Aristoteles erfindet die wissenschaftliche Psychologie

Als Erfinder der wissenschaftlichen Psychologie gilt der griechische Philosoph Aristoteles. Er analysiert nicht nur unterschiedliche Funktionen der menschlichen Seele, sondern untersucht daneben auch das Ernährungsvermögen der Pflanzen sowie das Wahrnehmungsvermögen der Tiere, die beide im Menschen in höherer Form wiederkehren. Hinter dieser Unterscheidung verschiedener Stufen des Seelischen steht die Überzeugung, dass die Seele innerhalb der Natur insgesamt als dasjenige Prinzip fungiert, wodurch sich Leben gegenüber dem Unbelebten auszeichnet. Die Verbindung von Leib und Seele dokumentiert sich vor allem in den Affekten des Menschen. Aristoteles reagierte mit „De anima“ auf eine breite Tradition von Seelenvorstellungen, die er teils aufnimmt, teils kritisch zu berichtigen sucht. Einige behielten ihre Bedeutung auch in der weiteren Wirkungsgeschichte. Auf Sokrates geht die Auffassung zurück, die wichtigste Aufgabe des Menschen bestehe darin, für seine Seele zu sorgen.

Der Neuplatonismus bekräftigt den Unsterblichkeitsglauben

Platon setzte diese Maxime dahingehend um, dass er eine Dreiteilung der Seele entwarf, die er sowohl seiner Anthropologie wie einer Staatslehre zugrunde legte. Darüber hinaus rezipierte er ältere Lehren über das jenseitige Schicksal der Seele. So finden sich bei Platon ebenso Spuren der homerischen Hauchseele wie Anklänge an jüngere Mysterienkulte. Am auffälligsten ist die Einbeziehung des Unsterblichkeitsmythos der orphisch-pythagoreischen Kreise. Platon verlieh ihm dadurch besonderes Gewicht, dass er ihn mit der von ihm entworfenen Ideenlehre verband.

Die Stoa setzte wiederum andere Akzente, indem sie den gesamten Kosmos von einem stofflichen Pneuma durchdrungen sah und speziell hinsichtlich des Menschen den Nachdruck auf die Mehrheit stofflicher Seelenteile legte, um aus deren unterschiedlichen Zuordnungsmöglichkeiten die faktische Verschiedenheit psychischer Zustände zu erklären. Mittel- und Neuplatonismus bekräftigten den Unsterblichkeitsglauben durch die Unterscheidung von individueller Geistseele und universeller Weltseele.

In der Scholastik gilt die Seele als Formprinzip des Lebens

Allein Atomismus und Epikureismus standen ihm ablehnend gegenüber. Für die Aristoteliker hingegen wurde die Andeutung von „De anima“ wichtig, wonach das Denkvermögen des Menschen, sofern es sich nicht an sinnlichen Vorstellungen betätigt, vermutlich vom Körper „getrennt“. Die Rezeption des griechischen Seelenbegriffs durch die christliche Theologie verlief im Wesentlichen phasenidentisch mit der des griechischen Denkens überhaupt. In der Alten Kirche stand zunächst seine mittelplatonische, dann seine neuplatonische Fassung im Vordergrund.

Den Höhepunkt bildet Augustins Religionsphilosophie der inneren Einkehr und autobiographischer Anamnese. Die Scholastik bevorzugte die aristotelische Variante: Seele als Formprinzip des Lebens. Beides mal versprach man sich von der Übernahme der philosophischen Begrifflichkeit einen Zugewinn an wissenschaftlicher Präzision und Anthropologie und Ethik. Die vorgefundene Lehre von der Unsterblichkeit der Seele sollten des Näheren die inhaltlichen Lücken und Aporien des biblischen Auferstehungsgedankens ausfüllen beziehungsweise ausgleichen. Quelle: „Handbuch Europäische Aufklärung“ von Heinz Thoma (Hrsg.)

Von Hans Klumbies