Wer gute Entscheidungen treffen will, muss sich von der Idee verabschieden, dass dies eine einsame Angelegenheit ist. Dennoch ist diese Idee immer noch insbesondere in Unternehmerkreisen weit verbreitet. Der Hirnforscher Ernst Pöppel ist davon überzeugt, dass Entscheidungen nur dann als gut empfunden werden, wenn die emotionalen Aspekte und Facetten beim Abwägen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit einbezogen werden. Ina Schmidt erklärt: „Bei jeder guten Entscheidung geht es darum, den Rahmen des Möglichen einzubeziehen: Welche Gründe führen zu meiner Entscheidung, wer ist an meiner Entscheidung beteiligt, in welcher Situation befinde ich mich, und welche Konsequenzen erwarte ich von meiner Entscheidung?“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.
Viele kleine Veränderungen fühlen sich anfänglich an wie Unzulänglichkeiten
Eine wichtige Faustregel, an die man immer denken sollte, wenn man vor einer wichtigen Entscheidung steht, lautet: Unabhängig von konkreten und greifbarem Wissen, das man sich durch Informationen aneignen kann, gibt es offenbar so etwas wie eine Gewissheit, die in aller Unsicherheit dafür sorgt, das man sich seiner Entscheidung sicher ist. Viele Entscheidungen trifft man auf der Basis guter Hoffnung und dem Vertrauen, dass man da irgendwie mitwächst.
Viele kleine Veränderungen fühlen sich anfänglich an wie Unzulänglichkeiten. Ina Schmidt nennt Beispiele: „Ich kriege es halt nicht besser hin, Kompromisse gehören dazu – ist eben nicht perfekt und so weiter – so manches wurde unter Zeitdruck entschieden, übermüdet und unaufmerksam, und das, was dabei zustande kam, war alles Mögliche, aber ganz sicher nicht immer ein wirklich gelungenes Ergebnis.“ Manchmal hat man auch das Gefühl, die Kontrolle, den Überblick verloren zu haben und nicht mehr sicher zu sein, ob man das Ruder wirklich fest in der Hand hat.
Das Chaos wendet sich manchmal völlig unterwartet zum Guten
Wichtig ist die Erkenntnis, dass man eben nicht alles richtig machen kann – selbst wenn man glaubt, alles dafür getan zu haben. Ina Schmidt erläutert: „Das klingt nach Ernüchterung, meint aber Erleichterung. Denn diese Erkenntnis hat mich von so mancher romantischen Vorstellung befreit, dass sich Entscheidungen ineinander fügen oder dass Ursache und Wirkung wirklich linear miteinander zusammenhängen.“ Diese Erkenntnis hat Ina Schmidt zugleich demütiger und gleichzeitig kritischer werden lassen.
Zudem ist Ina Schmidt zu der Ansicht gelangt, dass aus dem Chaos nicht nur katastrophale Unordnung entsteht, sondern auch plötzliche Momente, in denen sich alles völlig unerwartet zum Guten wendet – ohne dass irgendjemand wirklich etwas dafür tun musste. Bei eine guten Entscheidung geht es nicht um das einzig mögliche Ergebnis, sondern um die bestmögliche Lösung auf der Basis gegenwärtiger Kriterien beziehungsweise Beschränkungen. Quelle: „Das Ziel ist im Weg“ von Ina Schmidt
Von Hans Klumbies