In Pisa übernahmen Konsuln die Macht

Während die Aristokraten-Händler mit ihren Schiffen ausschwärmten, vollzog sich in Pisa ein politischer Wechsel von epochaler Bedeutung. Zwischen 1081 und 1085 traten dort erstmals Konsuln als oberste Herrschaftsträger auf, und zwar im Namen der Kommune. Diese erklärte sich für politisch unabhängig, ohne damit ihre Zugehörigkeit zum Königreich Italien und damit zum Heiligen Römischen Reich zu leugnen. Volker Reinhard weiß: „Im Gegenteil: In den nachfolgenden Jahrhunderten sollte Pisa die römischen Könige auf ihrem Weg zur Kaiserkrönung in Rom unterstützen. Auf diese Weise wollte sich die Stadt gegen die immer bedrohlichere Konkurrentin Florenz behaupten. Innerhalb ihrer Stadtmauern und in dem von der Stadt unterworfenen Landgebiet, erkannte die Kommune Pisa jetzt keine anderen Herren mehr über sich an. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Der Staat muss dem Bürger dienen

Zu den wichtigsten Aufgaben jedes Staates gehört es, die Bürger von der Selbstverteidigung ihrer Rechte zu entlasten. Aus diesem Grund übernimmt der Einzelstaat den Schutz der Bürger mitsamt ihren Rechten. Zu diesem Zweck erhält er innenpolitische Souveränität. Otfried Höffe ergänzt: „Das Gewaltmonopol, sofern er jede Privatjustiz verbietet, bleibt erhalten.“ Aber eine Relativierung muss sich der Staat freilich gefallen lassen. Weil kein Staat denselben rechtsmoralischen Rang wie ein Individuum hat, ist kein Staat, auch keine Religion oder Tradition „Zweck an sich selbst“. Er dient vielmehr dem einzigen Wesen, dem ein intrinsischer moralischer Wert zukommt, der einzelnen Person. Das Individuum bedarf freilich, um seine Freiheit im Zusammenleben zu wahren, des öffentlichen Rechts. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Thomas Junker ergründet die verborgene Natur der Liebe

Thomas Junker findet in seinem neuen Buch „Die verborgene Natur der Liebe“ überraschende Antworten auf Fragen wie „Warum küssen wir?“ oder „Warum ist das Leben in einer Zweierbeziehung so erstrebenswert und das Fremdgehen manchmal so unwiderstehlich?“ Außerdem zeigt der Autor welche Formen der Liebe den tiefsten menschlichen Wünschen entsprechen und welch nicht. Wie die meisten Menschen wissen dürften, ist die Liebe nicht ohne Risiken verbunden. Aber sie gibt dem Leben Sinn und verspricht unvergessliche Augenblicke der Lust. Thomas Junker warnt zudem seine Leser vor falschen Ideen über das menschliche Liebesleben. Der Autor deckt die Weltfremdheit der traditionellen Sexualmoral ebenso auf wie die Lebensfeindlichkeit angesagter gesellschaftspolitischer Vorstellungen. Die Biologie der Liebe lässt einen Menschen verstehen, warum er in Liebesdingen so von seinen Gefühlen übermannt wird. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Die Autorität steht seit der Aufklärung unter Beschuss

Viele Menschen, die mit den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen nicht einverstanden sind, machen das Schwinden der Autorität dafür verantwortlich. Konservative Stimmen klagen über den Untergang des Abendlandes, und manche suchen die Schuld bei den Ausländern. Damit meinen sie Muslime – ironischerweise Angehörige einer Glaubensgemeinschaft, die wesentlich mehr konservative Normen und Werte verkörpert, als die heutige westliche Gesellschaft, die deren Schwinden beklagt. Mit diesen Stimmen kann sich Paul Verhaeghe nicht identifizieren; zugleich jedoch ist auch ihm klar, dass der Westen mit Autorität ein Problem hat. Das aktuelle Wehklagen könnte den Eindruck erwecken, Autorität sei erst vor Kurzem zum Problem geworden. Aber weit gefehlt: Sie steht bereits seit der Epoche der Aufklärung unter Beschuss. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Der Anarchismus will eine herrschaftsfreie Gesellschaft

Der Politologe Peter Lösche grenzt den Anarchismus von anderen sozialen und politischen Bewegungen ab, indem er ihn anhand von vier immanenten Kriterien beschreibt. Erstens sind die Anarchisten dadurch charakterisiert, dass sie jede Form von menschlicher Organisation ablehnen, mit deren Hilfe politischer, ideologischer, gesellschaftlicher oder ökonomischer Zwang ausgeübt werden könnte. Vielmehr streben sie die freiwillige Assoziation der emanzipierten, mündigen Bürger an. Laut Peter Lösche ist der Anarchist konsequent gegen Institutionen eingestellt, lehnt die Bürokratie und die Parlamente ab, mit Parteien, Verbänden und der Kirche will er auch nichts zu tun haben. Doch selbst das genügt den Anarchisten noch nicht. Peter Lösche erklärt: „Anarchisten wenden den Antiinstitutionalismus auch auf ihre eigene Bewegung an; sie lehnen festgefügte Organisationen, in denen sich die Gefahr der Hierarchisierung realisieren könnte, ab.“  

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Die drei spezifischen Merkmale der Bürgergesellschaft

Der Bürgerstatus markiert für Ralf Dahrendorf eine tief greifende Veränderung der sozialen Dinge, auch wohl einen bemerkenswerten Fortschritt im Sinne der Erweiterung der menschlichen Optionen. Als solcher begründet er allerdings noch nicht die Art von Gesellschaft, in der die Freiheit verankert ist. Ralf Dahrendorf schreibt: „Er ist ein Element der Bürgergesellschaft, doch verlangt diese andere, subtilere Bedingungen.“ Bei der Bürgergesellschaft geht es um das schöpferische Chaos der vielen, vor dem Zugriff des Staates geschützten Organisationen und Institutionen. Die Bürgergesellschaft als Medium der Freiheit hat für Ralf Dahrendorf drei spezifische Merkmale.

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