Dem Verstehen sind keine Grenzen gesetzt

Die Philosophin und politische Denkerin Hannah Arendt hat auf die Frage nach dem Grund ihrer philosophischen Arbeit geantwortet: „Ich will verstehen.“ Darin liegen sowohl Ursache als auch Zielsetzung ihres Denkens und Arbeitens, ohne dass deshalb ein Konflikt entstehen muss. Denn dieser Wunsch zu verstehen ist nicht an eine konkrete Situation gebunden oder auf einen Menschen gerichtet, der verstanden werden will, sondern gemeint ist ein „existentielles Verstehen“, das sich an die eigene Person und ihren Platz in der Welt richtet. Ina Schmidt erläutert: „Hannah Arendt versucht das Wesentliche zu ergründen, zum Beispiel zu fragen, was wir tun, wenn wir tätig sind, welche Tugenden eine Gemeinschaft zusammenhält oder was das Wesen des Bösen ausmacht.“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

Philosophie ist die „Liebe zur Weisheit“

Dem Wunsch, verstehen zu wollen, sind keine Grenzen gesetzt, aber er braucht einen Rahmen und ein Rüstzeug, mit dem an sich auf die Suche nach Antworten machen kann. Beim Denken kann man sich mit wenig oder viel, mit einfachen oder komplexen Gedanken abgeben. Das hat nicht immer mit gut oder schlecht zu tun, so manch einfacher Gedanke ist einer komplizierten Theorie weit überlegen – aber es hat damit zu tun, welche Möglichkeiten sich auf die eine oder andere Weise im Denken eröffnen können.

Philosophie ist kein Anspruch auf Wahrheit oder letzte Antworten, sondern sie bedeutet ihrem begriffliche Ursprung nach zunächst nicht mehr und nicht weniger als die „Liebe zur Weisheit“ – eine Liebe, die es wert ist, die Dingen nachzugehen, und die darüber staunt, was ihr auf dem Weg begegnet. Philosophisches Denken stellt Fragen, klärt die eigenen Begriffe und Denkmuster, die man tagein, tagaus benutzt, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Dieses Bild kann sehr unterschiedlich ausfallen, es kann aus einem großen oder vielen kleinen Teilen bestehen.

In der Philosophie geht es nicht um ein einzig wahres Richtig oder Falsch

Das, was die Philosophie ausmacht, ist die Fähigkeit, gute Gründe zu nennen, warum man die Dinge so oder so sehen oder eben auch nicht sehen kann. Es geht also nicht um ein einzig wahres Richtig oder Falsch, sondern darum, sich klar darüber zu werden, was man warum tut – warum man dieses sucht, jenes aber nicht, und mit so manch anderem erst einmal gar kein Problem hat. Und wenn man soweit ist, hat man schon eine Menge von der Philosophie verstanden, auch wenn man dennoch nicht immer weiter weiß.

Ein Philosoph beschrieb das Wesen der Philosophie einmal mit der Kunst, sich „tastend aus einer offen eingestandenen Unsicherheit herausarbeiten“ zu können. Meist ist es dabei die wesentliche erste Frage, die am schwierigsten zu finden ist – was will man eigentlich wissen, was genau besser verstehen? Ina Schmidt weiß: „Aber aus dieser Unsicherheit gibt es nur einen Weg – es zu versuchen: nicht in der Zerstreuung und Ablenkung, sondern im eigenen Nachdenken einen Ausdruck für das zu finden, was bedeutsam ist.“ Quelle: „Das Ziel ist im Weg“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies

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