Friedrich Schiller ist mit dem Stück „Die Räuber“ bekannt geworden

In den frühen 1780er Jahren war Friedrich Schiller mit „Die Räuber“ bekannt geworden. Dabei handelt es sich um ein Stück über zwei adlige Brüder, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie nach Macht oder nach Freiheit streben sollten. Andrea Wulf blickt zurück: „Schiller wurde 1789 im Herzogtum Württemberg geborgen, wo sein Leben vom despotischen Herzog Karl Eugen überschattet wurde – eines Landesherrn, der sein Geld vor allem für Paläste, Feste und Kunst ausgab.“ Nach dem Vorbild des französischen Königs in Versailles war der Hof des Herzogs opulent, förmlich und absolut. Als Autorin wurde Andrea Wulf mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet, vor allem für ihren Weltbestseller „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ 2016, der in 27 Sprachen übersetzt wurde.

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William Shakespeare schrieb Tragödien und Komödien

Ágnes Heller weiß: „In der Neuzeit war die strikte Trennung zwischen tragischem Dichter und komischem Dichter bereits überholt.“ Sokrates schlug vor, dass derselbe Dichter Tragödie und Komödie schreiben sollte. Dabei bezog er sich offensichtlich auf seine eigenen philosophischen Dialoge, die sowohl tragisch als auch komisch waren. Doch der erste Dichter, der sowohl Tragödien als auch Komödien und darüber auch „Romanzen“ schrieb, war William Shakespeare. Und er tat noch etwas Unerhörtes: Es gab komische Szenen in seinen Tragödien als auch tragische Szenen in seinen Komödien. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Spiel ist schöpferisches Tun und Zeit der Eroberung

„Denn … der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Friedrich Schiller weist dem Spiel mit diesen Worten eine herausragende Rolle in seinem idealen Programm zur ästhetischen Erziehung des Menschen zu. Dieses strebt eine schöpferische und glückliche Subjektivität an, wo Leidenschaft und Vernunft, das Schöne und das Gute endlich in erhoffter Harmonie zusammen existieren können. Isabella Guanzini weiß: „Wenn man spielt, vergessen die unterschiedlichen Seelenvermögen ihre Konflikte und Eifersüchteleien. Und alles nimmt einen leichteren Ton an, ohne an Intensität zu verlieren.“ Es ist als gewänne das Spiel jedes Mal diese ursprüngliche Dimension des Lebens zurück. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

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Der Mensch ist mehr als sein Schein

Søren Kierkegaard wirft sich im Namen der Leidenschaft in die Arme der Religion. Friedrich Nietzsche wendet sich im Namen des Willens zur Macht gerade von ihr ab. Beide sehen sich aber gezwungen die Vernunft zu relativieren und sie etwas Größerem, Stärkerem und Mächtigerem unterzuordnen. Auch das zeichnet sich für Ger Groot seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bereits ab: „Im Spieltrieb sucht Friedrich Schiller nicht länger nach einer Annäherung an die Wirklichkeit, sondern sieht darin eine Hinwendung zum Schein.“ Der Kunst des noch nicht Wirklichen wird dabei eine höhere Wahrheit zugeschrieben als dem Reellen. Die Rationalität kann nicht länger als Prüfung gelten. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Der spielende Mensch ist der Urtyp der Künstlers

Volker Gerhardt weiß: „Platon erkennt schon in einem seiner frühen Dialoge im spielenden Menschen den Urtypus des Künstlers. Das Spiel und die Kunst stehen in enger Verbindung.“ Das gilt bis hin zu Immanuel Kants Rede vom „freien Spiel“ der Einbildungskraft, die das Erleben des Schönen und Erhabenen ermöglicht. Diese Formulierung beschränkt sich auf das Zusammenwirken von Anschauung und Verstand. Dennoch hat sie Friedrich Schiller zu einer poetischen Definition des Menschen inspiriert, die zum geflügelten Wort geworden ist: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Schon Friedrich Schiller hätte bereits vom homo ludens sprechen können. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Deutschland war einst eine „Kulturnation“

Thea Dorn beschäftigt das gemeinsame Erbe der „Reue“, das der Nationalsozialismus und der Holocaust den Deutschen hinterlassen haben. Sie geht der Frage nach, worin das gemeinsame Erbe des „Ruhms“ für die Deutschen liegen könnte. Herfried Münkler hat sich in seinem Buch „Die Deutschen und ihre Mythen“ ausführlich mit dem schwierigen Thema befasst. Bei sämtlichen Mythen kommt er zu dem Ergebnis, dass sie für Zwecke der heutigen deutschen Selbstverständigung nicht mehr zu brauchen sind. Der aus Thea Dorns Sicht wichtigste und fruchtbarste Mythos der deutschen Geschichte war der, eine „Kulturnation“ zu sein. Unter Kultur versteht sie sie in engem Sinne das Musische, das Geistige und das Künstlerische. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Die Ästhetik konkurriert mit der Philosophie

Was heißt es, ein Mensch zu sein? Und insbesondere was heißt es in der heutigen Zeit ein Mensch zu sein? Das sind Fragestellungen, die typisch für Philosophen sind. Aber die Philosophie hat in ihrem Versuch, die großen Fragen nach dem Menschen und seinem in der Welt sein zu beantworten, durchaus auch Konkurrenz. Lambert Wiesing stellt fest: „Der zweifellos bekannteste Mitbewerber ist die Religion.“ Man sollte seiner Meinung allerdings folgendes nicht übersehen. Nämlich dass es noch einen weiteren wichtigen Mitbewerber für die Zuständigkeit für die großen Fragen gibt. Denn es ist keineswegs so, dass sich nur die Philosophie und die Religion mit der Frage nach der „conditio humana“ befassen. Prof. Dr. Lambert Wiesing lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Bildtheorie und Phänomenologie. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie.

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Die Zivilisation führt Krieg gegen die Kultur

Der moderne Kulturbegriff hat viele Ursprünge. Bedeutung erlangte er erstmals Ende des 18. Jahrhunderts als Kritik am Industrialismus, aber auch als Gegenpol zum Revolutionsbegriff. Terry Eagleton ergänzt: „Gleichzeitig begann die Kultur für den romantischen Nationalismus eine zentrale Rolle zu spielen. Im 19. Jahrhundert tauchte der Kulturbegriff in den Debatten über Kolonialismus und Anthropologie auf. Er diente aber auch als Ersatz für schwindende religiöse Werte.“ In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Kultur zu einer regelrechten Industrie. Und sie fand in bisher unbekanntem Ausmaß Eingang in das öffentliche Bewusstsein. In den mittleren Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erlangte sie zentrale Bedeutung für neue Formen des politischen Konflikts. Das ist eine Entwicklung, die sich in der Gegenwart als Multikulturalismus und Identitätspolitik fortsetzt. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Friedrich Schiller setzt auf das Erhabene

Ger Groot weiß: „Wie viele Denker seiner Generation, versucht auch Friedrich Schiller, Immanuel Kant weiterzudenken.“ Für den Romantiker, der er ist, ist es bedeutsam, dass er dabei Immanuel Kants Idee des Erhabenen mehr Beachtung schenkt als dem Schönen. Das Schöne ist der klassische Gegenstand der Ästhetik. In seiner Schrift „Über das Erhabene“ schreibt Friedrich Schiller: „Das Überwältigende in der Natur wird das Milieu, in dem der Mensch die Unendlichkeit, in die er sich hineingestellt sieht, erfährt.“ Diese Unendlichkeit übersteigt seine Vernunft und erschüttert ihn zutiefst in seinem Wesen. Sie schleudert den Menschen aus dem begrenzten Horizont seines alltäglichen Lebens heraus. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Friedrich Schiller macht Karl Moor zum Helden

Die Gestalt des Karl Moor in „Die Räuber“ (1781) von Friedrich Schiller weigert sich der Welt und den Winkelzügen, die sie ihm abverlangt, anzupassen. Er kann das Unrecht, das ihm angetan wird, nicht überwinden. Sein Gemüt bricht sich Bahn und er gerät mit seiner Welt auf Kollisionskurs. Friedrich Schiller macht ihn zu einem Helden. Er hat beschlossen für sich selbst und für andere Opfer der Ungerechtigkeit Rache an der verhassten, scheinheiligen Gesellschaft zu üben. Ger Groot fügt hinzu: „Dazu scheut er sogar nicht davor zurück, die schwersten Verbrechen zu begehen.“ Er gründet eine Räuberbande, er plündert und mordet. Aber er ist ein edler Verbrecher, der büer der verkommenen Welt steht, die seine Persönlichkeit missachtet. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Jean Paul mischte Ironie mit Gefühl und Humor

Neben den drei großen literarischen Lagern – Klassik, Romantik und Jakobinismus – gab es einige Autoren, die sich bewusst abseits hielten, sich keiner Gruppierung anschlossen und ihren eigenen unverwechselbaren Weg gingen. Aufgrund ihrer Sonderstellung führten sie, jeder auf seine Weise, ein problematisches Außenseiterleben. Bis heute hat die Forschung große Schwierigkeiten, ihre Rolle in der Kunstepoche angemessen zu bestimmen. Johann Paul Friedrich Richter (1763 – 1825), der sich als Schriftsteller Jean Paul nannte, gelang es schon zu seinen Lebzeiten, einen gleichberechtigten und anerkannten Platz neben den klassischen und romantischen Autoren zu behaupten und zu einer Autorität im literarischen Leben zu werden. Die Voraussetzungen dafür waren allerdings alles andere als günstig. Als Sohn eines armen Lehrers und Organisten lernt er die Armut früh kennen und litt sehr unter der Strenge des Vaters.

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Die Literatur wird zum Medium der Geschichte

Die Französische Revolution war nicht nur ein zentrales Ereignis der politischen Geschichte Westeuropas, sondern sie hatte grundlegende Bedeutung auch für die Entwicklung der literarischen Theorie und Praxis nach 1789. Die relative Einheitlichkeit der Literaturperiode von Johann Christoph Gottsched bis zu den Stürmern und Drängern, die in der aufklärerischen Funktionsbestimmung der Literatur begründet war, ging in der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution und deren Rückwirkungen auf Deutschland verloren. Hatte die literarische Intelligenz in Deutschland 1789 den Ausbruch der Revolution noch begeistert begrüßt und als des „Jahrhunderts edelste That“ (Friedrich Gottlieb Klopstock) gerühmt, so nahm die Sympathie nach der Hinrichtung des Königs und den Septembermorden, spätestens aber nach dem Beginn der Jakobinerherrschaft spürbar ab und wich alsbald einem tiefen Abscheu vor den „Greueln“ im Nachbarland.

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Es gibt keine einheitlichen Nationen

Romantische Nationalisten wie Johann Gottfried Herder begriffen Nationen als einheitlich, selbsterschaffend und selbstbestimmt. In dieser Hinsicht kann man meinen, sie ähnelten Kunstwerken. Terry Eagleton stellt fest: „Es lässt sich kaum überschätzen, wie viel Unheil diese Lehre in die moderne Welt gebracht hat. Zunächst einmal gibt es keine einheitlichen Nationen. Die meisten Gesellschaften sind ethnisch vielfältig, und alle sind sozial gespalten.“ Nationen sind politische Konstrukte, keine Naturerscheinungen. Bürger einer Region oder eines Landes, die von einer fremden Macht unterdrückt werden, haben das Recht auf Selbstbestimmung; aber es spricht einiges für die These, dass sie einen solchen Anspruch haben, weil sie Menschen sind, und nicht, weil sie ein Volk sind. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Verzeihen ermöglicht einen Neuanfang

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2019 lautet: „Verzeihen. Gibt es einen Neuanfang?“ Wo Menschen handeln entsteht manchmal Schuld. Und in einzelnen Fällen wiegt sie so schwer, dass kein Heil mehr möglich scheint. Hier kommt das Verzeihen ins Spiel, als Weg das Gewesene zu verwandeln und neu zu beginnen: Darin waren sich Denker wie Friedrich Nietzsche, Hannah Arendt und Paul Ricœur einig. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt in ihrem Beitrag, dass es Verletzungen gibt, die ein Dasein ganz und gar bestimmen können. Schmerzhafte Erfahrungen fesseln das Selbst – und nicht selten auch ganze Nationen. Sie halten Menschen gefangen in einer Fixierung auf Taten, die das Leben tief erschüttern, vielleicht gar zerstören. Der französisch-jüdische Philosoph Emmanuel Lévinas schrieb: „Wer verzeiht, ist fähig, das Band mit der Vergangenheit neu zu knüpfen.“

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Fremde haben der deutschen Kultur entscheidende Impulse gegeben

In dem prächtigen Bildband „Deutschland“ begeben sich die der Fotograf Berthold Steinhilber und die Journalistin Sabine Böhne auf eine Reise durch die Zeit, um die deutsche Geschichte anhand von Bildern und Texten lebendig werden zu lassen. Diese führt zu Orten und zu Landschaften, an denen die Vergangenheit bis heute sichtbar ist. Dies gilt sowohl für die Höhlen aus der Eiszeit auf der Schwäbischen Alb, als auch für das mittelalterliche Kloster der Hildegard von Bingen auf dem Disibodenberg oder die neuzeitliche Glashütte des Optikers Joseph von Fraunhofer in Benediktbeuern. Der Zeiler Hexenturm bei Bamberg war ein Schauplatz des Schreckens, während das Rathaus des Westfälischen Friedens in Münster als Ort der Hoffnung im Vermächtnis der Deutschen weiterlebt. Berthold Steinhilber fotografiert unter anderem für die Magazine GEO, Stern und National Geographic. Sabine Böhne ist Journalistin und Professorin für Print-Journalismus an der Hochschule Ansbach.

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Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller wurden Freunde

Die Ablehnung der Französischen Revolution war die gemeinsame Basis, auf der sich die Annäherung zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller in den 1790er Jahren vollziehen konnte; sie führte schließlich zu dem viel beschworenen „Freundschaftsbund“, der das Bild nachfolgender Generationen von der Klassik geprägt hat. Bereits im Jahr 1787 war Friedrich Schiller – angezogen von dem kulturellen Zentrum und in der Hoffnung auf materielle Sicherheit – nach unruhigen Wanderjahren nach Weimar gekommen, ohne dass sich die beiden Schriftsteller in den ersten Jahren näher kamen. Der langsame Annäherungsprozess, der nicht widerspruchsfrei verlief, führte zu einer engen und intensiven Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten. Es kam zu einem regen Austausch der literarischen und philosophischen Arbeiten, wobei insbesondere Friedrich Schiller durch seine produktive Kritik Johann Wolfgang von Goethe in seiner Arbeit an den „Lehrjahren“ entscheidend förderte.

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Die Religion ist nichts weiter als eine Illusion

Sigmund Freud leitete die Religion aus der kulturellen Entwicklung ab, als deren Bestandteil sie die Zumutungen der Natur und der Gesellschaft gleichermaßen zu bewältigen gestattet. Gegen die Zufälle und Gefahren der Natur erzeugt sie die Illusion, dass alles nach Plan erbaut und durch den Willen des Schöpfers kontrolliert wird. Peter-André Alt ergänzt: „Gegen die sozialen Zwänge setzt sie den Gedanken der Belohnung für entgangene Befriedigung in der Idee der Erlösung nach dem Tod.“ Betrachtet man den Kern religiöser Aussagen über Jenseits und ewiges Leben, Gottes Schöpfungsidee und die Segnungen des Paradieses genauer, dann kommt man allerdings schnell zur Einsicht in ihren irrationalen Charakter. Die religionsimmanenten Argumente, die ihrer Absicherung dienen, lassen sich, so Sigmund Freud, durchgehend als bedenklich bezeichnen. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Johann Wolfgang von Goethe arbeitete über 50 Jahre am „Faust“

Als Krönung, nicht nur des Altersschaffens, sondern des Werks insgesamt, gilt die Faust-Dichtung, an der Johann Wolfgang von Goethe über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren als seinem „Hauptgeschäft“ gearbeitet hat. Noch vor 1775 schrieb der Schriftsteller einzelne Szenen nieder, die aber erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden und als „Urfaust“ bekannt geworden sind. Während seiner italienischen Reise (1786 – 88) arbeitete er erneut am „Faust“ und veröffentlichte 1790 „Faust, ein Fragment“. Um die Jahrhundertwende nahm er, inspiriert von Friedrich Schiller, die Arbeit am Faust-Thema wieder auf und veröffentlichte 1808 „Faust, der Tragödie erster Teil“. Dass für ihn das Thema keineswegs abgeschlossen war, macht nicht nur der Untertitel „erster Teil“ deutlich, sondern auch die Tatsache, dass Johann Wolfgang von Goethe sich damals bereits mit dem Helena-Akt beschäftigte.

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Wolfgang von Goethe hat sein Leben als exemplarisch verstanden

Die große beherrschende Figur des literarischen Lebens im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ist Johann Wolfgang von Goethe. Nach Friedrich Schillers Tod (1805), dem Selbstmord Heinrich von Kleists (1811) und dem Rückzug Friedrich Hölderlins (1807) gelang es keinem anderen Autor, eine vergleichbar starke Stellung im Bewusstsein des Publikums, zu erobern. Dies gilt auch für Jean Paul, der von den Schriftstellern der Vormärz-Zeit im Nachhinein zwar als Gegenspieler Johann Wolfgang von Goethes gesehen wurde, der aber mit seiner resignativen Wende nach 1804 keinen Gegenpol zu dem universal ausgerichteten Johann Wolfgang von Goethe bilden konnte. Auch E. T. A. Hoffmann und Joseph von Eichendorff waren von ihrem Temperament und von ihrem Anspruch her einseitiger als Johann Wolfgang von Goethe, in seiner unvollendet gebliebenen Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ sein eigenes Leben als exemplarisch verstanden und sich selbst als historisch-repräsentative Persönlichkeit entworfen hatte.

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Die Literatur von 1789 bis 1815 ist von hoher Qualität

Die Zeit zwischen 1789 und 1815 – dem Ausbruch der Französischen Revolution und der konservativen Neuordnung Westeuropas durch den Wiener Kongress – gehört zu den fruchtbarsten Perioden der deutschen Literaturgeschichte. In etwas mehr als 25 Jahren wurde eine Literatur geschaffen, die sowohl von ihrer Quantität als auch von ihrer Qualität her beeindruckend ist. Die klassischen Werke von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, die Werke der Romantiker und die heute weitgehend vergessene jakobinische Literatur bilden eine verwirrenden Komplex von unterschiedlichen Themen und Formen, der kaum auf einen Nenner gebracht werden kann. Den Eindruck der Vielfalt, den die Kunstepoche vermittelt, wird noch durch zwei weitere Faktoren verstärkt. Zum einen gab es neben den Autoren, die sich den großen literaturhistorischen Lagern ziemlich eindeutig zuordnen lassen, Autoren wie Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist und Jean Paul, die Einzelgänger waren und sich von den literarischen Parteien der Zeit weitgehend fernhielten.

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Die „Lucinde“ löste einen regelrechten Literaturskandal aus

Von zentraler Bedeutung in der Literatur der Romantik waren die literaturtheoretischen und literaturkritischen Arbeiten von Friedrich Schlegel. In seinen „Fragmenten und Ideen“ formulierte er in pointierter Form die romantische Kunst- und Lebensanschauung. Berühmt wurde er vor allem durch sein Romanfragment „Lucinde“ (1799). Dieser Text, der Friedrich Schlegel den Vorwurf der Obszönität einbrachte, gegen den ihn Friedrich Schleiermacher in seinen „Vertrauten Briefen über Lucinde“ (1800) vergeblich zu verteidigen suchte, löste einen regelrechten Literaturskandal aus, durch den die romantische Bewegung als Ganzes in die Schusslinie geriet. So war für Friedrich Schiller die „Lucinde“ ein „Gipfel moderner Unform und Unnatur“. Er sah in dem Roman all die Tendenzen ausgeprägt, gegen die Johann Wolfgang von Goethe und er selbst sich verwahrten. Tatsächlich war die „Lucinde“ ein Versuch Friedrich Schlegels, seine ästhetische Theorie in einem Text zu verwirklichen.

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Jean Pauls Idyllen ragen weit über andere Schriftsteller hinaus

Der Schriftsteller Jean Paul steht für Robert Minder seit langem nur als fernes Wetterleuchten am Rande des deutschen Bewusstseins. Er gibt zu dass er es seinen Lesern mit seinem Schreibstil nie leicht gemacht hat: „Lianen, mannshohe Schlingpflanzen, tropische Wucherung – es verschlägt den Atem. Feinhörigere lassen sich mitreißen auf die wildverwachsenen Pfade. Mit einem Schlag eine andere Landschaft. Erstarrt, versteinert.“ Jean Paul, der Dichter der strömenden Fülle ist auch ein grandioser Gestalter der Vernichtung und des Grauens. Dazwischen gibt es laut Robert Minder aber immer wieder öde Strecken von Schottergeröll. Jean Paul scheint dann zu taumeln und zu schwanken. Der französische Germanist Robert Minder, 1902 in Wasselonne/Elsass geboren, gehört zu den großen Mittlern deutscher und französischer Literatur. Er lehrte Germanistik an den Universitäten Nancy, Grenoble, Sorbonne und am Collège de France in Paris. Robert Minder starb 1980 in der Nähe von Cannes.

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Abraham a Santa Clara ist das Vorbild aller Prediger

Die Predigten und Schriften von Abraham a Santa Clara wurden von vielen berühmten Dichtern wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Jean Paul und Joseph von Eichendorff verehrt. Abraham a Santa Clara war Prediger mit Leib und Seele, der einen unwiderstehlichen Sprachtrieb besaß. Er wurde zur Kanzel förmlich durch seine innere Berufung getrieben. Seine Predigten schrieb er nur deshalb nieder, weil andere sie immer wieder lesen wollten. Seine humanistische Lehrzeit verbrachte er am Jesuitenkolleg in Ingolstadt und bei den Benediktinern in Salzburg. Hier holte er sich seine Bibelkenntnisse und sein umfassendes Wissen in der Welt- und Kirchengeschichte. Abraham ist ein Vertreter der Moraltheologie, er will den Leuten ins Gewissen reden.

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Die Philosophie des absoluten Idealismus

Johann Gottlieb Fichte wurde am 19. Mai 1762 in Rammenau bei Bischofswerda in ärmlichen Verhältnissen geboren. Ein Adliger, der das geistige Potential des Jungen erkannte, ermöglichte ihm eine gute Ausbildung. Zuerst erhielt Johann Gottlieb Fichte Privatunterricht bei einem Pastor, besuchte anschließend die Fürstenschule Schulpforta und studierte schließlich an der Universität in Jena. Nach seinem Studium lebte der Philosoph in großer Armut, da sein Gönner gestorben war. Johann Gottlieb Fichte wurde gleich mit seinem ersten philosophischen Werk „Versuch einer Kritik aller Offenbarung“, dass 1792 anonym erschien, bekannt.

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Rüdiger Safranski philosophiert über das Risiko

Der Philosoph Rüdiger Safranski postuliert einen ungeheuren Sicherheitskonsum in den hoch entwickelten Wohlfahrtsgesellschaften. Die Menschen lebten noch nie so sicher wie heute. Doch je größer die reale Sicherheit ist, desto größer ist die gefühlte Bedrohung. Das ist für Rüdiger Safranski die paradoxe Dialektik der Sicherheit. Auf der anderen Seite entsteht in einer Gesellschaft, die in Sicherheit lebt, der Wunsch Grenzsituationen zu erleben, um den Kick zu verspüren, den sie im Alltag nicht mehr erleben. Aber es kommen dazu in der Regel nur noch simulierte Grenzerlebnisse oder sichere Abenteuer in Frage.

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