Das Smartphone entdinglicht die Welt

Das Smartphone ist der Hauptinfomat der Gegenwart. Byung-Chul Han erklärt: „Es macht nicht nur viele Dinge überflüssig, sondern entdinglicht die Welt, indem es sie auf Informationen reduziert. Auch das Dingliche am Smartphone tritt zurück zugunsten Informationen.“ Man nimmt es nicht eigens wahr. Dem Aussehen nach unterscheiden sich Smartphones kaum voneinander. Die Menschen blicken durch sie hindurch in die Infosphäre. Eine analoge Uhr versorgt sie zwar mit zeitbezogenen Informationen, aber sie ist kein Infomat, sondern ein Ding, ja auch ein Schmuck. Das Dingliche ist ihr zentraler Bestandteil. Die von Informationen und Infomaten beherrschte Gesellschaft ist schmucklos. Schmuck bedeutet ursprünglich prächtige Kleidung. Undinge sind nackt. Charakteristisch für die Dinge ist das Dekorative, das Ornamentale. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Menschliche Säuglinge sind hilflos

Das Gehirn von Menschenbabys ist bei der Geburt „unausgereift“. Es benötigt Jahre der Feinabstimmung, um zur Reife zu gelangen. Deshalb sind menschliche Säuglinge hilflos. Menschen benötigen einige Jahre, bevor sie ohne Hilfe und sicher gehen, und noch viele weitere Jahre, bis sie sich materiell selbst versorgen können. Oded Galor stellt fest: „Doch ungeachtet dieser Nachteile stellt sich die Frage, was überhaupt zur Entwicklung des menschlichen Gehirns geführt hat. Forschern zufolge könnten verschiedene Kräfte gemeinsam zu diesem Prozess beigetragen haben.“ Der „ökologischen Hypothese“ nach ist die Entwicklung des menschlichen Gehirns darauf zurückzuführen, dass der Homo sapiens bestimmten Herausforderungen durch die Umwelt ausgesetzt war. Der renommierte Ökonom Oded Galor untersucht in seinem neuen Buch „The Journey of Humanity“ die Entwicklungen die zu Wohlstand und Ungleichheit führten.

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Das Gehirn besitzt 86 Milliarden Nervenzellen

Es mag naheliegen, die Vergrößerung seines Gehirns mit er Lebensweise des Menschen und seinen besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu verknüpfen. Und so ist auch vielfach ein Zusammenhang insbesondere mit der Ernährung, mit der Handfertigkeit, mit Werkzeuggebrauch, Sprache, Kultur und Kunst vermutet worden. Matthias Glaubrecht betont: „Und doch ist bislang nicht überzeugend geklärt, was wirklich das Gehirn zu einem solch besonderen Organ beim Menschen gemacht hat.“ Zugleich gehört es zweifelsohne zu den erstaunlichsten Paradoxien in der Natur, dass ausgerechnet Menschen als an sich anderweitig unspezialisierte Generalisten ein sehr spezielles Organ spazieren tragen. Da es in energetischer Hinsicht alles andere als verbrauchsneutral kam, muss das menschliche Gehirn einen hohen Auslesewert gehabt haben. Immerhin dienen in ihm heute 86 Milliarden Nervenzellen der Weiterleitung und Verarbeitung von Reizen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Smartphones arbeiten im Akkord

Computer-Logik ist ansteckend. Immer mehr Leute tröten ihre Entweder-Oder-Thesen heraus. Kaum versucht man, das Gesagte oder Gepostete zu verstehen, kaum hat sich ein Hauch von Ahnung in einem geformt, wird man auch schon wieder unterbrochen. Rebekka Reinhard erläutert: „Denn die Smartphones arbeiten im Akkord, produzieren Aktion und Reaktion am laufenden Band. Breaking News strukturieren den Alltag, auch wenn Sie nicht am Newsdesk einer Zeitungsredaktion sitzen.“ Schon wieder hat irgendwer irgendwas gesagt! Die Unterbrechung kommt ganz automatisch. Was sagt Markus Söder, was sagen Spiegel Online und Anne Will? Echt oder Fake, war oder falsch? Wer mithalten will, muss denken: hart, schnell und emotional. Für die geduldige, kritische hinterfragende Auseinandersetzung mit Fakten hat man längst eine virtuelle Gedenkstätte eingerichtet. Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Mediale Codes sind keine Verfälschungen

Heutzutage greift bei vielen Menschen eine Entfremdung von der Wirklichkeit um sich. Diese basiert auf einer verzerrten Auffassung davon, was eigentlich geschieht, wenn sie etwas wahrnehmen. Markus Gabriel erklärt: „Diese verzerrte Auffassung hält unsere Wahrnehmungen für eine Simulation, ein Kopfkino, das bestenfalls mehr oder weniger zufällig mit der Wirklichkeit in Verbindung steht. Dieser Auffassung zufolge ist Wahrnehmung also nicht etwa eine an sich wirkliche Erfassung des Wirklichen, sondern eine Illusion.“ Die Sinnesmodalitäten der Menschen sind Medien. Ein Medium ist eine Schnittstelle, die Informationen von einem Code in einen anderen überträgt. Zu den Sinnesmodalitäten gehören das Sehen, das Hören und das Verstehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Menschen können ihr Schicksal selbst bestimmen

Wahrscheinlichkeit ist keine neue Idee. Es gibt schon lange die Vorstellung, dass die Menschen der Zukunft nicht passiv entgegensehen müssen. Sondern sie können ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Dies wurde einstmals als Selbstbehauptung gegen die Götter gesehen sowie gegen die unergründliche Natur. Es ist für Jonathan Aldred kein Zufall, dass moderne Konzepte über Wahrscheinlichkeiten sich in der westlichen Gesellschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts endgültig durchsetzen. Denn dies geschah zu einer Zeit, als der eiserne Griff der Kirche sich durch den Triumph der Aufklärung zu lockern begann. Probabilistisches Denken stand für den zuversichtlichen Glauben, die stoische Unterwerfung unter Ungewissheiten durch Fortschritt hinter sich lassen zu können. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Dinge stabilisieren das menschliche Leben

Die terrane Ordnung, die Ordnung der Erde, besteht aus Dingen. Diese nehmen eine dauerhafte Form an und bilden eine stabile Umgebung für das Wohnen. Sie sind jene „Weltdinge“ im Sinne von Hannah Arendt, denen die Aufgabe zukommt, „menschliches Leben zu stabilisieren“. Byung-Chul Han stellt fest: „Sie geben ihm einen Halt. Die terrane Ordnung wird heute durch die digitale Ordnung abgelöst. Die digitale Ordnung entdinglicht die Welt, indem sie sie informatisiert.“ Schon vor Jahrzehnten bemerkte der Medientheoretiker Vilém Flusser: „Undingen dringen gegenwärtig von allen Seiten in unsere Umwelt, und sie verdrängen die Dinge. Man nennt diese Undinge Informationen.“ Die Menschen befinden sich heute im Übergang vom Zeitalter der Dinge zum Zeitalter der Undinge. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Es gibt wenig Toleranz in der Demokratie

In den offenen Gesellschaften des Westens glauben viele Menschen mit einer gewissen Selbstgefälligkeit an die Toleranz für widerstreitende Standpunkte. Doch die Bandbreite dieser Standpunkte war in der jüngeren Geschichte stark eingeschränkt. Anne Applebaum weiß: „Seit 1945 fanden die Diskussionen vor allem zwischen Positionen rechts und links der Mitte statt. Entsprechend schmal war das Spektrum an möglichen Wahlergebnissen. Vor allem in Gesellschaften wie den skandinavischen, die stets auf Konsens bedacht waren.“ Aber selbst in den hemdsärmeligeren Demokratien war das Spielfeld relativ klar vorgegeben. In den Vereinigten Staaten ließ der Kalte Krieg in der Außenpolitik Einigkeit der beiden Lager entstehen. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Die Flut von Informationen betäubt

Anders Indset stellt fest: „Wir sind Gefangene unserer eigenen Freiheit. In einer Flut von scheinbar essenziellen Informationen, die uns „kostenfrei“ zur Verfügung stehen. Wann immer und wo immer wir wollen.“ Ein weiteres Fenster öffnen, und noch eins, man darf ja nichts verpassen. Speichern für später kann man auch, ein Lesezeichen setzen, eine neue Liste erstellen oder sich selbst eine Nachricht für später schicken. Nichts darf untergehen, alles ist heute wichtig. Sogar die traditionellen Medienhäuser haben den „Zugang“ für sich entdeckt. Zugang zu was? … Connected eben. Über fremde Kanäle, als Videoformat versteht sich. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, mehrere Bildschirme zu verwenden. Unterhaltung und Konsumscreens laufen durch. Wache Zeit heißt für viele User konsumieren und optimieren. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Digital ersetzt analog

Die zunächst analoge Entwicklung des Computers ging ganz urwüchsig aus dem mechanischen Weltbild und dem ihm innewohnenden Beschleunigungswahn hervor. Damit trat ein neues Prinzip mit der Räderwerkslogik in Konkurrenz. Die analoge Technik ersetzte man dann durch eine digitale Datenübertragung. Mit deren Hilfe können alle Informationen durch eine je eigene Kombination von nur zwei Zuständen beschrieben werden. Nämlich mit „ein“ und „aus“, anwesend und abwesend, 1 und 0. Damit eröffnete sich ein völlig neuer Horizont. Daniel Goeudevert stellt fest: „Mit diesem binären Zeichensystem wurde das Räderwerk praktisch obsolet.“ Man ersetze es durch die sehr viel einfachere und beliebig einsetzbare wie variable Lochkarte. Damit begann eine neue Zukunft. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Menschen müssen das Umdenken lernen

Die meisten Menschen sind stolz auf ihr Wissen und ihre Sachkompetenz und darauf, dass sie ihren Überzeugungen und Meinungen treu bleiben. Adam Grant weiß: „Das ergibt Sinn in einer stabilen Welt, in der man dafür belohnt wird, von seinen Ideen überzeugt zu sein.“ Das Problem ist jedoch, dass die Welt sich heutzutage atemberaubend schnell verändert. Deshalb müssen Menschen genauso viel Zeit mit Umdenken verbringen, wie sie Zeit mit Denken verbringen. Umdenken ist eine Fähigkeit, aber auch eine Geisteshaltung. Menschen verfügen bereits über viele mentale Werkzeuge, die sie dazu brauchen. Angesichts des verbesserten Zugangs zu Informationen und Technologie nimmt Wissen nicht einfach zu. Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School. Er ist Autor mehrerer internationaler Bestseller, die in 35 Sprachen übersetzt wurden.

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Die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma

Die industrielle Revolution verfestigt und erweitert die Dingsphäre. Sie entfernt die Menschen von der Natur und vom Handwerk. Byung-Chul Han betont: „Erst die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma. Sie unterwirft die Dinge den Informationen. Hardwares sind devote Unterlagen der Softwares. Sie sind sekundär gegenüber Informationen. Ihre Miniaturisierung lässt sie immer weiter schrumpfen.“ Das Internet der Dinge macht diese zu Informationsterminals. Der 3D-Drucker erweitert die Dinge in ihrem Sein. Sie werden zu materiellen Derivaten der Information degradiert. Was wird aus Dingen, wenn sie von Informationen durchdrungen werden? Die Informatisierung macht aus Dingen „Infomate“, nämlich Akteure, die Informationen verarbeiten. Das Auto der Zukunft wird kein Ding mehr sein, mit dem sich Phantasmen von Macht und Besitz verbinden. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Menschen wollen sich das Leben leichter machen

Der Einfallsreichtum des Menschen zeigt sich in Kunstwerken, Musik und Geschichten. Er lässt sich aber auch an Dingen ablesen, mit denen er sich umgibt. Heute ist es für viele Menschen selbstverständlich, bereits in der eigenen Wohnung Zugriff auf Tausende verschiedener Gegenstände zu haben. Stefan Klein fügt hinzu: „Die meisten dieser Objekte beachten wir kaum. Wir lagern sie in irgendeinem Winkel und erinnern uns nur unter besonderen Umständen an sie.“ Selbst ein Werkzeugkasten ist ein Monument der schöpferischen Intelligenz. Auf solche Zeugnisse der Kreativität stößt man, wohin man in der heutigen Welt nur schaut. Es scheint, als sei dem Menschen ein Drang angeboren, sich mit Einfällen das Leben leichter und interessanter zu machen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Ein Sturm aus Wissen fegt über die Menschen

Bibliotheken sind Monumente der Ära des Wissens. Ihr Umfang lässt erkennen, dass über die Menschen ein Sturm aus Wissen hereingebrochen ist, mit dem sie erst lernen müssen zu leben. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Um in der Welt des Wissensüberangebots zu überleben, haben die modernen Menschen sich anpassen müssen. Sie haben dazu spezielle Strategien entwickelt. Die wichtigste davon ist das Ausblenden von Informationen.“ Zudem haben viele Menschen gelernt, sehr schnell und selektiv zu lesen. Eine Kunst, die nicht einfach ist und dabei auch in Kauf nimmt, dass so manches übersehen wird. Fehlen dann Informationen, ist dies oft kein Problem, denn die heute gezielte Suche im Internet fördert sie schnell zu Tage. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Jeder Mensch sollte einige Grundregeln beherrschen

Eine Flut von Wissen ist für Ille C. Gebeshuber genauso schlecht wie fanatischer, blinder Glaube, der nichts hinterfragt. Deshalb ist es notwendig, das in der generellen Ausbildung das additive Wissen der Wissenschaft durch mutatives, also angepasstes Wissen zu ersetzen. Dieses reduziert man auf ein klares, aber anwendbares Minimum. Dabei ist es im Prinzip nur notwendig, ein gesichertes Maß an Grundregeln zu besitzen. Daneben sollte man die Regeln kennen, mit denen die verfügbaren Informationen zu neuem Wissen zusammengefügt werden können. Ille C. Gebeshuber erklärt: „Mit der Erfahrung einiger Lebensjahre können wichtige Zusammenhänge so selbst erkannt und verstanden werden.“ Den riesigen Haufen an Wissen, der überall verfügbar ist, kann man zur Überprüfung der eigenen Schlüsse heranziehen. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Wahr und falsch sind kaum mehr zu unterscheiden

In seinem neuen Buch „Undinge“ vertritt Byung-Chul Han die These, dass die rapide steigende Informationsflut die Menschen in eine postfaktische Gesellschaft stürzt. In vielen Fällen ist sogar die Unterscheidung zwischen wahr und falsch aufgehoben. Informationen zirkulieren nun ohne jeden Realitätsbezug in einem hyperrealen Raum. Byung-Chul Han stellt fest: „Die Welt wird zusehends unfassbarer, wolkiger und gespenstischer.“ Schon vor Jahrzehnten stellte der Medientheoretiker Vilém Flusser fest, dass Undinge von allen Seiten in die Umwelt der Menschen eindringen. Weil sie die Dinge verdrängen, nennt man sie Undinge. Byung-Chul Han entwickelt in „Undinge“ sowohl eine Philosophie des Smartphones als auch eine Kritik der künstlichen Intelligenz aus ungewohnter Perspektive. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Die Redefreiheit ist ein Recht für jedermann

„Wir – alle Menschen – müssen in der Lage und befähigt sein, frei unsere Meinung zu äußern und ohne Rücksicht auf Grenzen, Informationen und Ideen zu suchen, zu empfangen und mitzuteilen.“ Dieses Prinzip ist für Timothy Garton Ash diejenige Freiheit, von der alle anderen Freiheiten abhängen. Die Fähigkeit zu sprechen unterscheidet den Menschen von anderen Tieren und von allen bislang erfundenen Maschinen. Nur wenn man seine Gedanken und Gefühle voll und ganz ausdrücken kann, kann man sein Menschsein voll und ganz realisieren. Nur wenn man seine Mitmenschen sehen und hören kann, kann man wirklich verstehen, was es heißt, ein anderer zu sein. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die digitale Wirklichkeit ist vollständig überwachbar

Die Digitalisierung zeichnet sich durch eine gigantische Ansammlung von Dokumenten aus, in denen soziale Transaktionen aufgezeichnet sind. Markus Gabriel warnt: „Diese Struktur ist dabei aufgrund ihrer technischen Verfassung vollständig überwachbar.“ Die digitale Wirklichkeit unterscheidet sich von der alten analogen Wirklichkeit insofern, als dass sie durch und durch mathematisch ist. Sie besteht nur aus Informationen, die zwar an analogen Orten gespeichert werden, aber selber nicht physisch sind. Es handelt sich um die Verbreitung von geistigen Gegenständen, also von Gedanken, Bildern und Weiterem mehr in einem Medium, das keine Grenzen und Schranken kennt. Alles, was online verfügbar ist, kann gehackt werden. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Informationen haben den Status des Kognitiven

Andreas Reckwitz unterscheidet deutlich zwischen Daten, Informationen und Kulturformaten. Allen drei begegnet er in den digitalen Medien. Als Daten lassen sich Systeme von Unterscheidungen begreifen. Diese kommen innerhalb maschineller Prozesse – Binärcodes, Algorithmen – vor und wirken damit unabhängig vom Wissen der Menschen. Anders als die Daten bilden Informationen und Kulturformate Sinnzusammenhänge, mit denen menschliche Subjekte hantieren. Während die Information jedoch eine instrumentelle Funktion hat, haben die Kulturformate aus Sicht der Teilnehmer schon für sich genommen einen Wert. Informationen haben den Status des Kognitiven. Sie sind nützliches Wissen, um bestimmte Zwecke zu erreichen. Kulturformate sind stattdessen für die Teilnehmer intrinsisch motiviert, gerade indem sie sie beeinflussen beziehungsweise erregen. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Gottlob Frege hat die Logik revolutioniert

Informationen im modernen Sinn des Wortes, der in die wissenschaftliche Disziplin der Informatik und damit ins digitale Zeitalter führt, entsprechend dem, was man in der Philosophie seit Gottlob Frege als den Sinn von Gedanken versteht. Markus Gabriel ergänzt: „Die Informatik baut auf den Errungenschaften der modernen Logik und Mathematik auf, wozu insbesondere Freges Arbeiten zur Grundlegung der modernen Logik gehören.“ Ohne Gottlob Frege und an ihn anknüpfende Denker, wie insbesondere Bertrand Russell (1872 – 1970) und Alfred North Whitehead (1861 – 1947), wäre es niemals zur digitalen Revolution gekommen. Denn sie haben die Logik dadurch revolutioniert, dass sie Denken als die Verarbeitung von wirklich existierenden Informationen begriffen haben. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Ein zentrales Prinzip der Aufklärung ist die Vernunft

„Verlasse dich auf deine eigene Vernunft“: Dieses zentrale, aus der Aufklärung stammende Prinzip der Meinungsfreiheit gilt auch, wenn der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt werden müssen. Das Individuum ist souverän, und die individuelle Selbstbestimmung macht ein Land souveräner. Timothy Garton Ash fügt hinzu: „Natürlich kann es auch sinnvoll sein zu sagen, dass ein autoritärer Staat territoriale, politische und „informationelle“ Souveränität hat, doch in einem wirklich souveränen Staat stützt sich die Staatssouveränität auf die Souveränität jedes einzelnen Bürgers.“ Solche Staaten bezeichnet man als frei. Wer das Glück hat, in einem Staat zu leben, der dem Ideal nahe genug kommt, kann seine Ansichten über die angemessenen Normen, Grenzen und Bedingungen der Meinungsfreiheit durch eine Vielzahl unzensierter Medien und durch den politischen Prozess zum Ausdruck bringen. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Klatsch kann Menschen schwer verletzen und demütigen

Gruppen bestrafen diejenigen, die das Gemeinwohl der Gemeinschaft mit Klatsch untergraben. Für viele gehört Klatsch sogar zu den Todsünden. Der Heilige Paulus ordnete „üble Nachrede“, Überheblichkeit und Hochmut zusammen mit Mord und Unzucht unter die Laster ein, die schärfste Strafen verdienen. Dacher Keltner fügt hinzu: „Lehrer fordern ihre Schüler immer wieder auf, keine Gerüchte und Klatschgeschichten zu verbreiten und nicht verschwörerisch mit ihren Freunden zu flüstern.“ Dafür gibt es einen guten Grund: Klatsch kann in einer Weise verletzen und demütigen, die sogar das Leben verkürzt. Kein Wunder, dass sich die meisten Menschen dagegen sträuben, für ein Klatschmaul gehalten zu werden. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Furchtbare Bilder können einen Menschen schwer belasten

Viele Menschen unterschätzen die belastende und Angst auslösende Wirkung von Bildern. Davor kann Georg Pieper nur ausdrücklich warnen: „Wenn wir Bilder von einem schrecklichen Ereignis sehen, tragen wir sie noch lange als Ballast im Kopf mit uns herum.“ Sie wirken wie eine Bremse, weil sie immer wieder vor dem inneren Auge auftauchen und Alarm auslösen: „Vorsicht, Lebensgefahr!“ Bei schwer zu ertragenden Bildern empfiehlt Georg Pieper deshalb: „Wegschauen beziehungsweise ausschalten oder wegklicken.“ Wie stark furchtbare Bilder einen Menschen belasten können, kennt Georg Pieper von Lokführern. Ihnen passiert es immer wieder, dass sich jemand in Selbstmordabsicht auf die Gleise begibt. In der Regel kommt der Zug nicht mehr rechtzeitig zum Stehen, wie er bei hohem Tempo einen sehr langen Bremsweg hat. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Mangelnde Selbstaufmerksamkeit kann zu Leiden aller Art führen

Es gibt Ebenen der Selbstregulierung, die Aufmerksamkeit benötigen. Die übermäßige Anspannung der Muskeln bemerkt man zum Beispiel oft erst, wenn es infolge der Spannung zu Schmerzen kommt. Besonders wesentlich ist Selbstaufmerksamkeit da, wo sich negative Gefühle in einem Menschen aufbauen. Wo man genervt ist, unter Druck gerät, Zorn zu empfinden beginnt. Georg Milzner erläutert: „Wird diesen sich aufbauenden Gefühlen keine Aufmerksamkeit zuteil, so fehlt uns die Möglichkeit, die Situation zu verändern. In der Folge kommt es zu Gefühlsausbrüchen, die dann etwas Unkontrolliertes bekommen.“ Primäre Selbstaufmerksamkeit nimmt Veränderungen wie diese wahr. Wer über primäre Aufmerksamkeit verfügt, der steht auf und lockert sich, ehe es zu Verspannungen kommt. Und bringt Gefühle frühzeitig zum Ausdruck, ehe sie zu Explosionen oder Implosionen führen. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Phantasien und Tagträume sind sich sehr ähnlich

Tagträume und Phantasien sind schwer voneinander zu unterscheiden. Im normalen Sprachgebrauch meint man mit Phantasien häufig Tagträume mit sexuellem Inhalt. David Gelernter stellt fest, dass Phantasien den eigenartig dämmrigen Gedanken des Einschlafens und dem Schlaf selbst einen Schritt näher stehen als die Tagträume: „Phantasien, die uns überkommen, ähneln eher echten Träumen, nur sind sie keine Halluzinationen.“ In Phantasien kommen fast ebenso häufig absonderliche Situationen vor wie in Träumen. Bizarre Elemente sind keineswegs nur ein Begleitmaterial von Träumen, sondern sie fließen auch in vielfältiger Weise in die Phantasietätigkeit von Wachen ein. Die meisten Menschen erinnern sich an Phantasien ebenso wie an Träume nur schlecht. Phantasien, die einen Menschen mit Beschlag belegen, die Aufmerksamkeit fesseln oder ablenken, sind meist lebhaft. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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