Jeremy Rifkin fordert eine „empathische Zivilisation“

Der Begriff „Empathie“ hat in den vergangenen Jahren eine steile Karriere gemacht, selbst Politiker wie der amerikanische Präsident Barack Obama klagen über fehlende Empathie, und Vordenker wie Jeremy Rifkin fordern gar eine „empathische Zivilisation“. Auch Straftaten werden heute gerne damit erklärt, dass der Täter einen Mangel an Empathie habe und daher im Gefängnis oder in der Therapie dazu gebracht werden müsse, mehr Empathie zu empfinden. In Ulrich Schnabel regt sich Widerspruch: „Solange Empathie jedoch lediglich als Einfühlung verstanden wird, garantiert ein Mehr davon noch längst kein friedlicheres oder freundlicheres Verhalten.“ Zum einen ist die Empathie nämlich meist nur auf die Angehörigen der eigenen Gruppe beschränkt und dient damit als Abgrenzung gegen andere. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Die Freiheit schützt die Vernunft

In der Antike, im Mittelalter und am Beginn der Neuzeit forderte die Freiheit vor allem den Mut, den eigenen Verstand zu gebrauchen. Paul Kirchhof erläutert: „Mit Vernunft werde die Natur beherrscht, Frieden gesichert, Herrschaft gemäßigt, eine Gleichheit der Lebensverhältnisse für alle erstrebt.“ Heute in Zeiten dominanter teilrationaler Eigensysteme – der ökonomischen, technischen und sozialen Vernunft – muss man für eine ganzheitliche Freiheit kämpfen, die Folgen wettbewerblichen Gewinnstrebens, algorithmischer Folgerichtigkeit und sozialen Erwartungen in Frage stellen. Die Freiheit schützt die Vernunft, gewährt aber auch das Recht unvernünftig sein zu dürfen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Selbstkontrolle verhindert aggressives Verhalten

Um die sichtbare Aggressivität eines Menschen zu verstehen, reicht es nicht aus, nur auf die treibenden Faktoren zu schauen, sondern ebenso muss man auch die hemmenden Faktoren berücksichtigen, vor allem Angst vor negativen Folgen sowie moralische Einstellungen. Durch sie ist die sichtbare Aggressivität bei den meisten Menschen viel geringer als die inneren Tendenzen. Hans-Peter Nolting erläutert: „Bei einem Teil der hochaggressiven Personen sind solche Hemmungen nur schwach ausgeprägt. Psychopathen haben keine Angst vor negativen Folgen, ebenso wie Despoten, eine positive Einstellung zu Gewalt und aggressiver Machtausübung.“ In anderen Fällen aber sin die Hemmungen des betreffenden Menschen immerhin so gut entwickelt, dass er gewöhnlich unaggressiv, wenn nicht sogar liebenswürdig erscheint. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Richter Jens Gnisa verzweifelt am deutschen Rechtssystem

In der Politik ist das Rufen nach neuen Gesetzen eine weitverbreitete, aber fragwürdige Gewohnheit, nur um zu zeigen, dass man handlungsfähig ist. Mehr Strafgesetze bedeuten allerdings auch mehr Arbeit für die Strafverfolger. Jens Gnisa klagt: „Doch mehr Ressourcen gibt es nicht: Der Bund macht die Strafgesetze, die Länder statten die Gerichte aus, sie wollen die Zechen nicht bezahlen, un die Justiz steht wieder mal allein da.“ In seinem neuen Buch proklamiert er schon im Titel das „Ende der Gerechtigkeit“. Seiner Meinung nach wäre die Gerechtigkeit wirklich am Ende, wenn so weitergewurstelt wird wie bisher, weil dann die Justiz und das Recht immer weniger überzeugen können. Es gibt bereits jetzt eine Vertrauenskrise. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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