Nicht jede Gleichförmigkeit ist schädlich

Einige Formen des Andersseins sind zu begrüßen, andere dagegen nicht. Es ist nicht im Mindesten irrational, gelegentlich Furcht vor dem anderen zu haben. Vielleicht muss man erst einmal feststellen, ob seine Absichten freundlich oder feindlich sind. Terry Eagleton weiß: „Nur sentimentale Schwärmer meinen, man müsse Fremde immer in die Arme schließen. Einige dieser Fremden kennt man unter der Bezeichnung Kolonialisten.“ Die meisten Kulturtheoretiker glauben nicht nur an eine Pluralität der Lebensweisen, sondern auch daran, dass diese sich hybrid mischen müssten. In ethnischen Fragen wäre Hybridität sicherlich ein Vorteil, aber das trifft nicht überall zu. Nicht alle Gleichförmigkeit ist schädlich. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Shirley P. Glass rät zwanghafte Gedanken aufzuschreiben

Es ist wichtig zu begreifen, dass zwanghaftes Denken keine krankhafte Reaktion auf ein Trauma ist. Es ist eine normale Reaktion. Shirley P. Glass rät: „Schreiben Sie ihre Gedanken auf. Aufschreiben liefert Ihnen ein Ventil, das ihnen beim „Loslassen“ hilft, zumindest für eine Weile. Nachdem Sie Ihre Gedanken dem Papier anvertraut haben, müssen Sie nicht länger Ihr Gehirn damit verstopfen.“ Aufschreiben bietet einen sicheren Weg, Gedanken und Gefühle auszudrücken und zu erforschen, ohne sich darum kümmern zu müssen, wie sie sich auf andere Menschen auswirken. Man muss sich dabei selbst die Erlaubnis erteilen, die Gedanken unzensiert niederzuschreiben und der eigenen Besessenheit bis an den Rand der Erschöpfung nachzugeben. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Die Streitkultur ist die Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit

Für Carlos Fraenkel ist die Philosophie nicht eine Anleiterin oder Trösterin, sondern eine Diskussionstechnik. Viele Menschen sind in moralischen, religiösen und philosophischen Fragen weit voneinander entfernt. Diese Differenzen, obschon frustrierend, können etwas Positives sein, wenn es gelingt, sie zum Ausgangspunkt einer produktiven Streitkultur zu machen. Carlos Fraenkel erklärt: „Die gemeinsame Suche nach der Wahrheit, denn genau das verstehe ich unter Streitkultur, bietet uns die Möglichkeit, die Überzeugungen und Wertvorstellungen zu prüfen, mit denen wir aufgewachsen sind und die wir meist für selbstverständlich halten.“ Das ist besser, als wenn man anderen die eigene Meinung aufzwingt oder sich in einer gleichgültigen Multikulti-Gesellschaft gemütlich einrichtet – so als wären die Unterschiede völlig unerheblich. Carlos Fraenkel ist James McGill Professor für Philosophie und Judaistik an der McGill University in Montreal.

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Die Machtfülle der Presse muss im Zaum gehalten werden

Durch die digitale Revolution haben heute Milliarden Menschen die Möglichkeit, Ansichten zu veröffentlichen und in diesem Sinne direkt zu allen Menschen zu sprechen, die mit dem World Wide Web verbunden sind. Timothy Garton Ash schränkt allerdings ein: „Stellt man jedoch die Frage, wessen Stimmen und Ansichten tatsächlich Gehör finden, erkennt man, wie weit wir immer noch vom Ideal einer voll repräsentierten Vielfalt entfernt sind.“ Der Fachausdruck für die Vielfalt in der Medienbrache lautet „Medienpluralismus“. Eine für die Europäische Union erstellte Studie postuliert fünf Dimensionen von Medienpluralismus: Besitz und Kontrolle; Medientypen und –genres; politische Standpunkte; kulturelle Ausdrucksformen; und lokale und regionale Interessen. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Judith Glück beschreibt die fünf Ressourcen weiser Menschen

Die Weisheitsforscherin Judith Glück befasst sich in ihrem neuen Buch „Weisheit“ mit der Entwicklung von Weisheit und beschreibt darin die fünf Ressourcen weiser Menschen: Erstens Offenheit für Neues und Neugier auf das Leben sowie die Bereitschaft, andere Standpunkte gelten zu lassen. Zweitens die Regulation der Emotionen, das heißt, ein kluger Umgang mit den eigenen Gefühlen. Drittens das Vermögen zur Einfühlung, die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Viertens Reflexivität, die sich darin äußert, komplexe Zusammenhänge verstehen zu wollen und sich selbst zu hinterfragen. Und fünftens die Akzeptanz von Unkontrollierbarkeit – die Einsicht, dass man nur eine begrenzte Kontrolle über die Dinge hat, die in jedem Leben passieren. Judith Glück verdeutlicht anhand zahlreicher Fallbeispiele, wie sich diese Ressourcen im Leben bemerkbar machen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Menschen brauchen soziale Resonanz

Eine passende Rückmeldung der Umwelt ist nicht nur in den ersten Lebensjahren essenziell für einen Menschen. Ulrich Schnabel erklärt: „Auch in späteren Jahren sind wir auf „Resonanz“ von außen angewiesen.“ Zwar reagieren Menschen mit zunehmenden Alter weniger labil auf äußere Einflüsse, weil sich die Persönlichkeit ausgeformt und an Stabilität gewinnt. Dennoch bleibt man ein soziales Wesen, das bis ins hohe Alter offen ist für den Austausch von Liebe und Zuneigung, das Teilen von Trauer und Trost und die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte. Diese Resonanz mit der Außenwelt ist umso ausgeprägter, je mehr man sich mit den jeweiligen Mitmenschen verbunden fühlt und je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Menschen sind zum Guten und zum Bösen fähig

Eine Antwort auf die Frage, warum Menschen nicht einfach nur gnadenlose egoistische Raubtiere sind – obwohl sie sich so verhalten können –, lautet, dass Menschen die Fähigkeit haben einzusehen, dass andere Menschen respektiert werden sollen. Um dies weiter zu begründen, weist Markus Gabriel darauf hin, dass auch andere Menschen ein bewusstes Leben führen. Ein bewusstes Leben zu führen heißt, sich als subjektives Zentrum eines Geschehens, als Ich zu erleben. Das menschliche bewusste Leben verfügt überdies über die Möglichkeit, verstehen zu können, dass es andere Zentren des Geschehens gibt als das eigene. Diese Einsichten hält der amerikanische Philosoph Thomas Nagel für die Grundlage der Ethik. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Vermeer stellt eine vollkommene Illusion der Realität dar

Zu den berühmtesten Bildern, die der großartige niederländische Maler Vermeer geschaffen hat, zählt das ebenso hinreißende wie rätselhafte „Mädchen mit dem Perlenohrring“ und den großen Augen. Einen ebenso hinreißenden und großartigen Bildband „Vermeer. Das vollständige Werk“ hat in diesem Jahr der Taschen Verlag veröffentlicht. Der Autor Karl Schütz, der Kunstgeschichte und Archäologie in Wien studiert hat, weist darauf hin, dass zu Lebzeiten Johannes Vermeers Ruhm kaum über seine Heimatstadt Delft und die nähere Umgebung hinausreichte. Nach seinem Tod im Dezember 1675 geriet sein Name sogar weitgehend in Vergessenheit. Der prachtvolle Bildband stellt einen Gesamtkatalog der Gemälde Vermeers dar, die in Museen und Galerien wie Reliquien verehrt und gehütet werden. Die Gemälde treten dem Leser im großzügigen XL-Format entgegen, wobei die Reproduktionen qualitativ überragend sind. Zahlreiche Details heben dabei die überragenden künstlerischen Fähigkeiten Vermeers hervor.

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Julian Baggini rät zu mehr Großzügigkeit gegenüber den Armen

Der australische Philosoph Peter Singer vertritt die Meinung, dass eigentlich die meisten Menschen zur Hilfe für Bedürftige verpflichtet sind und sehr viel mehr geben sollten, als sie dies gemeinhin tun. Sein englischer Kollege Julian Baggini teilt diese Ansicht: „Gemessen an der Tatsache, dass 50 Prozent der Menschen weltweit von weniger als 2,50 Dollar am Tag leben, gehören wir hier fast alle zu den reichsten Menschen der Welt, und die Mehrheit von uns könnte sehr viel mehr abgeben, als sie es tut und dennoch relativ reich sein und eine sehr angenehme Lebensqualität genießen.“ Der Philosoph Julian Baggini ist 1968 in Dover, Kent geboren. Er ist Mitbegründer und Herausgeber des „Philosopher`s Magazine“. Er schreibt regelmäßig für große Zeitungen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Der Sinn des Lebens“ und ist 2005 im Piper Verlag erschienen. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Ethik“ und ist im Verlag Springer Spektrum veröffentlicht worden.

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Aristoteles hat verschiedene Typen des Dialogs entwickelt

Es gibt siebzehn oder achtzehn Dialoge, die auf Aristoteles zurückgehen. Hellmut Flashar, der bis zu seiner Emeritierung Klassische Philologie an der Ludwigs-Maximilians-Universität München lehrte, errechnet für die Dialoge des Aristoteles einen Umfang von etwa 1.000 Seiten im Format einer modernen Ausgabe. Das entspricht mehr als einem Drittel des Gesamtwerks von Platon, aber nur etwa zehn Prozent der aristotelischen Schriften. Aristoteles wollte nicht die Dialoge seines Lehrers Platon epigonal fortsetzen, sondern hat von Anfang an eine Aufsehen erregenden Neuerung eingeführt. Hellmut Flashar erklärt: „Er hat sich selber zum Dialogpartner gemacht – ein Zeichen hohen Selbstbewusstseins, mit dem er in der Akademie allein stand. Niemand ist dieser Neuerung gefolgt; erst 400 Jahre später hat Cicero sie aufgegriffen, der sich dafür ausdrücklich auf Aristoteles beruft.“

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Angela Merkel hat die Politik in Deutschland entpolisiert

Das Ansehen der Nichtwähler hat sich in manchen Kreisen deutlich verbessert. Sie werden nicht mehr als Antidemokraten beschimpft. Und das umso mehr, als es innerhalb des Spektrums der politischen Parteien, in der politischen Parallelgesellschaft keine Opposition mehr gibt, die diesen Namen auch verdient hätte und von der sich der Bürger etwas versprechen dürfte. Thomas Rietzschel kritisiert: „Wie auf dem Theater sind die Schaukämpfe in der politischen Arena unserer Tage Vorführungen ein und desselben Ensembles.“ Das dabei bisweilen die Fetzen fliegen, steigert zwar die Spannung, gefährdet aber keinesfalls den Zusammenhalt der Truppe. Nur gemeinsam können sich alle Politiker auf der Bühne behaupten. Thomas Rietzschel lebt als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Zuletzt erschien im Zsolnay Verlag sein Buch „Geplünderte Demokratie. Die Geschäfte des politischen Kartells“.

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Die Menschen leben heute in einem Zeitalter des Konformismus

Die Gegenwart ist von einem Widerspruch geprägt: Auf der einen Seite gibt es einen zunehmenden Egoismus, gepaart mit dem Gedanken der Selbstverwirklichung. Auf der anderen Seite scheinen sich die Individualität und Einzigartigkeit der Menschen immer mehr aufzulösen. Dabei entwickelt sich die Teamfähigkeit zu einer immer bedeutenderen Kompetenz. Und wer nicht gut vernetzt ist, wird schnell als Außenseiter abgestempelt. Das 17. Philosophicum Lech beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie sich Menschen in dieser widersprüchlichen Welt erleben und wie sie sich auf ihr Ich auswirkt. Daneben wurden auf folgende Fragen Antworten gesucht: Wie gestalten sich Beziehungen in virtuellen Netzen, was bedeutet es, wenn die virtuellen Netze enger, die realen sozialen Netze aber immer durchlässiger werden? Diesen Entwicklungen, ihren Vorgeschichten und Konsequenzen sind Soziologen, Philosophen sowie Kultur- und Naturwissenschaftler im Wintersportort Lech am Arlberg nachgegangen.

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Hermann Hesse teilt die Leser von Büchern in drei Gruppen ein

Es ist laut Hermann Hesse ein eingeborenes Bedürfnis des menschlichen Geistes, Typen aufzustellen und die Menschen nach ihnen einzuteilen. Auch ganz unbewusst teilt jeder Mensch die Personen seiner Umgebung in Typen ein, nach Ähnlichkeiten mit Charakteren, die in seiner Kindheit ihm wichtig geworden sind. Manchmal schadet es allerdings nicht, von solchen Verallgemeinerungen abzuweichen. Denn jeder Mensch trägt Züge von jedem Typus an sich. Außerdem lassen sich diverse Charaktere und Temperamente, als einander ablösende Zustände, auch innerhalb einer einzelnen Persönlichkeit finden. Hermann Hesse unterscheidet drei Typen, oder besser gesagt Stufen, von Bücherlesern. Wobei allerdings jeder der Leser zeitweise der einen, dann wieder zu der anderen Gruppe gehört. Im Jahr 1946 wird dem damals 69 Jahre alten Hermann Hesse der Literaturnobelpreis verliehen.

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Bertrand Russell preist die Methode des Zweifelns

Bertrand Russell schätzt René Descartes, da dieser die Methode des Zweifels erfand und zeigte, dass im Subjektiven die größte Gewissheit zu finden ist, wodurch er der Philosophie einen großen Dienst erwies. René Descartes entschloss sich, nichts zu glauben, dessen Wahrheit er nicht klar und deutlich einsähe. Was sich bezweifeln ließ, wollte er bezweifeln, solange er keinen Grund fand, nicht mehr daran zu zweifeln. Bertrand Russell erklärt: „Durch Anwendung dieser Methode kam er nach und nach darauf, dass das einzige, dessen Existenz ihm ganz gewiss war, er selber wäre.“ Da er zweifelte musste er existieren, wenn er überhaupt etwas erlebte ebenso. Seine eigenen Existenz stand für René Descartes absolut fest und gipfelte in dem weltberühmten Spruch: „Ich denke, darum bin ich“.

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Die Eigenschaften eines guten Journalisten

Die Medien werden oft als die vierte Macht im Staat beschrieben. Das  ist nicht falsch. Denn eine Demokratie ist auf gute Journalisten angewiesen, die sich großes Können und ein umfassendes Wissen erworben haben. Nur sie sind in der Lage, aus der Informationslawine das Wichtige für den Leser herauszufiltern und die Mächtigen in der Politik zu beobachten und Fehlentwicklungen und politische Affären aufzudecken. Die Arbeit des Journalisten ist kein reiner Begabungsberuf, aber wenn eine gewisse Begabung für das Schreiben vorhanden ist, umso besser.

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