Anselm von Canterbury erbringt einen Gottesbeweis

Viele Menschen haben eine Vorstellung von Gott. Sie verstehen, was Gott bedeutet, ob sie nun an die Existenz eines Gottes glauben oder nicht. Über Gott nachdenken, ist etwas ganz anderes als die Aussage, dass Gott tatsächlich existiert. Anselm von Canterbury (circa 1033 – 1109), ein Priester aus der Lombardei, der später Erzbischof von Canterbury in England wurde, bestritt mit seinem Gottesbeweis ganz neue Wege. Nigel Warburton erklärt, wie er argumentierte: „Die Tatsache, dass wir eine Gottesvorstellung haben, ist der logische Beweis für die Existenz Gottes.“ Anselms Argument geht von der unstrittigen Behauptung aus, dass man sich nichts Größeres als Gott vorstellen könne. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Anselm von Canterbury glaubt an die Existenz Gottes

Die Definition von Gott ist: „Es ist das größte vorstellbare Wesen, das niemand an Macht, an Güte und an Wissen übertreffen kann. Also gibt es nichts Größeres als Gott. Gott ist das Höchste.“ Diese Definition Gottes scheint in sich stimmig zu sein. Boethius definierte Gott auf ähnliche Weise. In ihrer Vorstellung können die Menschen eine klare Idee von Gott haben. Auch das ist unstrittig. Aber Anselm von Canterbury führt an, dass ein Gott, der nur in der menschlichen Vorstellung existiert, aber nicht in Wirklichkeit, nicht das größte vorstellbare Wesen sein kann.

Denn ein Wesen, das tatsächlich existiert, wäre sicherlich größer. Es ist also durchaus vorstellbar, dass dieser Gott existieren könnte – sogar Atheisten akzeptieren diese Vorstellung. Aber ein Gott in der Vorstellung kann nicht größer sein als ein existierender Gott. Also schlussfolgerte Anselm von Canterbury, muss Gott existieren, was sich logisch aus der Definition des Begriffs Gott ableiten lässt. Nigel Warburton fügt hinzu: „Wenn Anselm recht hat, können wir sicher sein, dass Gott lediglich aufgrund der Tatsache, dass wir eine Vorstellung von ihm haben, existiert.“

Thomas von Aquin sieht in Gott die erste wahre Ursache

Dieses Argument gilt als „a priori“, das heißt, es beruht nicht auf irgendeiner Beobachtung der Welt, es ist schon „vorher“ gültig. Es ist ein logisches Argument, das, von einem unstrittigen Ausgangspunkt ausgehend, die Existenz Gottes zu beweisen scheint. Anselm von Canterbury glaubte, dass es logisch unmöglich ist, eine Vorstellung von Gott zu haben, ohne dass Gott tatsächlich existiert. Gott ist in dieser Beziehung ein einmaliges Wesen. Die Menschen können sich alles Nichtexistierende vorstellen, ohne sich in einen Widerspruch zu verwickeln.

Zweihundert Jahre später präsentiere Thomas von Aquin (1225 – 1274) fünf Argumente, die sogenannten „fünf Wege“, die beweisen sollten, dass Gott existiert. Genau wie Anselm von Canterbury wollte Thomas von Aquin die Existenz Gottes mittels der Vernunft beweisen. Thomas von Aquin vertritt die Auffassung, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas gewesen sein muss, das die ganze Folge von Ursache und Wirkung in Bewegung gesetzt hat. Dies ist eine unverursachte Ursache. Diese erste wahre Ursache ist für Thomas von Aquin Gott. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies