Der Mensch beherrscht die Erde wie keine ander Spezies

Alles was die Menschen tun und sind, ist in der einen oder anderen Weise das Resultat der evolutionären Prägungen, die sie zu der Spezies gemacht hat, die den Planeten Erde beherrscht wie keine andere. Matthias Horx ergänzt: „Was uns von allen anderen Tierarten unterscheidet, ist die extreme Empfindlichkeit und Hilfsbedürftigkeit unserer Brut. Keine andere Spezies muss einen derart komplexen Aufwand treiben, damit ihre Babys überleben.“ Dazu zählen unter anderem Zuneigung, Ernährung, Schutz, Wärme, Erkennen, Berühren, Wickeln, Spielen, Erziehen, Ermahnen. Zwar gibt es auch im Tierreich Fürsorge – Ratten, Katzen, Hunde lecken und „groomen“ ihre Brut, Vögel bauen Nester, die sie auskleiden und warten geduldig, bis ihre Kinder flügge sind. Aber der Aufwand für den menschlichen Nachwuchs ist so gigantisch, dass er das ganze Leben fordert. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

Nur der Mensch kann in die Zukunft schauen

Und es ist auch ein mentaler Prozess, in dem Prognosen eine große Rolle spielen. Matthias Horx erklärt: „Tiere kennen nicht die vorausschauende Sorge, wie sie uns Menschen umtreibt – das langfristige Voraussehen von Gefahr, den Planungszwang. Denn anders als die Tiere hat der Mensch ein Hirn, das es uns erlaubt, in die Zukunft zu schauen.“ Er kann sich in allen Varianten ausmalen, was passieren könnte, wenn … Und deshalb baut und bastelt er unentwegt neue Nester, plant Erziehungsmaßnahmen, konstruiert unfallsichere Dreiräder und allergiefreie Schulspeisung.

Nirgends dauert es solange wie beim Homo sapiens, bis die nächste Generation jene Autonomie erlangt, in der sie zum Gruppenerfolg aktiv beitragen kann. Rund 14 bis 16 Jahre! In der modernen Welt scheint sich zudem diese Spanne noch ein weiteres Mal auszuweiten. Bildung und noch mal Bildung. Matthias Horx fügt hinzu: „Unruhe- und Orientierungsphasen machen unsere Brutphase zum größten Investment des Lebens.“ Keine andere Spezies hat zum Beispiel Säuglinge, die rund um die Uhr schreien können.

Beim Homo sapiens kann bei der Geburt viel schiefgehen

Keine andere Spezies hat Nachwuchs, der so stark zurückspiegelt, das heißt auf Verhalten reagiert. Auch eine Affenmutter schaut ihrem Säugling in die Augen. Aber nur kurz, als „Kontrollblick“. Keine hält stundenlange Zwiesprache mit ihrem Nachwuchs, singt, liest vor, wacht in endlosen Sitzungen am Krankenbett oder surft nachts im Internet zum Thema kindliche Aufmerksamkeitsstörungen. Auch die menschliche Geburt ist kaum vorhersagbar. Manche Anthropologen behaupten, das Gebären sei der Urgrund des menschlichen Hangs zum aufwendigen, ästhetisierten Höhlenbau.

Matthias Horx erläutert: „Unsere manische Art, Räume auszukleiden, Blumen aufzustellen, Kerzen anzubrennen, Düfte zu allen möglichen Festivitäten freizusetzen, verdanken wir einer Art wiederholender Geburtsvorbereitung.“ Bis in die vormoderne Welt gehörte der Tod bei der Geburt von Mutter und Kind zu den häufigsten Todesarten. Die meisten Tiere erholen sich vom Geburtsakt ziemlich schnell. Beim Homo sapiens hingegen kann viel schiefgehen. Der Fötus kann steckenbleiben oder er kann den Gebärtrakt so verletzen, dass die Mutter verblutet. Quelle: „Future Love“ von Matthias Horx

Von Hans Klumbies