Vinzens Mansmann unterscheidet zwölf Phasen des Burn-out

Vinzenz Mansmann unterscheidet zwölf Phasen der Erschöpfung bei Burn-out. Zuerst einmal ist da der Drang nach Anerkennung und übertriebener Ehrgeiz. Der Betroffen erfüllt seine Aufgaben mit sehr großer Begeisterung. Allerdings überfordert er sich oftmals dabei un setzt sich zu hohe Ziele. Dazu kommt eine übertriebene Leistungsbereitschaft. Vinzenz Mansmann erklärt: „Um den eigenen Ansprüchen zu genügen, wird noch mehr Energie aufgebracht und alles dafür getan, den Ansprüchen doch noch gerecht zu werden. Das Gefühl, unersetzbar zu sein, steigt. Deshalb werden kaum Aufgaben abgegeben und Arbeitsentlastung findet kaum statt.“ Drittens blendet der Betroffene seine eigenen Bedürfnisse aus. In dieser Phase tritt das Verlangen nach Ruhe, Schlaf und Regeneration immer weiter in den Hintergrund. Häufig nimmt der Konsum von Alkohol, Nikotin und Kaffee zu. Dr. med. Vinzenz Mansmann (*1955) ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, und Experte für Burnout-Therapie und Stressbewältigung.

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Human Enhancement will den Menschen vervollkommnen

Den Menschen besser zu machen, ihn näher zur Vollkommenheit, zur Perfektion zu bringen, ist ein Anliegen, das nicht nur mit der Bildung einhergeht. Thomas Damberger erläutert: „Vielmehr scheint es eine neue, moderne Form der Perfektionierung zu geben, die unter dem Namen Enhancement diskutiert wird. Wenn hier von Enhancement die Rede ist, dann ist damit ausdrücklich „Human Enhancement“ gemeint.“ Der Begriff „Human Enhancement“ bedeutet übersetzt so viel wie die „Verbesserung des Menschen“. Nun ist die Verbesserung des Menschen aber auch ein Thema, das der Bildung – und noch etwas allgemeiner: der Pädagogik – immanent ist. Immanuel Kant hat beispielsweise in seiner 1803 veröffentlichten Vorlesung „Über Pädagogik“ festgehalten, dass hinter der Edukation das Geheimnis der Vervollkommnung der menschlichen Natur steht. Dr. Thomas Damberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Die Entschleunigung ist für Ralf Konersmann eine Illusion

Stress, Burn-out – fast jeder Mensch weiß, was damit gemeint ist. Vor hundert Jahren sprach man eher von Nervosität schreibt Ralf Konersmann in seinem Buch „Wörterbuch der Unruhe“. Auf die Frage, was sich seit früher verändert hat, antwortet Ralf Konersmann: „Die Nervosität wurde eher als kollektives Schicksal erlebt. Mit Nervosität meinte man eher die Atmosphäre der großen Stadt.“ Das Wort Stress steht mehr für einen Rückzug auf den Einzelnen. Stress wird vor allem als private Herausforderung gesehen, für die jeder seine eigenen Lösungen finden muss. Dieses Denken setzt auch voraus, dass Unruhe als eine Normalität behandelt wird. Die Unruhe der Gegenwart unterscheidet sich allerdings grundlegend von der „inquietas“, wie sie Seneca und andere Stoiker beschreiben. Ralf Konersmann ist Professor für Philosophie an der Universität Kiel.

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Christian Schüle seziert den Begriff der Heimat

In seinem neuen Buch „Heimat“ enttarnt er in der Form einer kritischen Zeitdiagnose die nostalgischen Verklärung von Heimat als Phantomschmerz und setzt allem Rückwärtsgewandten die Haltung des aufgeklärten Humanisten entgegen. Sie verbindet das Bedürfnis aller Menschen nach Zugehhörigkeit und Identität mit den Grundwerten der Demokratie. Dazu zählt Christian Schüle Pluralismus, Toleranz und Freiheit. Heimat – das ist zuerst einmal die Erinnerungen an die eigene Kindheit und Herkunft, die meist in einem rosaroten Licht erscheinen. Deshalb ist es mit Schmerzen verbunden, wenn die Heimat verlorengeht. Christian Schüle ergründet, wie dieser Schmerz in den Zeiten der Digitalisierung, der Globalisierung und der Migration gestillt werden kann. Christian Schüle ist freier Autor und Publizist. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt er Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Frank Trentmann erforscht den Kult ums Neue

Auf die Frage, warum die meisten Menschen so viel mehr konsumieren, als sie benötigen, antwortet Frank Trentmann: „Konsum ist heute ein wesentliches Merkmal unseres Lebens. Unsere Identität wird zum großen Teil davon bestimmt, was und wie wir konsumieren. Wir drücken uns über Dinge aus, die wir kaufen.“ Dass es solche Massen von Dingen sein müssen, … Weiterlesen

Betrogene Partner neigen nach einer Affäre zur Besessenheit

Betrogene Partner scheinen ihre Besessenheit von einer Affäre nicht ablegen zu können, bis sie im Besitz aller Antworten sind – was Monate dauern kann. Sie wälzen die Lügen und unbeantworteten Fragen ständig in ihrem Kopf. Shirley P. Glass fügt hinzu: „Sie entwickeln Fixierungen auf visuelle Eindrücke, Gesprächsschnipsel oder verwirrende Erinnerungen, deren Sinn sie nicht verstehen. Sie investieren eine Menge Energie, um die Wahrheit über frühere Lügen herauszufinden.“ Der betrogene Partner beginnt, frühere Lügen wie Puzzleteile zu einem Gesamtbild der Täuschung zusammenzufügen. Etwas zu vergessen, wäre fatal. Vor dem Hintergrund der zerstörten Erwartungen wird die gesamte Geschichte der Ehe durchgegangen. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Richter Jens Gnisa verzweifelt am deutschen Rechtssystem

In der Politik ist das Rufen nach neuen Gesetzen eine weitverbreitete, aber fragwürdige Gewohnheit, nur um zu zeigen, dass man handlungsfähig ist. Mehr Strafgesetze bedeuten allerdings auch mehr Arbeit für die Strafverfolger. Jens Gnisa klagt: „Doch mehr Ressourcen gibt es nicht: Der Bund macht die Strafgesetze, die Länder statten die Gerichte aus, sie wollen die Zechen nicht bezahlen, un die Justiz steht wieder mal allein da.“ In seinem neuen Buch proklamiert er schon im Titel das „Ende der Gerechtigkeit“. Seiner Meinung nach wäre die Gerechtigkeit wirklich am Ende, wenn so weitergewurstelt wird wie bisher, weil dann die Justiz und das Recht immer weniger überzeugen können. Es gibt bereits jetzt eine Vertrauenskrise. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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Der Mensch ist ein soziales Wesen

Der Homo sapiens entwickelte sich über Jahrmillionen nicht als Einzelgänger, sondern im engen Zusammenleben in einer sozialen Gemeinschaft. Primär bot die Gemeinschaft dem Individuum Schutz. Überleben bedeutete, zusammen zu leben. Anja Förster und Peter Kreuz ergänzen: „Aber außerdem bot sie ihm die Chance zu einer enormen geistigen Entwicklung: Das durch immer mehr implizite und explizite Regeln und Normen bestimmte, komplexe soziale Miteinander forderte eine Anpassung der intellektuellen Fähigkeiten, forderte Sprache, Mimik und Gestik sowie komplexe Verhaltensmuster.“ Die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns nahmen immer weiter zu. Je differenzierter das Zusammenleben wurde, desto leistungsfähiger wurde auch das Gehirn. Insbesondere der frühkindlichen Bindung kommt eine extrem große Bedeutung zu. Erlebt ein Säugling nach der Geburt Urvertrauen und Sicherheit, stabilisieren ihn diese Gefühle sein Leben lang. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Der Pragmatismus verabscheut Ideologien und Doktrinen

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 06/2017 ist der philosophischen Strömung des Pragmatismus gewidmet. Pragmatiker haben heutzutage bei vielen Menschen nicht einen besonders guten Ruf, da sie ihnen Prinzipienlosigkeit und Ideenarmut unterstellen. Besonders in Deutschland besitzt die aus den USA stammende Denktradition ein zweifelhaftes Image, da sie hierzulande als rein zweckorientiert, theoriefern und marktkonform gilt. Es könnte sein, dass man dem Pragmatismus damit unrecht tut. Denn einst strebten die führenden Pragmatiker wie Charles Sanders Peirce, William James und John Dewey nach nicht mehr und nicht weniger als einer radikalen Erneuerung der Demokratie. Am Anfang des Pragmatismus steht der Gedanke, dass sich Theorien nicht durch logischen Konsistenz oder ihre Übereinstimmung mit dem Wesen der Dinge, sondern an ihren praktischen Folgen bewähren.

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Entscheidungen sind oft mit Schmerz und Verzicht verbunden

Alle Entscheidungen, Probleme und Konflikte sind für Reinhard K. Sprenger Wachstumschancen. Aber sie sind oft mit Schmerz und Verzicht verbunden. Was das Entscheiden so schwierig macht, ist die Illusion, es müsste leicht gehen, ohne Schmerz. Viele Menschen hängen an der Vorstellung, der ideale Arbeitsplatz, der ideale Chef, der ideale Partner warteten auf sie. Es ist natürlich nicht einfach, Vereinbarungen einzuhalten – vor allem die mit sich selbst. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Es ist manchmal auch schwierig, sich an Spielregeln zu halten, insbesondere in Zeiten, in denen das Brechen von Spielregeln für Autonomie gehalten wird.“ Herausforderungen und Schwierigkeiten, Gewohnheiten und Überlebtes aufgeben, alte Denk- und Verhaltensmuster ablegen: All das wird von vielen als unangenehm empfunden – und gemieden. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Guter Sex ist ein wichtiger Beziehungskitt

Frauen verlassen ihre Männer, wenn die Liebe schwindet und das sexuelle Begehren stirbt. Männer empfinden an diesem Punkt kaum anders: Sexueller Frust führt nicht selten zu Untreue oder Trennung. Thomas Junker erklärt: „Die beidseitige Zufriedenheit im Bett scheint also eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Beziehung zu sein. Zweifelhaft ist lediglich, ob die sexuelle Lust die Ursache dafür ist, dass sich Menschen in einer Beziehung wohlfühlen. Oder ob sie mehr Lust empfinden, wenn es in der Beziehung ganz allgemein besser läuft.“ So wie es aussieht, stimmt beides, und die Freude im Bett und die allgemeine Zufriedenheit beeinflussen sich wechselseitig im positiven wie negativen Sinn. Es ist auch keine Überraschung, dass die Liebe bei jung verheirateten Paaren erst durch die gemeinsam genossene sexuelle Lust ihre volle Erfüllung findet. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Menschen denken nicht nur in rationalen Kategorien

Das Verständnis der Motive, der Abläufe des Denkens und Kriterien von Entscheidungen der Mitmenschen ist eine Voraussetzung, um mit ihnen umgehen zu können. Die meisten Menschen wollen wissen, wie der andere tickt, und entwickeln eine Theorie of Mind. Allan Guggenbühl stellt fest: „Verbreitet ist die Vorstellung, dass wir letztlich rationale Wesen sind, unsere Interessen verwirklichen und uns selbst erhalten wollen und demnach auch unsere Mitmenschen denken und handeln.“ Das Bewusstsein des Menschen ist jedoch nur eine Insel im Meer vor irrationalen Motiven, Emotionen und Gedanken. Menschen denken nicht nur in rationalen Kategorien, sondern lassen sich von selbstdestruktiven Tendenzen, fantastischen Bildern und bizarren Theorien leiten. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Der Mensch beherrscht die Erde wie keine ander Spezies

Alles was die Menschen tun und sind, ist in der einen oder anderen Weise das Resultat der evolutionären Prägungen, die sie zu der Spezies gemacht hat, die den Planeten Erde beherrscht wie keine andere. Matthias Horx ergänzt: „Was uns von allen anderen Tierarten unterscheidet, ist die extreme Empfindlichkeit und Hilfsbedürftigkeit unserer Brut. Keine andere Spezies muss einen derart komplexen Aufwand treiben, damit ihre Babys überleben.“ Dazu zählen unter anderem Zuneigung, Ernährung, Schutz, Wärme, Erkennen, Berühren, Wickeln, Spielen, Erziehen, Ermahnen. Zwar gibt es auch im Tierreich Fürsorge – Ratten, Katzen, Hunde lecken und „groomen“ ihre Brut, Vögel bauen Nester, die sie auskleiden und warten geduldig, bis ihre Kinder flügge sind. Aber der Aufwand für den menschlichen Nachwuchs ist so gigantisch, dass er das ganze Leben fordert. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Sadismus und Masochismus sind allgegenwärtig

Erinnerungen an intensive emotionale Situationen üben einen starken Sog auf alle Menschen aus – insbesondere Erinnerungen an Schmerzen oder Gewalt. David Gelernter erklärt: „Dass solche Erinnerungen uns anziehen, liegt an unserer morbiden Faszination, unserem angeborenen Sadismus oder Masochismus.“ Ein Sadist ist man insofern, als man sich von den Schmerzen anderer Menschen angezogen fühlt, und ein Masochist ist man, weil einen Erinnerungen auch dann anziehen, wenn man sie unangenehm, schmerzlich oder abstoßend findet. Sadismus und Masochismus sind allgegenwärtig und so menschlich wie das Atmen. Vor allem aber ziehen Menschen diese Erinnerungen wegen ihrer schieren Intensität an. Das Hellste, Lauteste, Größte, Stärkste weckt immer die Aufmerksamkeit, ganz gleich, was es ist. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Frage „Was ist deutsch?“ stirbt niemals aus

Dieter Borchmeyer versucht in seinem Buch „Was ist deutsch?“ gerade diese Frage zu beantworten, die ihrerseits typisch deutsch ist, denn keine andere Nation hat über die Jahrhunderte so sehr um die eigene Identität gerungen. Der Autor zeigt, was das für das Selbstverständnis der Deutschen bedeutet hat und heute noch virulent ist: von den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs über den Nationalismus der Befreiungskriege bis zu den jüngsten Debatten über Integration. In einer Zeit, in der Deutschland sich erneut seiner selbst vergewissern muss, schärft das Buch „Was ist deutsch?“ den Blick nicht nur für das, was war, sondern auch für das, was noch vor den Deutschen liegt. Dieter Borchmeyer ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaften an der Universität Heidelberg.

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Richard Schneebauer blickt hinter die Fassade der Männer

Viele Männer verstecken sich hinter einer Fassade aus Coolness und hippen Accessoires, hinter poliertem Machotum und derben Witzen – oder aufgesetztem Verständnis für die Welt der Frauen. Dennoch herrscht bei den meisten von diesen Männern ein tiefer Wunsch nach dem Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, in einer Zeit, in der einem suggeriert wird, dass Frauen mittlerweile alles können, selbst Kinder zu kriegen geht mittels Samenbank. Richard Schneebauer stellt fest: „So rackern sich Männer ab, versuchen, alles besser zu machen als ihre Väter, können sich und Umfeld kaum zufriedenstellen und vor allem werden sie selbst nicht zufrieden. Der Druck auf sie steigt an allen Ecken und Enden. Irgendetwas Entscheidendes fehlt ihnen. Dr. Richard Schneebauer ist Soziologe und seit 17 Jahren in der Männerberatung tätig.

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Die individuelle Aggressivität ist eine klar umrissene Eigenschaft

Manche Menschen sind gefürchtet wegen ihrer Neigung zu Wutausbrüchen, zu hämischen Bemerkungen oder körperlicher Gewalt, während andere keiner Fliege etwas zuleide tun. Diese Unterschiede lassen sich nur sehr begrenzt aus dem jeweiligen Alter oder Geschlecht erklären. Laut Hans-Peter Nolting muss man die individuelle Aggressivität verstehen: „Welche Motive, Einstellungen und Temperamentsmerkmale, welche Fähigkeiten oder Defizite können ihr zugrunde liegen? Welche Rolle spielt dabei die Lebensgeschichte, welche Rolle spielen angeborene Faktoren?“ Nur so kann man herausfinden, wie dieser Mensch ist und wie er so geworden ist. Die individuelle Aggressivität ist für Hans-Peter Nolting eine klar umrissene Eigenschaft, in der sich die Menschen nur quantitativ – wenig bis sehr aggressiv – unterscheiden. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Die Ungleichheit in Deutschland hat zugenommen

Deutschland ist ein gespaltenes Land geworden. Während die Reichen immer reicher werden, stagnieren die Einkommen der unteren Hälfte. Die Mittelschicht schrumpft, der Aufstieg ist schwieriger geworden. Und die breite Masse der deutschen Bevölkerung verfügt über keine nennenswerten Ersparnisse. Alexander Hagelüken weiß: „Zwei Drittel der deutschen Ökonomen konzedieren, dass die Ungleichheit zugenommen hat.“ In vielen Industriestaaten hat jene Hälfte der Gesellschaft, die nur einen Bruchteil des Vermögens besitzt, kaum vom Wachstum profitiert, kritisiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): „Wenn so etwas passiert, zerfasert das soziale Gefüge.“ Es ist Zeit für die etablierten politischen Parteien, in Deutschland einen neuen Gesellschaftsvertrag zu verankern, der den wirtschaftlichen Erfolg besser aufteilt. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Zensur zielt auf die Kontrolle der Kommunikation ab

Zensur ist ein elementarer und in der Theorie noch nicht hinreichend präzise bestimmter Sachverhalt in der Geschichte der Kommunikation. Das 18. Jahrhundert war für die Ausbildung der Praktiken der Zensur und ihrer Erörterungen eine bedeutsame Epoche. Zensur erfordert bei ihrer Erforschung Interdisziplinarität und Transnationalität. Sie lässt sich kaum auf bestimmte Jahrhunderte beschränken und ist g, geprägt von der Fülle des zumeist ungedruckten, in Archiven überlieferten Materials und von der Vielzahl der Systemkomponenten. Der Gegenstand der Zensur ist äußerst komplex. Der Begriff „Zensur“ wird auf der einen Seite angebunden an rechtliche Verfahren und Institutionen, also an das jeweilige Rechtssystem; auf der anderen Seite wird er, unterbestimmt, benutz als Synonym für eine gesamtgesellschaftlich, also sozial, politisch, religiös und kulturell vermittelte Kontrolle der Normen und Kommunikation von Rede, Schrift und Bild.

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Neugierde ist die beste Triebfeder für das Lernen

Die meisten Schüler starten voller Motivation in ihr erstes Schuljahr. Neugierig und lernbereit nehmen sie jedes Wissen gierig auf und erzählen voller Stolz zuhause von ihren neuen Erkenntnissen. Doch immer wieder geht diese Motivation nach einigen Jahren Schulbesuch verloren. Laut Untersuchungen von Psychologen spätestens ab der Pubertät, aber meist schon beim Wechsel in eine weiterführende Schule. Wie kann man also Schüler zum weiteren Lernen motivieren? Eltern sollten von Anfang an für ein optimales Lernklima sorgen. Zudem sollten sie ihren Kids eine gesunde Schulbrotzeit mitgeben, für einen aufgeräumten Schreibtisch sorgen, eine ruhige Lernumgebung herstellen und darauf achten, dass ihre Kinder ausreichend lange schlafen. Das fördert die Konzentration des Nachwuchses. Die Eltern sollten auch Ziele formulieren, die ihre Kinder so aufregend finden, dass sie sich selbst zum Lernen motivieren können.

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Selbstvermessung soll von der Geißel der inneren Schwäche erlösen

In der Regel beginnt die Leidenschaft für die Selbstvermessung möglichst vieler Körper- und Lebensdaten mit einem festen Vorsatz, der sich mit hoher Technikfaszination verbündet. Ernst-Dieter Lantermann ergänzt: „Man möchte seinen „inneren Schweinehund überwinden“, seine Vorsätze nach einem gesünderen Leben endlich in die Tat umsetzen, nachdem so viele Anläufe im Sande verlaufen sind.“ Die jederzeit verfügbaren digitalen Wunderwaffen können die Anwender, so die Hoffnung, von der „Geißel der inneren Schwäche erlösen“, wie es Roy Baumeister auf den Punkt bringt. Angeschlossen an die digitalen Geräte, messen die Selbstvermesser ihre zurückgelegte Joggingstrecke, die geleistete Schrittzahl und die Anzahl der Kalorien, die sie bei ihrer körperlichen Ertüchtigung verbrannt haben. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Lanzarote wirkt wie ein Stillleben von überwältigender Schönheit

Lanzarote, die nordöstlichste der Kanarischen Inseln ist ein Urlaubsziel der besonderen Art. Die Insel zählt seit 1993 den Biosphärenreservaten der UNESCO. Die Landschaft der Feuerberge entwickelt eine geradezu surreal anmutende Stimmung. Ansonsten strahlt das Eiland eine sagenhafte Ruhe aus: ein Stillleben von überwältigender Schönheit. Im Reiseführer „Lanzarote mit 20 Wanderungen“ beschreibt Dieter Schulze detailliert alle Sehenswürdigkeiten der Insel wie zum Beispiel die Papageienstrände im Süden, eine smaragdgrünen Kratersee im Westen, die Kolonialstadt Teguise im Norden, geheimnisumwitterte Grotten und die Traumstrände von La Graciosa. Am besten lernen Reisende, die auf Lanzarote Urlaub machen, die Insel auf einer Wander-, Rad- oder Mietwagentour kennen. Die Routen führen quer über die Insel, zum Beispiel auf spektakulären Klippenwegen zur Küste, ins Tal der tausend Palmen und zu pittoresken Fischerdörfern.

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Essen hat sich zu einer Ersatzreligion entwickelt

Kaum etwas ist den Deutschen so heilig wie ihr Essen, oder besser gesagt wie das, was sie nicht essen. Die Zahl der Menschen, die sich verweigern, wächst ständig: dem Fleisch, dem Fisch, den tierischen Eiweißen, dem Gluten, der Laktose, den Kohlenhydraten. Kaum einer Handlung des Alltags wird inzwischen größere Bedeutung zugemessen als der täglichen Aufnahme der Nahrung. Der Vegetarierbund Deutschland (Vebu) vermeldet stolz die Zahl von 7,8 Millionen Vegetariern und fordert die Nutzer seiner Website zur Unterstützung auf: „Verändern Sie mit uns die Welt! Schaffen Sie einen wertvollen Wandel in der Gesellschaft.“ Starkoch Vincent Klink dagegen meint: „Es müsste ein Missionierungsverbot geben für Religion und Essen.“ Tatsächlich hat sich beim Essen etwas ganz grundsätzlich verschoben. Auf der einen Seite sind so viele, so sichere und so billige Lebensmittel vorhanden wie noch nie.

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Die Klugheit sprengt die Fesseln der Unmündigkeit

Denken bedeutet, im mentalen Innenraum zu experimentieren. Menschen bedienen sich ihres immensen Erinnerungsschatzes, den sie über ihre Erziehung, Kultur und Bildung erworben haben, und erleben ihre Gedanken als persönliche Kreationen. Meistens merken sie nicht, dass sie der Erfahrung eines Mitmenschen nachplappern oder durch ein unbewusstes Motiv beeinflusst werden. Denn das Denken ist immer beeinflusst vom Milieu und der Geschichte eines Menschen. Allan Guggenbühl rät: „Um aus dieser Falle herauszukommen, müssen wir es wagen, unseren Irritationen zu folgen, das Außergewöhnliche anzudenken. Klugheit bedeutet, sich immer wieder aus der selbst auferlegten Unmündigkeit zu befreien, Nischen zu entdecken und Rituale zu entwickeln, in denen die Vorgaben des politisch korrekten Denkens und persönlicher Prägungen abgelegt werden.“ Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Demokratie ist nur durch eine prozessuale Definition zu begreifen

Die Globalisierung als chronische Mobilisierung, als Einladung zum Dasein in ständiger Bewegung, erfasst nur einen kleinen Teil der Menschheit, obwohl man den Tourismus als eine Schule des Weltbürgertums im weitesten Sinne auffassen darf. Peter Sloterdijk fügt hinzu: „Darin sind die Deutschen weit fortgeschritten. Für viele Menschen bedeutet das Reisen die Einlösung eines Guthabens an Globalisierungskapital.“ Für die vielen, deren Radius nur wenige Meilen um ihren Wohnort reicht, wie bei zahlreichen Menschen, die Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt haben, ist die kosmopolitische Tendenz furchteinflößend. Sie nehmen an der Res publica, am öffentlichen Raum, und am Weltverkehr fast gar nicht teil. Deshalb hilft es nicht weiter, Wähler populistischer Parteien oder beharrliche Nichtwähler als Idioten – im Gegenteil von Kosmopoliten – zu bezeichnen. Peter Sloterdijk gilt als einer der wirkungsmächtigsten und zugleich heftig umstrittenen Denker Deutschlands.

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