Das Wissen hat die Welt zum Besseren verändert

Der Glaube und das Wissen verlangen im Rahmen der notwendigen Autorität die absolute Unterwerfung der Menschen. Ein Hinterfragen der „Wahrheiten“ ist oft nicht erwünscht. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Natürlich hat das System Wissen dem System Glauben, das Gott in den Mittelpunkt stellt, einiges voraus.“ Die Einführung des auf der Natur aufbauenden wissenschaftlichen Systems erlaubte nicht nur die Schaffung einer gesicherten Wissensbasis, sondern auch die Vernetzung des Wissens. Die gesellschaftliche Entwicklung, die auf diesem Wissen aufbaute, führte zum Umdenken der Renaissance. Das Interesse der Menschen an ihrem Umfeld wuchs, und wer um die Dinge weiß, den kümmern sie. Das Wissen hat, durch den mit ihm zusammenhängenden Humanismus, die Welt zum Besseren verändert. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

Die moderne Gesellschaft ist orientierungslos

Aber das Wissen führte auch dazu, dass im Namen von Ideologien schreckliche Dinge passierten. Die Wunder der Technik, die so vielen Menschen Gutes bringen, führten zu einem ständigen Hunger nach mehr. Inzwischen bedroht der ungebremste industrielle Raubbau die für das Überleben der Menschheit essentielle Natur. Jede Lösung führt zu einem neuen Problem. Dies vor allem, weil die Menschheit scheinbar an Sachzwänge gebunden ist.

Die Menschen verwenden die erprobten Methoden immer und immer wieder, auch wenn sich diese inzwischen als nachteilig herausgestellt haben. Ille C. Gebeshuber erklärt: „Zu wenig Wissen hat die gleichen Auswirkungen wie zu viel Wissen. In beiden Fällen ist der Mensch gezwungen zu glauben, da er die Informationen entweder nicht besitzt oder nicht mehr verarbeiten kann.“ Er muss in der Folge Autoritäten vertrauen, die blinden Gehorsam fordern. Die moderne Gesellschaft geht noch weiter und überschüttet den Menschen mit Überinformation. Dies führt zu einer generellen Orientierungslosigkeit.

Viele Menschen sehnen sich nach einer einfachen Welt

Daraus resultiert die Sehnsucht nach einer Vereinfachung der Welt – eine Sehnsucht, die den Erfolg von falschen Informationen begünstigt. Erkannte Fehlinformation führt zu einem Vertrauensverlust gegenüber dem System. Erfolgreich Fehlinformierte können sich zu fanatischen Gläubigen entwickeln. In beiden Fällen wird das Gegenteil von dem, was die Humanisten am Beginn ihrer idealistischen Reise anstrebten, erreicht. Diese Perspektive macht Ille C. Gebeshuber nachdenklich.

Es kann sein, dass man die Gegenwart, die eigentlich den Höhepunkt der Zeit des Wissens darstellen sollte, in Zukunft als das zweite Mittelalter, das Mittelalter des Wissens, bezeichnet. Für Ille C. Gebeshuber steht fest: „Eine Flut von Wissen ist somit genauso schlecht wie fanatischer, blinder Glaube, der nichts hinterfragt.“ Wie kann man dem begegnen? Die Lösung ist bekannt. Menschen, die verstehen, sind viel schwerer zu verführen. Und um Verständnis zu erzeugen, genügt es, einen anderen Zugang zum Wissen zu wählen. So ist weniger Information, gut verarbeitet, oft ebenso erfolgreich wie eine Flut von Information, die mit großem Aufwand gesichtet werden muss. Quelle: „Eine kurze Geschichte der Zukunft“ von Ille C. Gebeshuber

Von Hans Klumbies