Sartre war ein atheistischer Existentialist

Im Jahr 1945, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, hielt Jean-Paul Sartre seine berühmt gewordene Rede „Der Existenzialismus ist ein Humanismus“. Darin ist keine Spur von Religiosität und nicht einmal mehr des Ringens darum zu finden. Ger Groot weiß: „Sartre geht von einem unproblematischen Atheismus aus, der keiner Rechtfertigung bedarf – und auch keine erhält.“ Er stellt fest, dass es zwei Arten von Existentialisten gibt: „Die ersten sind Christen, zu ihnen würde ich Karl Jaspers und Gabriel Marcel zählen. Und dann gibt es die atheistischen Existentialisten, zu denen man Matin Heidegger sowie die französischen Existentialisten und mich selbst zählen muss.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Der Literaturkalender 2022 weckt Erinnerungen

Diesmal dreht sich im „Literatur Kalender 2022“ alles um Momente der Erinnerung, die manchmal Haltepunkte im Leben sind. Dabei kann es sich um eine Reise, eine vergangene Liebe, ein wichtiges Gespräch oder einen Sonnenuntergang am Meer handeln. Einen Moment lang befindet sich der Erinnernde an einem anderen Ort, sei es das Haus der Kindheit, versunken in eine Melodie oder in ein Buch. Erinnerungen sind manchmal glücklich, können jedoch auch tief traurig sein. Wie zum Beispiel diese Zeilen aus dem Gedicht „Du hast Spanien gehasst“ von Ted Hughes, des Mannes von Sylvia Plath. Er veröffentlichte es in seinen „Birthday Letters“ 35 Jahre nach ihrem Suizid und kurz vor seinem eigenen Tod: „ …Ich sehe dich im Mondlicht, Den leeren Kai von Alicante entlanggehen, Wie eine Seele, die auf die Fähre wartet, Eine neue Seele, die noch immer nicht versteht, Die denkt, es sei noch immer deine Hochzeitsreise In der glücklichen Welt, dein ganzes Leben noch vor dir, Glücklich, und alle deine Gedichte warteten noch auf dich.“

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Das Lesen tritt immer mehr in den Hintergrund

Das Lesen ist immer noch allgegenwärtig, wird durchgängig pädagogisch gelobt, ist immer noch Kern der Bildung, kennt aber leider kaum noch eine praktische oder kommunizierte Kultur. Wann soll man lesen, und wenn ja, wie viel? Walter Benjamin sah noch im Studenten den Urtyp des Sammlers – weil Studierende Wissen suchen, sammeln und ordnen. Wer den Hochschulbetrieb wie Frank Berzbach kennt, der weiß, dass die Bildungsidee lange durch die der bloßen Qualifikation ersetzt wurde: „Die bedarf aber weniger der strengen Lektüre, sondern eher der Fähigkeit zur schnellen Recherche. Da Google alles zu wissen scheint, wird das Gedächtnis narkotisiert, die Aufmerksamkeitsspanne wird geringer.“ Das alles mag für den Arbeitsmarkt wichtig sein, für den Zugang zur Schönheit ist diese Entwicklung hinderlich.“ Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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Christian Schüle seziert den Begriff der Heimat

In seinem neuen Buch „Heimat“ enttarnt er in der Form einer kritischen Zeitdiagnose die nostalgischen Verklärung von Heimat als Phantomschmerz und setzt allem Rückwärtsgewandten die Haltung des aufgeklärten Humanisten entgegen. Sie verbindet das Bedürfnis aller Menschen nach Zugehhörigkeit und Identität mit den Grundwerten der Demokratie. Dazu zählt Christian Schüle Pluralismus, Toleranz und Freiheit. Heimat – das ist zuerst einmal die Erinnerungen an die eigene Kindheit und Herkunft, die meist in einem rosaroten Licht erscheinen. Deshalb ist es mit Schmerzen verbunden, wenn die Heimat verlorengeht. Christian Schüle ergründet, wie dieser Schmerz in den Zeiten der Digitalisierung, der Globalisierung und der Migration gestillt werden kann. Christian Schüle ist freier Autor und Publizist. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt er Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Nur der menschliche Geist kann gänzlich Neues schaffen

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis künstliche Intelligenz auch das menschliche Bewusstsein überformt – so das Credo der Naturwissenschaften. Doch David Gelernter, der „Rockstar der Computerwissenschaften“ so die New York Times, stellt in seinem neuen Buch „Gezeiten des Geistes“ dieser pessimistischen Annahme die Vielgestaltigkeit, Einzigartigkeit und Freiheit des menschlichen Geistes entgegen. Kreativität und die Fähigkeit zur Introspektion sind nur dem Menschen gegeben. Das zeigen beispielsweise die literarischen Werke von William Shakespeare, Homer und Marcel Proust. Die Erkenntnisse von René Descartes, John Searle und Sigmund Freud haben im digitalen Zeitalter eine größere Bedeutung denn je. In einer interdisziplinären Analyse zeigt David Gelernter, was das menschliche Bewusstsein auszeichnet und worauf es für den Menschen in Zukunft wirklich ankommen wird. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale Universität.

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Claude Simon revolutioniert die europäische Romankunst

Der Schriftsteller Claude Simon entwickelt in seinen Geschichten Erzählformen und Satzkonstruktionen, die nach Marcel Proust und James Joyce, dem europäischen Roman eine neue Form geben. Dafür hat Claude Simon im Jahr 1985 den Nobelpreis für Literatur erhalten. In den Romanen „Der Wind“ (1957) und „Das Gras“ (1960) wendet der Autor schon die für ihn typischen langen Sätze an, die alle Konventionen des Satzbaus zertrümmern. In seinem siebten Werk „Die Straße in Flandern“ (1960) löst Claude Simon auch die überkommene Form des Romans ab. Er nimmt Abschied von psychologisch kausaler Schlüssigkeit, Chronologie und Handlung. Stattdessen konfrontiert er seine Leser mit in einen suggestiven Mahlstrom rotierender und immer wieder variierten Bilder, der in die Tiefen des Lebens vordringt, wie es zuvor in der europäischen Literatur nicht dagewesen ist.

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