Zorn entsteht oft durch eine Statusverletzung

In der von der Psychologin Carol Travis vorgelegten umfangreichen empirischen Untersuchung des Zorns finden sich überall Belege für „Kränkungen“, „Geringschätzigkeit“, „herablassendes Verhalten“ und eine „Behandlung, als hätte man keine Bedeutung“. Die Menschen sind heutzutage wie auch in früheren Zeiten ungemein besorgt um ihr Ansehen. Und sie haben eine endlose Bereitschaft, sich von Handlungen, die sie dem Anschein nach darin bedrohen, in Zorn versetzen zu lassen. Diese Art der empfundenen Herabsetzung bezeichnet Martha Nussbaum als „Statusverletzung“. Allein die Idee der Statusverletzung schließt bereits die Vorstellung einer Unrechtmäßigkeit ein. Denn Statusminderung ist gemeinhin beabsichtigt, wie schon der griechische Philosoph Aristoteles wusste. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Manchmal kann das Verlangen nach Rache gerechtfertigt sein

Zwar ermorden nur wenige betrogene Ehepartner wie Medea ihre Kinder, um den Betrüger zu verletzen, doch Schmerz zufügen wollen mit Sicherheit viele. Ihre entsprechenden Anstrengungen haben laut Martha Nussbaum nicht selten schwere Kollateralschäden zur Folge. Auch wenn die Selbstbeherrschung den betrogenen Teil davon abhält zu tun, was er in seiner Wut am liebsten tun würde, so gärt es doch weiter in ihm, und er setzt all seine Hoffnungen darauf, dass es dem betrügenden Teil und seiner neuen Familie irgendwie schlecht ergeht. Und wie oft geschieht es nicht, dass der böse Wille aufs Neue durchbricht – sei es in Gerichtsverfahren, in der subtilen Beeinflussung der Kinder oder einfach nur in der mangelnden Bereitschaft, Männer wieder Vertrauen entgegenzubringen. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Ein sanftmütiger Mensch lässt sich nicht vom Affekt fortreißen

Wenn sich ein Mensch aus seiner narzisstischen Selbstverstrickung löst, wird ihm auf zweierlei Weise geholfen. Erstens ist er nicht mehr der Verzerrung eines Denkens unterworfen, das alles auf die eigene Person bezieht, und zweitens ist er gezwungen, das Wohl eines jeden zu berücksichtigen, nicht nur das der Partei, der Unrecht geschehen ist. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Aristoteles macht einen ergänzenden Vorschlag: Ihm zufolge vermeidet wir unangebrachten Zorn aufgrund des Statusdenken, indem wir den Standpunkt der Person einnehmen, die uns verletzt hat. Aristoteles gibt der tugendhaften Veranlagung eine Bezeichnung, die auf denkbar wenig Zorn hindeutet: „Sanftmut“. Das Kennzeichen der Sanftmut sind triftige Gründe. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Durch harte Strafen wird kaum je ein Schaden repariert

Zorn wird in der philosophischen Tradition wie folgt aufgefasst: Es handelt sich dabei um eine nach Vergeltung strebende und mit Hoffnungen verbundene Bewegung nach außen, die auf das Leid des anderen aus ist, zum Zwecke und als Möglichkeit der Linderung des eigenen Schmerzes oder der Entschädigung dafür. Martha Nussbaum stellt in diesem Fall die Frage nach dem warum: „Warum würde eine intelligente Person die Ansicht vertreten, dass es ihren eigenen Schmerz lindert oder beendet, wenn dem Angreifer Schmerz zugefügt wird? Es scheint, als sei hier eine Art magisches Denken am Werk. In der Realität wird durch harte Strafen kaum je ein Schaden repariert.“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Martha Nussbaum macht sich Gedanken über den Zorn

Wie alle wesentlichen Emotionen hat auch der Zorn einen geistigen beziehungsweise intentionalen Gehalt, der unter anderem Beurteilungen und Bewertungen verschiedener Art einschließt. Häufig umfasst dieser nicht nur wertgeladene Beurteilungen, sondern auch Ansichten und Überzeugungen. Darüber hinaus sind die im Zorn beteiligten Beurteilungen und Überzeugungen in einem von Martha Nussbaum verwendeten Wort „eudämonistisch“: „Der Einzelne gelangt von seinem Standpunkt aus zu ihnen; sie sind Ausdruck seiner Auffassung von den wichtigen Dingen im Leben, und nicht irgendwelcher losgelösten und unpersönlichen Wertvorstellungen.“ Selbst wenn sich ein Zorn um Grundsatzfragen dreht, wenn Fragen der Gerechtigkeit, vielleicht sogar der globalen Gerechtigkeit eine Rolle dabei spielen, liegt der Grund dafür darin, dass ein Mensch solche Sorgen und Belange in seine Vorstellung davon hat integrieren können, worauf es im Leben ankommt. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Der Zorn hat eine gute und eine schlechte Seite

Zorn hat einen zwiespältigen Ruf. Einerseits gilt er als wertvoller Teil des moralischen Lebens, als unerlässlich für die ethischen wie die politischen Beziehungen der Menschen. Der entschiedenen Auffassung mancher Philosophen ist der Zorn eng mit der Selbstachtung und dem Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit verknüpft. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Andererseits durchzieht die Vorstellung vom Zorn als einer zentralen Bedrohung des vernünftigen Miteinanders die philosophische Tradition des Westens – unter anderem das politische Denken zu Zeiten des Aischylos, die Texte von Sokrates und Platon, der griechischen und römischen Stoiker, der im 18. Jahrhundert wirkenden Philosophen Joseph Butler und Adam Smith und diejenigen zahlreicher weiterer einschlägiger Denker.“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Aggression ist nicht die häufigste Art des Konfliktverhaltens

Der Ausdruck „Konflikt“ erzeugt bei vielen Menschen die Vorstellung, dass „die Fetzen fliegen“. Aber Konflikte sind nicht notwendig mit aggressivem Verhalten verbunden. Hans-Peter Nolting nennt ein Beispiel: „Wenn unvereinbare Wünsche und Absichten aufeinandertreffen, wenn beispielsweise Ehepartner das begrenzte Geld für unterschiedliche Dinge ausgeben möchten, liegt ein Konflikt vor.“ Konflikte in diesem Sinne sind unvermeidlich, denn es ist nicht möglich, dass zwei Menschen immer dasselbe wollen und das auch noch im selben Augenblick. Ein ganz anderer Sachverhalt ist indes der Umgang mit dem Konflikt, das Konfliktverhalten. Hier unterscheidet Hans-Peter Nolting drei Grundtypen: „Aggressiv, meidend und konstruktiv.“ Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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