Der Drang nach Erkenntnis ist nicht unchristlich

Der um 1200 geborene Albertus Magnus war mit Anfang 20 in den Bettelorden der Dominikaner eingetreten und schon früh in Lehrämter berufen worden. Zuletzt hatte er als Magister einen der beiden Dominikaner-Lehrstühle an der Universität Paris innegehabt. Hartmut Sommer ergänzt: „Nach Köln ging er um 1248, um dort im Auftrag des Ordens ein Generalstudium, also eine Ordensuniversität zu gründen, da die Kapazität der Pariser Universität für den rasch wachsenden Bedarf nicht mehr ausreichte.“ Thomas von Aquin, der in Paris ein Schüler von Albertus Magnus gewesen war, ist trotz seiner zurückhaltenden Art als herausragender Denker aufgefallen und von Albertus Magnus sicher mit Bedacht als Mitarbeiter für die ihm aufgetragene Neugründung in Köln ausgewählt worden. Der Erziehungswissenschaftler und Philosoph Dr. Hartmut Sommer lebt als freier Autor und Übersetzer in Bad Honnef.

Albertus Magnus wendet sich der Fülle der Schöpfung zu

Bereits in Paris hatte Albertus Magnus gegen Widerstände eine tiefgreifende Wende eingeleitet, indem er die weithin verbotenen aristotelischen Schriften für die christliche Philosophie und Theologie fruchtbar machte. Hartmut Sommer erläutert: „Er hatte erkannt, dass der überall aufkeimende, sich an Aristoteles entzündende Drang nach Erkenntnis der uns unmittelbar in der Natur und im Menschen begegnenden Wirklichkeit nicht unchristlich ist.“

Diese neue Erkenntnishaltung, die von der Wirklichkeit ausgeht und erst über die gedanklich durchgearbeitete Erfahrung weiter vordringt zu allgemeinen Aussagen, löste das Denken aus der Verengung durch die neuplatonische Überbewertung eines rein geistigen, intuitiven Erkennens allgemeiner Ideen. Eine neue Hinwendung zur Fülle der Schöpfung und zur Vielgestaltigkeit der Natur, zum Sinnenhaften und zur Leiblichkeit war möglich geworden. Bei Aristoteles sah Albertus Magnus sein eigenes Interesse an der Natur bestätigt, das ihn von Jugend auf zu Beobachtungen in der Tier- und Pflanzenwelt angeregt hatte.

Glaube und Wissen stehen für Albertus Magnus nicht im Widerspruch

Albertus Magnus will den Sachen auf den Grund gehen, Zusammenhänge verstehen und Ursachen beschreiben. Wunderglaube muss für ihn außen vor bleiben, wenn man sich naturwissenschaftlich den Dingen nähert. Neben seinem philosophisch-theologischen Werk verfasste er umfangreiche naturkundliche Bücher, in die auch seine eigenen, durch Beobachtung und Experiment gewonnenen Erkenntnisse eingegangen sind. Albertus Magnus war bereits 1223 als Novize des Ordens der Dominikaner zum ersten Mal in die Stadt Köln gekommen, die mit rund 50.000 Einwohnern während des Mittelalters die größte Stadt Deutschlands war.

Christlicher Glaube und an der Erfahrung gewonnenes Wissen können für Albertus Magnus nicht im Widerspruch stehen, denn er schreibt: „Gegen die Aussagen des Glaubens jedoch ist mit einem Gegenbeweis nicht anzukommen, weil eben die Glaubenswahrheit nicht gegen die Vernunft ist – es gibt keine Wahrheit, die einer anderen widerspricht –, sondern über die Vernunft hinaus.“ So sehr die Interessen von Albertus Magnus der konkreten Erfahrungswelt und der Natur zugewandt waren, so sehr war er doch auch einer kontemplativen Spiritualität zugeneigt. Beides fand er vereint, wenn ihm im Naturerleben Gottes ordnende Schöpferhand gegenwärtig wurde. Quelle: „Der philosophische Reiseführer“ von Hartmut Sommer

Von Hans Klumbies