Der Fundamentalismus fußt auf einer großen Lüge

Fundamentalismus ist eine Reaktion. Nämlich auf die Moderne und auf die Ideen der Globalisierung, die mit ihrer stetigen Ausbreitung die traditionellen Ideen und Machtstrukturen bedrohen. Die Moderne und die Globalisierung bringen Fragen und Zweifel hinsichtlich der Heiligen Schriften und ihrer exklusiven Mittler mit sich. Damit lösen sie Reaktionen aus. Eine davon ist die Integration von religiösen Ideen und Moderne. Nadav Eyal fügt hinzu: „Eine andere Reaktion ist die Ablehnung jeglicher derartiger Verquickungen und die Behauptung, nur Extremismus schütze vor Verfall.“ Der Fundamentalismus fußt auf einer gigantischen Lüge. Denn er setzt nicht den geistigen Weg des Propheten Mohammed oder irgendeines anderen Propheten fort. Der Fundamentalist erfindet Auslegungen, Geschichten oder Traditionen. Diese präsentiert er als altüberkommene religiöse Grundsätze. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

In Asien nimmt die buddhistische Gewalt zu

Für deren Einhaltung muss man notfalls sein Leben hingeben, während der Fundamentalist sie womöglich selbst aus dem Nichts erfunden hat. Er tut dies, um seine Grundeinstellung zu wahren – den Widerstand. Der Fundamentalismus ist ein schillerndes Wesen. In Nahost und Asien ist er häufig eine Reaktion auf autoritäre Staaten. Er ist dann eine mögliche Zuflucht für jemanden, der das Unrecht diktatorischer Regime erlebt. Sein Widerstand äußert sich in starker Frömmigkeit, weil die Gesellschaft der Religion große Bedeutung zumisst.

Im christlichen Bereich glauben manche Fundamentalisten, die USA seien mit einer ewigen, göttlichen Mission auf dem Weg zur himmlischen Erlösung beauftragt. Die meisten dieser Leute findet man in evangelikalen Kreisen. In Israel predigen jüdische Fundamentalisten eine theokratische Monarchie nach biblischem Muster mit einem Tempel in Jerusalem. In Asien nimmt die buddhistische Gewalt zu, vor allem in Thailand und in Myanmar, dem ehemaligen Burma. Dort trafen ethnische Säuberungen und Völkermord die muslimische Minderheit der Rohingya.

Die Fundamentalisten leben die Revolte extrem intensiv

Nadav Eyal erklärt: „Der Buddhismus als Religion wird historisch am wenigsten mit Gewalttätigkeit in Verbindung gebracht, da er Gewaltlosigkeit und Barmherzigkeit lehrt. Das sollte ihn eigentlich gegen mörderischen Eifer resistent machen. Doch dem ist offensichtlich nicht so.“ Zumeist greifen Fundamentalisten jedoch nicht zu politischer Gewalt. Der Philosoph Slavoj Žižek behauptet, die Islamisten seien gar keine Fundamentalisten, sondern eigentlich „eine Schande für den Fundamentalismus“.

Denn ihr Glaube ist so schwach und unsicher, dass eine Mohammed-Karikatur in einer dänischen Zeitung ihre Welt erschüttert und Morddrohungen und Massendemonstrationen nach sich zieht. Tatsächlich stünden diese Möchtegern-Fundamentalisten im Bann der Freuden und Verlockungen der modernen Welt und würden sich über diese definieren, sagt Slavoj Žižek. Keine anderen Rebellen leben die Revolte intensiver als die Fundamentalisten. Die Globalisierung als Feind und den Kapitalismus als Gefahr zu betrachten, entspricht dem Denken des fanatischen Fundamentalisten ebenso wie dem seines Spiegelbilds – des Nationalisten. Quelle: „Revolte“ von Nadav Eyal

Von Hans Klumbies