Geistige Unabhängigkeit setzt ruhige Tapferkeit voraus

„Nichts ist schwieriger und nichts erfordert mehr Charakter“, schrieb Kurt Tucholsky, „als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“ Zunächst einmal ist es intellektuell und psychologisch schwierig, sich außerhalb des tradierten Wissens seiner Zeit und eines Ortes zu stellen. Timothy Garton Ash fügt hinzu: „Die normative Kraft des Faktischen bringt uns dazu, dass wir die Bedingungen in unserem Umfeld, die alle anderen für normal zu halten scheinen, in mancher Hinsicht auch als ethische Norm betrachten.“ Zahlreiche Studien in Verhaltenspsychologie beweisen, dass eine individuelle Überzeugung, was wahr oder richtig ist, durch den massiven Druck der Mitmenschen erschüttert wird. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Literarische Bildung war immer schon umstritten

Literarische Bildung, die einst im Zentrum der Curricula der höheren Schulen stand, ist – und leider nicht nur dort – zu einem Fremdwort geworden. Dass aber nahezu jede Form vor allem ästhetischer, literarischer oder sprachlich-historischer Kenntnisse gerne als bildungsbürgerlich denunziert wird, gilt nicht nur der Kritik an einem sozialen Habitus, sondern auch einer bestimmten Idee von Bildung. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Die schöne Literatur, wie avanciert auch immer, führt nur noch ein Schattendasein in den Curricula, in den Bildungsdiskursen, in denen es von Kompetenzen nur so wimmelt, spielt sie keine Rolle mehr.“ Allerdings bestreitet fast niemand, dass die Literatur für denjenigen, der in ihr eine Inspiration zu sehen vermag, eine beglückende Erfahrung sein kann. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.

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Die Welt ist von Friedrich Nietzsche und Karl Marx geprägt

Der berühmte deutsche Soziologe Max Weber sagte einst zu einem Studenten: „Die Redlichkeit eines heutigen Gelehrten, und vor allem eines heutigen Philosophen, kann man daran messen, wie er sich zu Friedrich Nietzsche und Karl Marx stellt. Wer nicht zugibt, dass er gewichtige Teile seiner eigenen Arbeit nicht leisten könnte, ohne die Arbeit, die diese beiden getan haben, beschwindelt sich selbst und andere. Die Welt, in der wir selber geistig existieren, ist weitgehend eine von Karl Marx und Friedrich Nietzsche geprägte Welt.“ Andreas Urs Sommer zitiert Oswald Spengler, der im Vorwort seines Bestsellers „Untergang des Abendlandes“ schreibt: „Von Johann Wolfgang von Goethe habe ich die Methode, von Friedrich Nietzsche die Fragestellungen.“ Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Mike Hulme weist auf die kulturelle Dimension des Klimas hin

Der Begriff des Klimas hat für die Menschen schon seit Urzeiten eine viel tiefere und hintergründigere Bedeutung gehabt, als eine rein naturwissenschaftliche. Die biologische Evolution des Menschen wurde durch Schwankungen des Klimas geprägt, durch gefährliche, dem modernen Menschen unbekannte Begegnungen mit Klimaphänomenen. Mike Hulme ergänzt: „Unsere kulturelle Evolution beinhaltet vielfältige Wege, um die Wirkungsweisen von Klima zu mythologisieren und zu zähmen.“ Zum Beispiel kann die Spur des Flutmythos über viele frühe Kulturen hinweg nachverfolgt werden. Der amerikanische Kulturhistoriker Clarence Glacken hat das Werk „Traces on a Rhodian Shore“ veröffentlicht, in dem er beschreibt, wie die Vorstellung von Klima im westlichen Gedankengut genutzt wurde, um menschliche Charaktereigenschaften, Aktivitäten und Kulturen zu erklären. Seit September 2013 ist Mike Hulme Professor für Geographie am King´s College in London.

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Die Renaissance brachte ab 1300 ein neues Lebensideal hervor

Zu Beginn der Renaissance entstand schon seit der Zeit um 1300 in den Stadtstaaten Italiens ein neues Ideal des Lebens, in dem sich der Einzelmensch von den Bindungen, die Geburt und Herkunft ihm auferlegten, befreite. An die Stelle der Anonymität des Mittelalters trat allmählich die Persönlichkeit, die nach Ruhm und Ansehen strebte. Die soziale Herkunft war für den gesellschaftlichen Aufstieg nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. So konnte beispielsweise Taddeo Alderotti, der zunächst seinen kümmerlichen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Wachskerzen bestritt, über den Besuch der Lateinschule und Universität zum berühmten Arzt und Gelehrten aufsteigen. Besonderes Ansehen besaßen damals auch Juristen: ein Doktor der Rechte nahm einen, dem Adel entsprechenden Stand ein. Nach seiner Abkunft fragte ihn niemand mehr. Die politisch und wirtschaftlich Mächtigen förderten zudem Talente aus den untersten Volksschichten.

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Philosophie: Von den Vorsokratikern bis zu David Hume

Der erste Band der „Klassiker der Philosophie“, den Otfried Höffe herausgegeben hat, stellt das Leben, das Werk und die Wirkung der jeweiligen Philosophen vor. Die Vorstellung beginnt bei den Vorsokratikern, mit denen die Philosophie in Europa beginnt, führt weiter über Platon und Aristoteles zu den Meistern des philosophischen Denkens im Mittelalter und der Neuzeit, bis hin zu David Hume. Die Beiträge sind von renommierten Kennern der Philosophen verfasst und vermitteln neben einer Einführung in die Welt der Philosophie auch die sozial- und geistesgeschichtlichen Hintergründe der jeweiligen Epochen. Der Herausgeber Otfried Höffe ist Professor für Philosophie an der Universität Tübingen.

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Benedictus Spinoza erklärt die Welt mit der Mathematik

Benedictus Spinoza wurde 1632 in Amsterdam geboren und erhielt als Jude eine orthodoxe jüdische Erziehung und Ausbildung. Wegen seiner andersgläubigen Ansichten wurde er im Alter von 24 Jahren aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen. Benedictus Spinoza führte ein zurückgezogenes Leben und verdiente seinen Lebensunterhalt damit, dass er Linsen für Brillen, Mikroskope und Fernrohre schliff und polierte. Benedictus Spinoza war der erste Gelehrte, der die Bibel als historisches Dokument erforschte, deren Ursprung ungesichert war. Noch kurz vor seinem Tod im Jahre 1677 übersetzte der die Bibel ins Niederländische. Im selben Jahr wurde sein berühmtestes Buch mit dem Titel „Ethik“ veröffentlicht, das neben ethischen Problemen auch andere grundlegende philosophische Probleme behandelt.

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Thomas von Aquin setzt sich für zinslose Kredite ein

Das Hauptvermächtnis des Denkens von Thomas von Aquin ist sein umfangreiches Werk der „Summa theologica“. Es wurde zur meistzitierten theologischen Quelle nach der Bibel. Im zweiten Buch seines Hauptwerks befasst sich der Gelehrte mit den Problemen der Preisbildung und der Geldwirtschaft. Auch Aristoteles war schon diesen Fragen nachgegangen, hatte sich dabei aber auf den Stadtstaat beschränkt, während Thomas von Aquin eine allgemeine Theorie entwarf. Thomas von Aquin stellt das Problem des Warenaustausches und die Frage nach der Richtigkeit der menschlichen Handlungen auf die gleiche Stufe und fordert, dass beim Handeln mit Gütern beide Seiten, der Käufer wie der Verkäufer, den gleichen Nutzen haben müssen.

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Die wechselnden Lebensorte des Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche gehört für Mathias Iven ohne Zweifel zu den großen Provokateuren der europäischen Geistesgeschichte. In seinem Buch „Lebenswege des Friedrich Nietzsche“ beschreibt der Autor die verschiedenen Orte, in denen der Philosoph lebte. Der Lebensweg beginnt im Pfarrhaus in Röcken, in dem der große Denker am 15. Oktober 1844 geboren wurde. Im Frühjahr 1850 zog die Familie Nietzsche nach Naumburg um. Friedrich Nietzsche besuchte dort die Knaben-Bürgerschule am Topfmarkt und wurde dort wegen seines Ernstes und seiner Bibelfestigkeit der „kleine Pastor“ genannt. Im Oktober wurde er in die Quinta des Domgymnasiums aufgenommen, anschließend erhielt er ein Stipendium für die Landesschule Pforta.

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