Der Individualismus hat alle gleich gemacht

Das Zeitalter des ersten Individualismus erstreckte sich von 1800 bis in die 1960er Jahre. Es handelt sich dabei um jenen paradoxen Individualismus, der alle gleich gemacht hat. Isolde Charim erklärt: „Damals bedeutete Individualismus Abstraktion von Herkunft, Abstraktion von sozialer Stellung, Abstraktion von partikularen Bestimmungen. So entstand das >Individuum des Universellen<, wie Pierre Rosanvallon es nennt – die Grundlage des demokratischen Subjekts als Wähler, als juristisches Subjekt.“ Jenes Subjekt, das sich über die Abstraktion, über das Absehen von seinen konkreten Bestimmungen vergesellschaftete. Individualismus bedeutete also nicht Vereinzelung, sondern Eintritt als abstrakt Gleicher, als Citoyen in die Gesellschaft. Es war dies aber auch die Grundlage des nationalen Typus, der dem Einzelnen eine Gestalt angeboten hat. Das war eine allgemeine Gestalt jenseits seiner ganz individuellen, partikularen Bestimmung. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Technik und Genetik sollen den Menschen verbessern

Aktuell arbeitet die Menschheit an einem Entwurf des perfekten Menschen. Es geht um die Verbesserung und Veränderbarkeit des Menschen in einem neuen Sinn. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Nicht durch Erziehung und Bildung, nicht durch Moral, Aufklärung und eine humanistische Kultur soll die Verbesserung des Menschengeschlechts erreicht werden, wohl aber durch Technik und Genetik.“ Für den Soziologen Dierk Spreen befindet sich die moderne Gesellschaft schon jetzt in einer „Enhancement-Gesellschaft“, in der vor allem die Optimierung des Körpers durch Manipulationen, Zusammenschlüsse mit Mikromaschinen und Prothesen zu einem alltäglichen Phänomen geworden ist. Unübersehbar ist auch ein sich allmählich wandelndes Selbstverständnis des Menschen, ein Wandel des Menschenbildes. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Das deutsche Bürgertum kritisiert die Prinzipien des Liberalismus

Der Schock der sogenannten Gründerkrise von 1873 bis 1879 führte zu einer weitreichenden Umorientierung größerer Teile des deutschen Bürgertums. Die Kritik an den Prinzipien des Liberalismus wurde lauter – sie bezog sich auf die freie, vom Staat weitgehend unabhängige Marktwirtschaft, auf den Freihandel, aber auch auf die politischen Maximen der Liberalen. Ulrich Herbert fügt hinzu: „Lauter wurde vor allem der Ruf nach einem stärkeren Eingreifen des Staates in die Wirtschaft: Er sollte den nationalen Markt gegen die verstärkt zu spürende Konkurrenz aus dem Ausland schützen und die mit dem Industriekapitalismus verbundenen Risiken für die deutschen Produzenten vermindern.“ Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Serge Latouche vertritt das Konzept der Wachstumsrücknahme

In der jüngsten Zeit ist in den unterschiedlichsten Medien der Begriff „Degrowth“ zu lesen. Selbst die Politik beschäftigt sich seit Neuestem mit der Wachstumsrücknahme – nicht nur die Grünen. Serge Latouche fügt hinzu: „Außerdem steht Degrowth im Mittelpunkt der zunehmend militanten regionalen wie lokalen Proteste gegen Großprojekte.“ In Italien und Frankreich und neuerdings auch in Spanien und Belgien bilden sich spontan Gruppen die dem unendlichen Wachstum kritisch gegenüberstehen. Sie organisieren Demonstrationen und Protestmärsche und richten Netzwerke ein. Außerdem ist der wachstumskritische Ansatz die Basis von individuellen wie gemeinschaftlichen Aktionen. Dazu zählen auch Zusammenschlüsse von Verbrauchern, die einen bewusst schlichten Lebensstil propagieren. Serge Latouche ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud. Der Ökonom und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Vordenker des französischen Konzepts der Rücknahme des Wachstums.

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Ein Imperium herrscht über eine große Vielfalt von Ethnien

Ein Imperium ist eine politische Ordnung mit zwei entscheidenden Eigenschaften. Yuval Noah Harari nennt die erste Eigenschaft: „Um als Imperium zu gelten, muss es über eine ausreichende Zahl von verschiedenen Völkern herrschen, von denen jedes seine eigene kulturelle Identität und sein eigenes Territorium hat.“ Die zweite Eigenschaft eines Imperiums besteht darin, dass es über flexible Grenzen und einen potentiell grenzenlosen Appetit verfügt. Imperien können sich immer mehr Völker oder Gebiete einverleiben, ohne dabei ihre Struktur oder Identität zu verlieren. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Das heutige Großbritannien hat klar definierte Grenzen, die es nicht überschreien kann, ohne dass der Staat seine Struktur oder Identität völlig verändern würde. Aber vor einem Jahrhundert hätte fast jeder Ort auf der Erde Teil des Britischen Weltreichs werden können. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Wolfgang Schmidbauer kämpft gegen den Konsumismus

Wolfgang Schmidbauer behauptet in seinem neuen Buch „Das Floß der Medusa“, dass die Häufung der gegenwärtigen Krisen ohne Vorbild in der Geschichte sei. Er zählt dazu den Klimawandel, die Energiekrise, das Chaos in der Geldwirtschaft, den weltweiten Terror sowie das Elend des Millionenheers von Flüchtlingen. Wolfgang Schmidbauer kritisiert, dass die Regierungen der Welt noch immer an der Illusion des grenzenlosen Wachstums festhalten, obwohl es auf der Erde überall lichterloh brennt. Der Autor ist fest davon überzeugt, dass die Menschen sich in den nächsten Jahren in einem bisher noch kaum vorstellbaren Maß, nicht nur mit Katastrophen und Krisen, sondern mit Transformationen beschäftigen müssen. Wolfgang Schmidbauer schlägt vor: „Um in Zukunft sicher zu überleben, müssen die Menschen Gruppen bilden, gemeinsam lernen, neue Allmenden organisieren und verschüttete Begabungen fördern. Wolfgang Schmidbauer arbeitet neben seiner schriftstellerischen Arbeit auch als Lehranalytiker und Paartherapeut in München.

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Andreas Salcher plädiert für Mut und Engagement

Um die Frage „Was für eine Welt übergeben wir der nächsten Generation?“ zu beantworten ist Andreas Salcher weit gereist und hat viele Interviews geführt. Seine Ergebnisse hat er in dem Buch „Ich habe es nicht gewusst“ zusammengefasst. Die beste Nachricht, die Andreas Sacher seinen Mitmenschen übermitteln kann, ist, dass sie sich nicht der Ohnmacht ergeben müssen. Er sagt: „Du kannst in deinem Leben viel bewegen. Und das Schöne dabei ist: Wenn du einen Schritt in die richtige Richtung machst, wirst du wie an einem Gummiband weitergezogen.“ Andreas Salcher fordert die Menschen auf, irgendwann Widerstand zu leisten, da sie sonst zu gedankenlosen Mitläufern würden.

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