Das Kulturelle ist gleichzeitig vielfältig und einzigartig

Wer die konzeptionelle Unterscheidung zwischen Abstand und Differenz einmal getroffen hat, versteht, weshalb es keine kulturelle Identität geben kann. Es führt in eine Sackgasse, wenn man im Hinblick auf die Verschiedenheit der Kulturen die Perspektive der Differenz einnimmt. Denn als Voraussetzung der kulturellen Unterschiede müsste man laut François Jullien logischerweise eine anfängliche Identität annehmen – eine gemeinsame, einheitliche, ursprüngliche Gattung – aus der heraus sich die Diversität der Kulturen entfaltet hat. François Jullien fügt hinzu: „Hat man sich erst einmal auf die Logik der Differenz eingelassen, muss man, das ist gewissermaßen die Vorbedingung, auch der Mythologie des ursprünglichen Einen und des Monismus Opfer bringen.“ Es ist schließlich leicht zu erkennen, dass das Kulturelle, auf welcher Ebene auch immer man es betrachtet, sich dadurch auszeichnet, dass es gleichzeitig vielfältig und einzigartig ist. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

Weiterlesen

Niemand ist seinen Ängsten hilflos ausgeliefert

Islamistischer Terror, rechtsextremistische Gewalt, die Umtriebe antidemokratischer Bewegungen, zunehmender Nationalismus und rechter Populismus in den westlichen Demokratien, die Herausforderungen, die die Flüchtlingskrise mit sich bringt, die vermeintlich zunehmende Ungleichheit: Die Welt scheint sich im Dauerkrisenmodus zu befinden und ein Ende der schlimmen Ereignisse und negativen Entwicklungen scheint nicht in Sicht zu sein. Georg Pieper versucht, diesen Ängsten zu trotzen und sagt sich, dass man sich von ihnen nicht unterkriegen lassen darf. Als verantwortungsbewusster Bürger muss dagegenhalten, auch wenn es manchmal schwerfällt. Georg Pieper stellt fest: „Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten konnte ich beobachten, wie auch bei besonnenen, reflektierten Menschen durch ein Schlüsselereignis die Angst plötzlich übermächtig werden kann und beginnt, das Denken und Handel zu beeinflussen.“ Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

Weiterlesen

Die Sieger werden unermesslich reich und unantastbar

Die Zukunft spaltete sich vor einem Jahrzehnt, plötzlich und ohne Vorwarnung. Menschen auf der ganzen Welt wurde im Jahr 2008 mitgeteilt, dass die großen Banken, denen alle etwas schulden und denen gegenüber alle Zahlungsverpflichtungen haben, sich verzockt haben – hoffnungslos, verantwortungslos, amoralisch und dumm. Philipp Blom fügt hinzu: „Und dann wurde ihnen mitgeteilt, man müsse ihnen gemeinsam erwirtschaftetes Geld geben, um ihnen über ihre Schwierigkeiten hinwegzuhelfen und so das ganze System vor dem Kollaps zu retten.“ Millionen von Menschen verloren ihr Haus, ihren Job, ihre Zukunft. Kaum ein Banker ging ins Gefängnis, und innerhalb weniger Jahre waren die Profite und Boni höher als je zuvor. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Weiterlesen

Menschen wollen in Harmonie mit sich und ihren Überzeugungen leben

Der gesunde Hausverstand lehrt, dass Menschen gemäß ihren Einstellungen handeln. Gläubige gehen sonntags häufiger in die Kirche. Befürworter einer Aidsprävention verwenden mehr Präservative. Mit der Arbeit Unzufriedene wechseln ihren Job. Grün-Wähler sind keine Vielflieger. Johannes Steyrer stellt klar: „All das hat seine Richtigkeit, aber nur in einem bescheidenen Ausmaß. Der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten ist, das ist in vielen Studien gezeigt worden, unbedeutender als vermutet.“ Wann beeinflussen Einstellungen das menschliche Verhalten? So viel ist gewiss, auf die Situation kommt es an. Eines der wichtigsten Konzepte der Sozialpsychologie, nämlich die „Theorie der kognitiven Dissonanz“, hat der Amerikaner Leon Festinger (1919 – 1989) entwickelt. Seither wird ihre Grundannahme in unzähligen Studien bestätigt: Menschen woll in Harmonie mit sich und ihren Überzeugungen leben. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Weiterlesen

François Jullien nähert sich den Kulturen mit dem Konzept des Abstands

Die Begriffe „Differenz“ und „Identität“ sind ein altes, von der Philosophie geerbtes Begriffspaar, das seit den alten Griechen auf der Erkenntnisebene erfolgreich funktioniert. François Jullien glaubt allerdings, dass eine Debatte, bei der es um die kulturelle „Identität“ geht, mit einem Geburtsfehler behaftet ist. Daher schlägt er eine konzeptuelle Verschiebung vor: „Anstatt die Verschiedenheit der Kulturen als Differenz zu beschreiben, sollten wir uns ihr mithilfe des Konzepts des „Abstands“ nähern; wir sollten sie nicht im Sinn von „Identität“, sondern im Sinn einer „Ressource“ und der „Fruchtbarkeit“ verstehen.“ Sowohl der Abstand als auch die Differenz markieren eine Trennung; die Differenz setzt dabei jedoch auf eine „Unterscheidung“ während der Abstand den Blick auf eine „Entfernung“ richtet. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

Weiterlesen

Wolfram Eilenberger beschreibt das wichtigste Jahrzehnt der deutschen Geistesgeschichte

Die Hauptfiguren in Wolfram Eilenbergers neuem Buch „Zeit der Zauberer“ sind die großen Denker Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin und Ernst Cassirer. In den Lebenswegen und dem revolutionären Denken dieser vier Ausnahmephilosophen sieht der Autor den Ursprung der heutigen Welt begründet. Ludwig Wittgenstein ist der Verfasser des legendären Werks „Tractatus-logico-philosophicus“. Er beendet das Buch in dem festen Bewusstsein, sämtliche Probleme des Denkens „im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben“. Martin Heidegger hatte im Frühjahr 1927 mit „Sein und Zeit“ sein Hauptwerk veröffentlicht, das binnen weniger Monate als neuer Meilenstein des Denkens anerkannt war. Ernst Cassirer veröffentlichte eine dreiteilige „Philosophie der symbolischen Formen“. Dieses Werk etablierte ihn als unbestrittenes Haupt des Neukantianismus und damit der führenden akademischen Strömung der deutschen Philosophie. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie“ im Schweizer Fernsehen.

Weiterlesen

In der Ekstase tritt das Denken aus sich selbst heraus

Plotin strebte ein Synthese des antiken Denkens an und entwickelte so eine Metaphysik des Einen, welche die Einheit als Grund und Bedingung alles Seienden und alles Denkbaren versteht. Den Urgrund des Bedingten und der Vielheit, der selbst urbedingt und absolut sein muss, nennt Plotin „das Eine“. Plotins Philosophie befasst sich anders als die platonische nicht nur mit der Frage des Aufstiegs zum Göttlichen, sondern auch mit dem Problem, wie das Göttliche sich in die Einzeldinge entfaltet hat. Diese Entfaltung des Einen in die verschiedenen Stufen des Seins – das Weltganze, den Geist, die Seele, die Einzeldinge – beschreibt Plotin als Vorgang der Emanation. Plotin lebte von circa 204 bis 270 nach Christus und lehrte in Rom seine neuplatonische Philosophie, die an Wirkmächtigkeit den Lehren von Aristoteles und Platon nicht nachstand.

Weiterlesen

Georg Pieper beschreibt die neurotische Gesellschaft

Eine wirklich angstvolle, neurotische Gesellschaft reagiert in akuten Situationen der Bedrohung eher panisch als besonnen. Als Psychologe weiß Georg Pieper, dass ein angstgeprägter Mensch sich schnell angegriffen fühlt und zurückschlägt. Aus psychologischer Sicht ist es seiner Meinung nach nicht auszuschließen, dass eine neurotische, von Angst gelenkte Gesellschaft mit einer entsprechenden politischen Führung aggressiv wird und schlechte Entscheidungen fällt. Die Gesellschaft in Deutschland driftet auseinander, diese beunruhigende und bedrückende Entwicklung verfolgt Georg Pieper schon länger. In den vergangenen Jahren wurde die Kluft zwischen Arm und Reich ständig größer und im sozialen Klima immer deutlicher spürbar. Nun treibt die Angst vor Terror und anderen Unsicherheiten weitere Risse durch die Gesellschaft und ist auf dem besten Wege, sie in unversöhnliche Fraktionen zu spalten. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

Weiterlesen

Rationales Denken besteht nicht nur aus Logik

Der Begriff „Gedankengang“ bedeutet nicht, dass die menschlichen Gedanken fein säuberlich hintereinandergelegt werden wie Dominosteine. Oft vermischen sie sich wie die Farben in einem Lichtstrahl, die allmählich ineinander übergehen. Manchmal denkt man auch an gar nichts und nimmt nur äußere Reize auf. Manchmal bleibt man stecken, und der Geist dreht sich im Kreis. Dennoch ist der „Gedankengang“ für David Gelernter ein nützlicher Begriff, wenn man seine Grenzen kennt. In der Regel ist es für einen Menschen immer leichter, sich an eine Lösung für ein Problem zu erinnern, als eine neue zu konstruieren. Rationales Denken besteht nicht nur aus Logik, nicht nur daraus, alle Daten und Annahmen zu sammeln und damit weiterzukommen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale Universität.

Weiterlesen

Bei guten Entscheidungen geht es um die bestmögliche Lösung

Wer gute Entscheidungen treffen will, muss sich von der Idee verabschieden, dass dies eine einsame Angelegenheit ist. Dennoch ist diese Idee immer noch insbesondere in Unternehmerkreisen weit verbreitet. Der Hirnforscher Ernst Pöppel ist davon überzeugt, dass Entscheidungen nur dann als gut empfunden werden, wenn die emotionalen Aspekte und Facetten beim Abwägen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit einbezogen werden. Ina Schmidt erklärt: „Bei jeder guten Entscheidung geht es darum, den Rahmen des Möglichen einzubeziehen: Welche Gründe führen zu meiner Entscheidung, wer ist an meiner Entscheidung beteiligt, in welcher Situation befinde ich mich, und welche Konsequenzen erwarte ich von meiner Entscheidung?“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Weiterlesen

Manipulative Tricks sind dreimal wirksamer als rationale Argumente

Wo es um Beeinflussung und Überzeugung geht, wird immer manipuliert. Diese These vertritt Johannes Steyrer in seinem neuen Buch „Die Macht der Manipulation“. Einer ist dabei obenauf, der andere hat das Nachsehen. Der Strategieprofi Johannes Steyrer schärft bei seinen Lesern die Wahrnehmung kleiner und großer Manipulationen. Wer sich die dahinter liegenden Prozesse bewusst macht, ist in der Lage, sie für sich selbst vorteilhafter zu gestalten. Denn manipulative Tools, Tipps, und Tricks sind dreimal wirksamer als rationale Argumente. Wer sie anwendet, erscheint auf einen Schlag um 20 Prozent sympathischer und erhöht den Anteil derer, die ihm in einer misslichen Lage helfen, um das Dreifache. Seine Erkenntnisse verknüpft der Autor mit amüsanten Geschichten des Alltags und belegt sie mit aktuellen Forschungsergebnissen aus der Psychologie und der Wirtschaftswissenschaften. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Weiterlesen

Die Philosophie kennt die Wege zum einfachen Leben

Im Titelthema beschäftigt sich das neue Philosophie Magazin 03/2018 mit der Frage warum das scheinbar einfache Leben so kompliziert ist, obwohl es sich so einfach anhört. Die meisten Menschen denken dabei an Gelassenheit, geistige Weite und an eine Existenz, die ihre Freiheit in der Beschränkung findet. Das einfache Leben verspricht Balance, Übersicht und einen Halt in einer Welt die immer unübersichtlicher zu werden scheint. Doch viele, die schon einmal versucht haben, ihr Dasein auf die einfachen Dinge des Lebens zu reduzieren, sind an den Realitäten des Alltags oder an sich selbst gescheitert. Die Philosophie kennt drei Wege zum einfachen Leben: Erstens führt nur die Übung einen Menschen zur Leichtigkeit. Das zweite Geheimnis einer erfüllten Existenz ist die Leere. Die dritte Voraussetzung ist die der Selbsterkenntnis.

Weiterlesen

Die geistige Unabhängigkeit ist die Voraussetzung für politische Freiheit

Derjenige Mensch, der in Unverständnis verharrt, lebt in tiefster Sklaverei. In seinem Werk „Versuch über den menschlichen Verstand“ leistete John Locke einige seiner folgenreichsten Beiträge zur Befreiung des Menschen. Der kanadische Politikwissenschaftler und Philosoph Charles Taylor weist darauf hin, dass der ganze Essay gegen diejenigen gerichtet ist, die anderen Vorschriften machen wollen, indem sie trügerische und vermeintlich über jeden Zweifel erhabene Grundsätze anwenden, wie beispielsweise die angeblich angeborenen Prinzipien. Matthew B. Crawford erklärt: „Gemeint sind die Priester und Scholastiker, die Bewahrer einer verkalkten aristotelischen Tradition. Ungeachtet der Reformation waren politische und kirchliche Autorität in John Lockes Zeit eng verwoben und hingen voneinander ab.“ Folglich war die geistige Unabhängigkeit Voraussetzung für die politische Freiheit. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

Weiterlesen

Aristoteles erfindet die wissenschaftliche Psychologie

Als Erfinder der wissenschaftlichen Psychologie gilt der griechische Philosoph Aristoteles. Er analysiert nicht nur unterschiedliche Funktionen der menschlichen Seele, sondern untersucht daneben auch das Ernährungsvermögen der Pflanzen sowie das Wahrnehmungsvermögen der Tiere, die beide im Menschen in höherer Form wiederkehren. Hinter dieser Unterscheidung verschiedener Stufen des Seelischen steht die Überzeugung, dass die Seele innerhalb der Natur insgesamt als dasjenige Prinzip fungiert, wodurch sich Leben gegenüber dem Unbelebten auszeichnet. Die Verbindung von Leib und Seele dokumentiert sich vor allem in den Affekten des Menschen. Aristoteles reagierte mit „De anima“ auf eine breite Tradition von Seelenvorstellungen, die er teils aufnimmt, teils kritisch zu berichtigen sucht. Einige behielten ihre Bedeutung auch in der weiteren Wirkungsgeschichte. Auf Sokrates geht die Auffassung zurück, die wichtigste Aufgabe des Menschen bestehe darin, für seine Seele zu sorgen.

Weiterlesen

Große Kulturen haben niemals autochthone oder nationale Wurzeln

Wie kein anderes Volk der Antike suchten die Griechen nach Erkenntnis und versahen die Dinge mit Namen. Schon das Wort „Philosophie“, „Weisheitsliebe“, entstammt der griechischen Sprache. Bernd Roeck erläutert: „Mit der ionischen Naturphilosophie zeigt sich das Fragen und Forschen, die Erkundigung, „historie“, erstmals als systematisches Unterfangen.“ Zur kommunikationsfreudigen Geografie des Mittelmeers, zu politischen und sozialen Umständen kam ein weiterer, das Gespräch bereichernder Faktor: die Beziehungen zum Orient. Große Kulturen haben niemals autochthone oder nationale Wurzeln. Sie entstehen durch Austausch und fruchtbaren Streit. So verdankt griechischer Geist dem Orient mehr, als das Geschichtsbild des humanistischen Gymnasiums wahrnahm. Die griechische Skulptur zum Beispiel nimmt mit Kulturtransfers aus Ägypten ihren Anfang. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Weiterlesen

Weise Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Fehler

Das Nachdenken über Erfahrungen fällt den meisten Menschen vor allem dann schwer, wenn ihr Handeln nicht zu einem erfreulichen Ergebnis geführt hat, sondern negative Folgen hatte. Judith Glück ergänzt: „Aus vielen Studien und jeder Menge Alltagserfahrung wissen wir, dass die meisten Menschen eher dazu neigen, ihre eigene Verantwortung für das, was nicht so gut gelaufen ist, möglichst weit wegzuschieben.“ Das Wegschieben der eigenen Schuld im Kleinen wie im Großen ist so häufig und allgegenwärtig, dass es einem völlig den Wind aus den Segeln nehmen kann, wenn sich jemand für sein Fehlverhalten einfach nur entschuldigt. Weise Menschen können das, sie haben die Größe, ihre eigenen Handlungen kritisch zu hinterfragen, die Verantwortung für Fehler zu übernehmen und aus ihnen zu lernen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Weiterlesen

Die Renaissance war die faszinierendste Epoche der Geschichte Europas

In seinem neuen Buch „Der Morgen der Welt“ entfaltet der Historiker Bernd Roeck ein beeindruckendes Panorama der europäischen Renaissance, jener glanzvollen Zeit, die erst Europa und dann die ganze Welt für immer veränderte. In dieser Epoche gab es revolutionäre Umbrüche es in der Politik, der Religion, den Künsten und der Philosophie. Zugleich erklärt Bernd Roeck warum es ausgerechnet in Europa zu dieser einzigartigen Anhäufung von weltbewegenden Innovationen und Ideen, historischen Umwälzungen, spektakulären Erfindungen und Entdeckungen sowie künstlerischen Jahrtausendwerken kommen konnte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Renaissance die wohl faszinierendste Epoche der Geschichte Europas war, die keineswegs allein aus der Wiederbelebung antiker Traditionen war. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Weiterlesen

Tali Sharot erklärt die Theory of Mind

Das menschliche Gehirn ist so eingerichtet, das es automatisch von anderen Menschen lernt. Tali Sharon erklärt: „Vom Tag unserer Geburt sind wir damit beschäftigt nachzuahmen, wir bewerten automatisch permanent die Ergebnisse fremder Entscheidungen, unsere Erinnerungen verändern sich so, dass sie sich denen anderer anpassen, und unsere Neuronen reagieren auf Fehlschläge und Erfolge aller Menschen um uns herum. Es gibt noch ein weiteres trickreiches System, dessen sich unser Gehirn dafür bedient – die Theory of Mind oder Naive Theorie.“ Das Prinzip der Theory of Mind ist die Fähigkeit des Menschen, darüber nachzudenken, was andere Menschen denken. Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaften promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London.

Weiterlesen

Blaise Pascal hat die Philosophiegeschichte nachhaltig beeinflusst

Blaise Pascals „Gedanken“ liegen nun im Marix Verlag vollständig in einer neuen präzisen Übersetzung von Bruno Kern vor. Die Fragmente aus dem Nachlass von Blaise Pascal wurden zu Themen gegliedert, die der heutigen Zeit entsprechen. Zudem erleichtern eine ausführliche Einleitung und zahlreiche Fußnoten die Orientierung und das Verständnis des Textes. Blaise Pascals Gedanken, die die Geistesgeschichte erschüttert haben, sind auch in der heutigen Zeit noch aktuell. Der französische Philosoph, Mathematiker, Physiker und Literat hat äußerst scharf über die menschliche Existenz nachgedacht und mit seinen „Pensées“ die Philosophiegeschichte und darin vor allem die Existenzphilosophie nachhaltig beeinflusst. Dem Rationalismus seiner Zeit antwortet er mit seinem „esprit de finesse“ und seiner „Logik des Herzens“. Der Übersetzer und Herausgeber Bruno Kern lebt in Mainz und arbeitet als selbstständiger Lektor, Übersetzer und Autor.

Weiterlesen

Weise Menschen sind Meister im kritischen Reflektieren

Weise Menschen denken nach. Sie tun das gerne und mehr als andere Leute, und vor allem denken sie oft etwas weiter. Viele Menschen neigen allerdings dazu, einfachen Erklärungen komplizierter Sachverhalte Glauben zu schenken. Judith Glück nennt ein Beispiel: „Wenn ein Politiker verspricht, ein Problem, an dem bisher alle gescheitert sind, einfach durch gesunden Menschenverstand zu lösen, zieht das hoffnungsvolle Wähler und Wählerinnen an, weise Menschen macht es eher skeptisch.“ Sie wissen, dass die Hintergründe eines solchen Problems komplex sind, dass es viele Beteiligte mit unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen gibt und dass bei einer allzu einfachen Lösung manche – oft die Schwächeren – auf der Strecke bleiben. Weise Menschen, versuchen Lösungen zu finden, die die unterschiedlichen Gesichtspunkte und Interessen ausbalancieren, so dass insgesamt der bestmögliche Kompromiss gefunden wird. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Weiterlesen

Dem Verstehen sind keine Grenzen gesetzt

Die Philosophin und politische Denkerin Hannah Arendt hat auf die Frage nach dem Grund ihrer philosophischen Arbeit geantwortet: „Ich will verstehen.“ Darin liegen sowohl Ursache als auch Zielsetzung ihres Denkens und Arbeitens, ohne dass deshalb ein Konflikt entstehen muss. Denn dieser Wunsch zu verstehen ist nicht an eine konkrete Situation gebunden oder auf einen Menschen gerichtet, der verstanden werden will, sondern gemeint ist ein „existentielles Verstehen“, das sich an die eigene Person und ihren Platz in der Welt richtet. Ina Schmidt erläutert: „Hannah Arendt versucht das Wesentliche zu ergründen, zum Beispiel zu fragen, was wir tun, wenn wir tätig sind, welche Tugenden eine Gemeinschaft zusammenhält oder was das Wesen des Bösen ausmacht.“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Weiterlesen

Liebe und Sexualität sind ausschlaggebend für das Glück

Liebe und Sexualität sind die bei weitem wichtigsten emotionalen Faktoren für das unmittelbare genetische Fortbestehen der Menschheit. So überrascht es Eyal Winter nicht, dass nahezu 80 Prozent der Studienteilnehmer, die Daniel Kahneman und seine Kollegen im Rahmen einer Studie über Glück untersuchten, angegeben haben, Sexualität und Liebe seien ich ihrem Leben am ausschlaggebendsten für ihr Glück. Die Institution der Ehe, die beinahe in jeder Kultur anzutreffen ist, verdeutlicht ganz stark die Haltung gegenüber Liebe und Sexualität, die für den Menschen charakteristisch ist. Denn das Aufziehen eines Kindes ist ein sehr langer und komplexer Prozess, der die Beteiligung von mehr als nur einem Elternteil erfordert. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

Weiterlesen

Der Traum ist eine Halluzination

Beim Träumen wartet das Gedächtnis mit einer Sequenz aus halluzinierten Gedanken auf, die vom bewussten Geist in eine kontinuierliche Halluzination, eine Art Geschichte, verwandelt werden. David Gelernter erläutert: „Eine Erzählepisode geht ohne eindeutigen Grund in die nächste über, als würde der Autor eines Romans ständig seltsame Mitteilungen vom Mars erhalten, von denen er jede einzelne in seine Handlung einarbeiten muss.“ Das würde nur funktionieren, wenn seine Zuhörer erstaunlich leichtgläubig wären. Aber natürlich ist das schlafende Selbst tatsächlich bemerkenswert vertrauensselig. Der Traum ist eine Halluzination, aber nicht alles in ihm ist ein Produkt der Fantasie. Wenn man zum Beispiel im Traum die Alarmanlage eines Autos hört, könnte das eine Halluzination sein – oder aber auf der Straße heult tatsächlich eine Sirene. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

Weiterlesen

Durch harte Strafen wird kaum je ein Schaden repariert

Zorn wird in der philosophischen Tradition wie folgt aufgefasst: Es handelt sich dabei um eine nach Vergeltung strebende und mit Hoffnungen verbundene Bewegung nach außen, die auf das Leid des anderen aus ist, zum Zwecke und als Möglichkeit der Linderung des eigenen Schmerzes oder der Entschädigung dafür. Martha Nussbaum stellt in diesem Fall die Frage nach dem warum: „Warum würde eine intelligente Person die Ansicht vertreten, dass es ihren eigenen Schmerz lindert oder beendet, wenn dem Angreifer Schmerz zugefügt wird? Es scheint, als sei hier eine Art magisches Denken am Werk. In der Realität wird durch harte Strafen kaum je ein Schaden repariert.“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

Weiterlesen

Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip

Die meisten Menschen haben das in ihrem Leben schon einmal, oder auch öfters, erlebt: Der Herzschlag ist ständig leicht erhöht. Man fühlt sich leicht fiebrig und braucht wenig Schlaf. Die Welt wirkt über alle Maßen plastisch und greifbar. Man ist leicht konfus, aber auch wieder sehr konzentriert. Matthias Horx löst das Rätsel: „Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip. Und genau das ist es auch. Die Droge heißt Dopamin.“ Schon der griechische Philosoph Platon formulierte: „Die Liebe erzeugt eine ähnliche Dringlichkeit wie Durst und Hunger.“ In seinem Buch „Resonanz“ schreibt der Soziologe Hartmut Rosa: „Wer verliebt ist, ist auf eine andere, verwandelte, neue Weise in die Welt gestellt, denn er oder sie verfügt nun übern den „vibrierenden Draht“ zur Welt – in Form des oder der Geliebten, das entscheidende Kriterium einer resonanten Weltbeziehung.“ Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

Weiterlesen