Der Mensch ist für den Untergang der Natur verantwortlich

Das neue Ausgabe des philosophischen Wirtschaftsmagazins agora42 handelt von den vielfältigen Beziehungen zwischen Natur und Wirtschaft. Wobei festzuhalten ist, dass der Naturbegriff alles andere als eindeutig ist. Der Philosoph Hans Jonas und andere haben darauf hingewiesen, dass Menschen gut daran tun, ihre natürlichen Lebensgrundlagen und ihre gesamte Mitwelt nicht in rasantem Tempo zu zerstören, weil sie für viele, vor allem systemische Funktionen der Natur, keinen technischen Ersatz haben. Das Erschreckende ist: An jedem einzelnen Tag verschwinden auf der Erde 150 Arten – auf das Jahr gesehen sind das mehr als 58.000 Spezies. In Deutschland ist die Biomasse an Fluginsekten in den letzten 30 Jahren laut einer Studie um drei Viertel zurückgegangen. Schuld daran sind die industrielle Landwirtschaft, die Nutzung von Düngemitteln und Pestiziden sowie die Klimaveränderung.

Millionen Hektar Ackerland verwandeln sich in Wüsten

Für Birger P. Priddat, Seniorprofessor für Wirtschaft und Philosophie an der privaten Universität Witten/Herdecke, fußt die neuzeitliche Ökonomie im Kern auf der Unsicherheit, die der Mensch auszuhalten lernen muss. Sie soll die Selbsterhaltung der Menschen dauerhaft organisieren und damit diejenige Sicherheit gewährleisten, die vordem die göttliche Weltordnung bot. Bei John Locke garantiert die Arbeit die Selbsterhaltung und den Fortbestand der Gesellschaft. Aber erst die Institutionalisierung einer monetären Ökonomie sichert den dauerhaften Erhalt des Erarbeiteten.

Tanja Will, Magazinmacherin bei agora42 schreibt in ihrem Beitrag über die Ausbreitung von Wüstengebieten und die innere Verwüstung: „Zwei Arten von Wüsten breiten sich aus: Während weite Landstriche da draußen veröden, bekämpft der Mensch seine innere Leere, die ihm den Antrieb zu nehmen scheint.“ Fünf bis sieben Millionen Hektar Ackerland verwandeln sich pro Jahr in unfruchtbare Wüsten. Die geistige Wüste ist dagegen ein Ort der Desorientierung, steht für das Alleinsein und wird als Ort gedacht, der sich nicht gestalten und verändern lässt – als Unort.

Grünes Wachstum ist nicht realistisch

Das große Interview der aktuellen Ausgabe führte agora42 mit Reinhard Loske, der seit Februar 2019 Präsident der Cusanus Hochschule ist. Auf die Frage, welche Bedeutung die Natur in der Wirtschaft hat, antwortet Reinhard Loske: „Der Marxismus und der Kapitalismus neigen systematisch dazu, die Rolle der Natur bei der Wertschöpfung zu reduzieren oder gar auszublenden. Man kann also von einer Naturvergessenheit der ökonomischen Theorie der Moderne sprechen.“ Kritisch steht der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Idee des grünen Wachstums gegenüber. Denn diese Philosophie suggeriert, dass alles so bleiben könnte, wie es ist – es müsse nur auf grün umgestellt werden. Das ist nicht realistisch.

Christoph Sanders und Martin Krobach, die beide für das Konzeptwerk Neue Ökonomie arbeiten, vertreten die These, dass es direkt etwas mit dem Menschen selbst zu tun hat, wie er mit der Natur umgeht – mit seinem Bild von der Welt und seinem zwischenmenschlichen Umgang. Der Kern des modernen Naturverhältnisses liegt in der Beherrschung der Natur. Die Gesundheitswissenschaftlerin Andrea S. Klahre weist darauf hin, dass die Formel Hochkonjunktur und Prosperität durch beständige Beschleunigung nicht mehr stimmt. Schon der englischen Ökonom John Maynard Keynes glaubte, dass die Tragödie der Wohlstandsgesellschaft darin besteht, dass sie mit der freien Zeit, die sie sich immer gewünscht hat, nichts anzufangen weiß.

Von Hans Klumbies