Jeder Mensch sollte einige Grundregeln beherrschen

Eine Flut von Wissen ist für Ille C. Gebeshuber genauso schlecht wie fanatischer, blinder Glaube, der nichts hinterfragt. Deshalb ist es notwendig, das in der generellen Ausbildung das additive Wissen der Wissenschaft durch mutatives, also angepasstes Wissen zu ersetzen. Dieses reduziert man auf ein klares, aber anwendbares Minimum. Dabei ist es im Prinzip nur notwendig, ein gesichertes Maß an Grundregeln zu besitzen. Daneben sollte man die Regeln kennen, mit denen die verfügbaren Informationen zu neuem Wissen zusammengefügt werden können. Ille C. Gebeshuber erklärt: „Mit der Erfahrung einiger Lebensjahre können wichtige Zusammenhänge so selbst erkannt und verstanden werden.“ Den riesigen Haufen an Wissen, der überall verfügbar ist, kann man zur Überprüfung der eigenen Schlüsse heranziehen. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

Früher war eine klassische Bildung essentiell

Die Vorgehensweise des selbstständigen Denkens ist auch deswegen wichtig, weil sich der Alltag und die Arbeitsweise infolge des technischen Fortschritts verändern. In der Vergangenheit leitete sich Erfolg davon ab, dass Menschen das Wissen mit sich trugen und im Rahmen ihrer Arbeit anwendeten. Relativ einfache Tätigkeiten bewältigte man unter Verwendung des Wissens, über das die Menschen verfügten. Quantitatives Wissen, also klassische Bildung, war in der nichtdigitalen Welt essentiell.

Mit dem wachsenden und immer leichter zugänglichen Informationsangebot in den modernen Netzwerken wurde es zusehends wichtig, die verfügbaren Informationen zu verbinden und aufzubereiten. Weit komplexere Tätigkeiten kann man nun durch konkrete Erfahrungen und die Fertigkeit, Informationen in den elektronischen Datenspeichern zu finden, bewältigen. Das qualitative Wissen rückt in den Vordergrund. Das Problem ist, dass durch diesen Ansatz Spezialisten entstehen, die außerhalb ihres Spezialgebiets sehr wenig wissen und noch weniger erkennen.

Die Globalisierung vernetzte die Welt

Ille S. Gebeshuber kritisiert: „Die flexible, interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Natur bleibt auf der Strecke und somit die Fähigkeit, neue Lösungen zu finden.“ Dies sieht die Physikerin ganz besonders in ihrem Fachgebiet, der Bionik. In ihr verbinden sich Biologie, Ingenieurswissenschaften und weitere Disziplinen. Gute Bioniker sind schwer bis unmöglich zu finden. Die Fähigkeit neue Lösungen zu finden, ist umso wichtiger, als die Probleme der Menschheit immer drückender werden.

Die Globalisierung vernetzte die Welt. Aber die Auswirkungen von Massenmigration, Schädlingsbefall, Epidemien und kultureller Kontroversen könnten die kommerziellen Vorteile bei weitem überwiegen. Daher muss man hinterfragen, ob die weltweite Anwendung des westlichen Profitdenkens, sowie die unangepasste Verbreitung konventioneller Industrieprozesse und -netzwerke wirklich der richtige Weg war. Die westliche Welt hat sich durch Reformen im Umwelt- und Sozialbereich von diesem Modell bereits wegentwickelt. Ähnliche Schritte werden weltweit notwendig sein. Quelle: „Eine kurze Geschichte der Zukunft“ von Ille C. Gebeshuber

Von Hans Klumbies