Die europäischen Nachbarn haben mit Deutschland ein Jahrhundertproblem

Andreas Rödder erzählt in seinem neuen Buch „Wer hat Angst vor Deutschland?“ von der Rolle und der Wahrnehmung Deutschlands in den letzten knapp 150 Jahren. Die Bundesrepublik ist heute die stärkste Macht in Europa, wirtschaftlich wie politisch. Diese Stärke zieht sich ebenso durch die Geschichte wie die ambivalente Wahrnehmung Deutschlands in den Nachbarländern: als Kulturnation und als rücksichtsloser Staat. Andreas Rödder erläutert die Entstehung und die Wirkung solcher Stereotypen, aber auch der deutschen Selbstbilder, die ganz anders ausfielen. Aktuell steckt Deutschland wieder einmal in einem Dilemma. Allenthalben wird erwartet, dass es politische Führung übernimmt. Doch wenn es dies tut, ist der Vorwurf der Dominanz sofort bei der Hand. Andreas Rödder zählt zu den profiliertesten deutschen Historikern und Intellektuellen. Seit 2005 ist er Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Die gewollte Selbstentleibung ist beim Exzess ganz wesentlich

Beim Exzess geht es für Mirjam Schaub darum, das Maßlose zu wollen, mit der Übertreibung und dem Überschuss, aber auch mit dem Lächerlichen und Erbärmlichen darin einverstanden zu sein: „Für mich hat Exzess mit dem Furor der Wiederholung zu tun. Vielleicht ist es eine Art Vereinigungsfuror: Man versucht, sich mit etwas zu verbinden, das größer ist als man selbst.“ Deshalb kann sich Mirjam Schaub übrigens auch nicht vorstellen, dass jemand alleine exzessiv Spaß hat. Solch eine Ausgelassenheit ist nur in der Gruppe möglich, wo viele sich gegenseitig über die Schwelle helfen. Beim Exzess ist deutlich mehr Risiko und Wagnis dahinter als beispielsweise beim über die Stränge schlagen. Mirjam Schaub ist ausgebildete Journalistin, habilitierte Philosophin und seit 2012 Professorin für Ästhetik und Kulturphilosophie an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

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Im zwanzigsten Jahrhundert beschleunigte sich jede Entwicklung

Der Beginn des 20. Jahrhunderts war von großem Optimismus für die Zukunft bestimmt. Die Euphorie entstand aus dem Gefühl der gewaltigen Beschleunigung jeglicher Entwicklung, die für das neue Jahrhundert so typisch werden sollte. Der Fortschritt löste sich wie eine Kettenreaktion vom geplanten Wollen, entzog sich jeder möglichen Kontrolle und begann blindlings ein nicht erkennbares Ziel anzusteuern, ohne dass die Frage, wie das wohl dem Menschen bekommen würde, hätte beantwortet werden können. Dem Menschen gilt dann auch im zunehmenden Maße die Sorge der Gegenwart, seinem Menschsein und Mensch bleiben können in einer entfremdeten Umwelt, deren Schöpfer er selbst ist. Große Gefahren lauern in der möglichen Selbstzerstörung durch den hemmungslosen Verbrauch und Verschleiß der menschlichen Lebensgrundlagen sowie im übermütig, fahrlässigen Umgang mit den Urkräften der Natur, die der Mensch im 20. Jahrhundert freizusetzen lernte.

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John Cowper Powys denkt über das Gewissen nach

John Cowper Powys ist der Meinung, dass sich das Gewissen energisch zu Wort meldet, sobald ein Mensch in Beziehung zu anderen Menschen tritt. Wenn der Mensch allein ist, droht er der Selbstzerstörung zu erliegen. Obwohl die Autorität des Gewissens tief im Herzen des Menschen verwurzelt, ziehen sie es nicht zu Rate, wenn sie unglücklich sind, während sie es auf anderen Gebieten des Lebens ständig befragen. Meyers Online-Lexikon definiert das Gewissen „als Urteilsbasis zur (zweifelsfreien) Begründung der allgemeinen persönlichen moralischen Überzeugungen und Normen. Die Inhalte des Gewissens werden vom Normenkanon der jeweiligen Kultur und Gesellschaft sowie von den individuellen moralischen Überzeugungen geprägt.“

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Der Homo oeconomicus dominiert den Neoliberalismus

Für Colin Crouch, dem Autor des Buchs „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“, das im Suhrkamp Verlag erschienen ist, sind nicht nur die Akteure der Finanzmärkte, sondern auch die politischen Anhänger des Neoliberalismus blind für einschneidende Erfahrungen mit der real existierenden Wirtschaft des Kapitalismus. Der oberste neoliberale Grundsatz lautet laut Colin Crouch, dass auf alle Fragen, welche Waren und Dienstleistungen wie hergestellt und gehandelt werden sollen, minimal regulierte Märkte stets die besten Lösungen hervorbringen. Wenn die Märkte nicht so funktionieren wie gedacht, liegt das nach Ansicht der Neoliberalen vor allem an Eingriffen des Staates in das Geschehen des Marktes. Der Neoliberalismus vertritt die These, dass Konsumenten, Investoren und Produzenten den Markt dank des Wettbewerbs wesentlich besser einschätzen können als diskutierende Bürger, Politiker, die sich dem Konsens verschrieben haben und planende Institutionen der Verwaltung.

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Der älteste Feind des Menschen ist der Fremde

Für Alexander Mitscherlich ist es undenkbar, dass zwischen der menschlichen Aggressivität und den Kriegen in aller Welt kein kausaler Zusammenhang besteht. Als Beispiel nennt er die menschenverachtende Naziherrschaft im Dritten Reich, die der Verfolgung ihrer inneren Feinde den erklärten Eroberungskrieg gegen äußere Feindstaaten folgen ließ. Krieg ist für Alexander Mitscherlich eine eindeutige Form der kollektiven Aggression. Sobald sich allerdings eine historische Distanz zu einem Krieg herstellt, wird es für die Menschen in den allermeisten Fällen doch sehr fraglich, ob das erklärte Kriegsziel das Sterben des Einzelnen zu rechtfertigen vermochte.

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Die Theorie der Lebenswelt des Hans Blumenberg

Für Hans Blumenberg existiert die Lebenswelt nicht als reale oder Alltagswelt, sondern als ein Universum, wie es wäre, wenn es in einer Welt keine offenen Fragen, keine unerfüllten Wünsche und keine ungewissen Thesen gäbe. Hans Blumenberg beweist in seiner Theorie der Lebenswelt, dass die Wissenschaft nichts anderes ist, als der Versuch, mit den Folgen der Auflösung einer alltäglichen, selbstverständlichen Lebenswelt fertig zu werden. Der Philosoph Hans Blumenberg, der von 1920 bis 1996 lebte, war Professor für Philosophie an der Universität Münster.

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