In den beiden Bänden von „Humanismus und Terror“ formulierte Maurice Merleau-Ponty unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg seine Stellungnahme zum Marxismus, Sozialismus und Kapitalismus. Er forschte nach einem humanistischen Sozialismus, der sich von der Anbetung der Sowjetmacht befreien müsse. Es war für ihn nicht nachvollziehbar, dass man auf dem Wege über eine absolute Diktatur zum Reich der Freiheit gelangen könne. Maurice Merleau-Ponty machte darauf aufmerksam, dass der Marxismus von seiner Ideologiegeschichte her auf den Liberalismus folgte. Die Lehre von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, die von der Französischen Revolution vereinnahmt wurde, war eine Errungenschaft des revolutionären Bürgertums.
Maurice Merleau-Ponty weist auf die religiösen Elemente des Kommunismus hin
Hier knüpfte Karl Marx an, der liberales Ideengut in eine Philosophie verwandelte, die das Gesetz der Geschichte enthüllen sollte. Ziel, Motor und Gesamtbewegung des geschichtlichen Lebens wurden im Historischen Materialismus definiert, woraus sich erkennen ließ, welcher Weg in der Zukunft gegangen werden musste. Die Revolutionäre nach Karl Marx glaubten genau zu wissen, wohin die Entwicklung der Menschheit gelenkt werden müsse.
Daraus entwickelte sich eine Tendenz zum Absolutismus, der sich zur universellen Diktatur weiterentwickelte. Maurice Merleau-Ponty weist auf die religiösen Elemente im System von Karl Marx hin, die sich im „auserwählten Volk“ des Proletariats, in der „Gemeinschaft der Heiligen“ der Kommunistischen Partei und im „Gottesstaat“ der Sowjetunion zeigen. Die Texte von Karl Marx, Friedrich Engels, Lenin und Stalin wurden praktisch als heilige Schriften angebetet, die weder Kritik noch Korrektur duldeten.
Der Wille zur Erkenntnis ist der Weg zur Menschlichkeit
Die Führer der russischen Revolution bedurften ihrer Meinung nach einer monolithischen Lehre, um in der Unruhe der Revolutionsjahre die Unbedingtheit ihrer Kampfkraft zu bewahren. Dadurch gingen die Ansätze zu einem humanistischen Marxismus verloren, was zu einem Versagen der kommunistischen Politik in der UdSSR führen musste. Maurice Merleau-Ponty vertritt die These, dass von einer solchen politischen Philosophie, die keinerlei Kritik zulässt, meist ein gerader Weg zum destruktiven Handeln führt. Daraus entsteht politischer Terror, der sich in der Regel im geistigen Terrorismus vorbereitet.
Maurice Merleau-Ponty setzt dem seinen „reinen Kommunismus“ mit sehr liberalen Wesenszügen entgegen, der weitgehend an höher entwickelte bürgerliche Demokratie erinnert. Seiner Meinung nach kann ein Revolutionär nur human bleiben, wenn er sich nicht mit der umwälzenden Gewalt identifiziert, die dem Menschen vorgaukelt, er müsse die gegenwärtige Tyrannei ertragen, wenn er in das zukünftige Reich der Freiheit einziehen möchte.
Maurice Merleau-Ponty war ein echter Humanist, der von der Gemeinbürgerschaft aller Menschen inspiriert war und ein allgemeines Reich der Freiheit anstrebte, wo kein Mensch dem anderen als Herr oder Sklave gegenübersteht. Der Wille zur Erkenntnis war für Maurice Merleau-Ponty der Weg zur Menschlichkeit.
Von Hans Klumbies