François Jullien sucht das Universelle

Das Konzept des Universellen, das die Entwicklung der europäischen Kultur getragen hat, gerät heute von zwei Seiten unter Druck. François Jullien kennt sie: „Zunächst stößt es in der Begegnung mit anderen Kulturen auf einen Selbstwiderspruch. D zeigt sich, dass es seinerseits das Produkt einer einzigartigen Geschichte des Denkens ist. Darüber hinaus erweist ein Blick auf ihre gesamte Dauer, dass die einzigartige europäische Geschichte, aus der es hervorgegangen ist, gar nicht so notwenig war, wie implizit behauptet.“ Sobald man nämlich die philosophische Perspektive im engeren Sinn verlässt und die Herausbildung des Begriffs im Rahmen der – allgemeineren – kulturellen Entwicklung dessen betrachtet, was später zu Europa werden sollte, sieht man, dass der Aufstieg des Universellen sich einer bunten, um nicht zu sagen chaotischen Geschichte verdankt. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

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Hegel formuliert einen Idealismus der Freiheit

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist die Freiheit das Alpha und das Omega des absoluten Idealismus. Er schreibt im „Kritischen Journal“: „Die Berührungspunkte der Philosophie mit der gesamten Kultur sollen aufgespürt und die Relevanz der Philosophie für eine neuzeitliche Gesellschaft der Freiheit vorgelegt werden.“ Wie Klaus Vieweg in seiner Biografie über Hegel schreibt, kann der Begriff der Freiheit, der für Hegel den Mount Everest der Philosophie darstellt, erst durch die Aufhebung der praktischen Vernunft von Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte bezwungen werden. Dabei geht es um das Überwinden zweier Entwürfe, die sich beide ausdrücklich als Freiheitsdenken verstanden haben. Der Mangel des formalen Idealismus der Freiheit liegt für Hegel im Gedanken der rein negativen Freiheit, der sich aus der Annahme eines negativen, leeren Absoluten ergibt. Klaus Vieweg ist Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller Universität Jena und einer der international führenden Hegel-Experten.

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Die Religion ist der gefährlichste Feind des freien Denkens

Die unstillbare Sehnsucht nach Reinheit, gefährlichste Feindin freien Denkens, ist die Obsession des Religiösen zu allen Zeiten in allen Kulturen – schon deshalb, weil Religion gewöhnlich auf Absolutes, Immaterielles und damit eben auch Reines zielt. In Krisenzeiten wird der Wunsch nach Reinheit besonders drängend. Bernd Roeck stellt fest: „Gereinigt durch die Taufe beginnen Christinnen und Christen ihr Leben; durch Buße reinigen sie sich im Inneren. Sich Gott zu nähern verlangt Reinheit, vom Priester wie vom Gläubigen. Am Ende helfen Sterbesakramente bei letzter Säuberung.“ Noch nach dem Tod vollzieht das Fegefeuer – jene furchterregende Erfindung der Kirchenväter – eine allerletzte Purgation. Sie erst macht dazu bereit, in den Himmel einzugehen. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Die Frage „Will ich zu viel – oder zu wenig?“ wirft viele Rätsel auf

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2017 beschäftigt sich mit der Frage: „Will ich zu viel – oder zu wenig?“ Eigentlich beruht die gesamte Lebensweise der modernen Staaten des Westens auf dem Imperativ des immer Mehrwollens. Sowohl im privaten Bereich als auch im Beruf führt dieser Wille oft zu einer dauerhaften Selbstüberforderung. Die Lust am Leben wird so eher gemindert anstatt gesteigert. Aus beglückender Fülle werden Leere und Angst. Scheinbar ist also klar: Wer weniger will, wird seltener enttäuscht, ist also entspannter und lebt so möglicherweise zufriedener. Das Wollen selbst sei die Wurzel allen Unglücks – das behaupten zumindest Denker von der Stoa bis zu Arthur Schopenhauer. Doch ganz so einfach ist es nicht. Ist es nicht gerade die Suche nach mehr Intensität, die dem eigenen Leben erst Spannung und Sinn gibt?

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