freiheit, politischer Gleichheit und Selbstständigkeit der Individuen abhebende Weltsicht Platz schaffte. Die Aufklärung war sich ihrer geschichtlichen Besonderheit durchaus bewusst. Dies erhellen ihre Selbstthematisierung und die Wahl der Bildlichkeit beziehungsweise Begrifflichkeit für das eigene Tun. So beginnt beispielsweise für Alexander Pope mit Isaac Newtons wissenschaftlicher Revolution in der Physik eine Epoche des Lichts.

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Woody Allens Filme kosten weit unter 20 Millionen Dollar

Der amerikanischen Regisseur Woody Allen erhält auch im Alter von 79 Jahren noch immer aus vielen Ländern Finanzierungsangebote für seine Filmprojekte. In den letzten Jahren erreichten ihn Anfragen aus Brasilien, Argentinien, Schweden, Russland und China. Woody Allen braucht im Vergleich zu den Hollywoodproduktionen nicht viel Geld für seine Filme – weit unter 20 Millionen Dollar. Und es lohnt sich für die Investoren als weltweite Werbung für ihre Stadt, wenn Woody Allen dort einen Film dreht. Der Regisseur erklärt: „Für „Match Point“ bin ich 2005 nach London, weil in New York die Finanzierung geplatzt war. Seitdem drehe ich sehr gerne in anderen Ländern – aber nur wenn ich für den jeweiligen Ort auch eine zündende Idee habe. Der Bürgermeister von Rio ist ein großzügiger Mann, doch wenn mir nichts Passendes einfällt, ist die schönste Stadtkulisse nutzlos.“

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Alexandre Lacroix dringt in das Gedankenreich der Inka vor

Alexandre Lacroix hat in der Inkastadt von Ollantaytambo das Denkuniversum dieser Zivilisation erforscht. In seiner klassischen Form hat das Inkareich nur von 1400 bis 1533 bestanden, bevor es von den Truppen Francisco Pizarros zerschlagen wurde. Betrachtet man aber, welche Bauten die Inka errichtet haben, spürt man deutlich, dass es da technische Kenntnisse und, mehr noch, eine verblüffende Vernunft am Werk gegeben haben muss. Alexandre Lacroix fügt hinzu: „Nur handelt es sich dabei offensichtlich nicht um die griechische Rationalität. Was wir im Abendland recht bald getrennt haben, findet sich hier noch vereint, als befände ich mich diesseits aller für unsere Weltsicht konstitutiven Dualismen.“ Es gibt zum Beispiel weder einen Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Architektur noch zwischen Natur und Kultur. Der Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Alexandre Lacroix ist Chefredakteur des französischen Philosophie Magazine.

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Die Spontaneität der Jugend lockt und fasziniert die Erwachsenen

Henri Lefebvre will in einem Essay nicht die Situation der Jugend in der zeitgenössischen Gesellschaft, samt ihren Problemen, darstellen, sondern zur Zerstörung der Mythen über die Jugend beitragen und zugleich den Platz dieser Gruppe innerhalb der modernen Gesellschaft sowie die Vielfältigkeit der damit verknüpften Fragen darstellen. Henri Lefebvre schreibt. „Der Mythos der Jugend, gleich dem des Proletariats besteht in einer Reihe philosophischer Behauptungen und ontologisch operierender Überinterpretationen, also solchen, die sich auf ein vorgeblich zu definierendes Sein beziehen.“ In diesem Sinne käme der Jugend ein eigenes Wesen zu, das für sich und durch sich selbst definiert wäre. Sie brächte also ihre besonderen Werte mit, ihre ganz eigene Erfahrung, im Gegensatz zu den angehäuften Erkenntnissen des Erwachsenendaseins. Eine Erfahrung, die sich dem Faktum des Beginnens und dem Geheimnis der Spontaneität verdankt.

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Für Robert Spaemann muss alles denkbar sein

Der katholische Philosoph Robert Spaemann ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass die Medien über ihn immer wieder berichteten, er sei päpstlicher als der Papst. Zuletzt hat er vehement für den Vatikan Partei ergriffen, als die katholische Kirche für ihren Umgang mit der Pius-Brüderschaft im Kreuzfeuer der Kritik stand. Parteinahmen wie diese haben Robert Spaemann immer wieder dem Verdacht ausgesetzt, dass seine philosophischen Thesen nur ein Ausfluss seiner katholischen Glaubensüberzeugungen seien. Robert Spaemann bestreitet allerdings, dass der Katholizismus der Grund seines Denkens ist, sondern dass er ebenso wie sein Denken das Ergebnis einer bestimmten Art ist, die Welt anzuschauen.

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Hermann Melville schreibt mit "Moby Dick" Weltliteratur

Herman Melvilles genialer Roman „Moby Dick“ gehört zu den berühmtesten Werken der Weltliteratur. Der dramatische Zweikampf Kapitän Ahabs mit dem weißen Wal ist zu einen Symbol geworden für die allgemeine Auseinandersetzung zwischen Mensch und den unberechenbaren Naturgewalten, auf die der einzelne keinen Einfluss hat. Kapitän Ahab, die zentrale Figur des Romans „Moby Dick“, steht als Symbol für die eingeschränkte Weltsicht eines Menschen, der nur die eigene Wahrheit gelten lässt. In seiner sich selbst zerstörenden Jagd auf den weißen Wal lehnt er sich wie Prometheus gegen die Natur und sein Schicksal auf.

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