Die Globalisierung verdichtet Räume

In dem Maße, in dem sich die Welt durch Digitalisierung vergrößert, kehrt Heimat in den philosophischen und politischen Diskurs über die Frage nach Zugehörigkeit in Zeiten permanenter Migration. Christian Schüle stellt fest: „Globalisierung hat Räume vergrößert und zugleich verdichtet; je globalisierter die Welt gerät, desto kleingeistiger wird sie gedacht.“ Auffällig ist, dass kleine, relativ bevölkerungsarme, oft von vielen Anrainern umgebene Länder zu einer Inwendigkeit mit Außenverschluss neigen: die Schweiz, Österreich, Ungarn, Polen, die Slowakei – Länder, die man im Laufe der Menschheitsgeschichte oftmals überrollte und zur Disposition stellte. Durchgangsländer, deren Identität immer dem vorgegebenen Narrativ des Eroberers entsprach. Die Reaktionen auf den drohenden Verlust der Heimat verstärken sich in starkem Maße. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

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Die Leistungsgesellschaft ist extrem konkurrenzorientiert

Der Siegeszug des Leistungsprinzips hat unter anderem dazu beigetragen, dass fast jeder Mensch davon überzeugt ist, im Grunde eine großartige Persönlichkeit zu sein. David Brooks fügt hinzu: „Er hat außerdem Tendenzen zu Selbstverherrlichung verstärkt. Jeder, der die letzten sechzig bis siebzig Jahre durchlebt hat, ist das Produkt einer Leistungsgesellschaft, die extrem konkurrenzorientiert geworden ist.“ Die meisten dieser Menschen haben ihr Leben mit dem Versuch verbracht, etwas aus sich zu machen, etwas zu bewirken, einigermaßen erfolgreich zu sein. Das bedeutete, sich im Wettstreit mit anderen durchzusetzen und möglichst gute Leistungen zu erzielen – in der Schule gute Noten zu bekommen, an einer renommierten Hochschule zu studieren, den richtigen Job zu ergattern, beruflich erfolgreich zu sein und sozial aufzusteigen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Eine Tragödie soll Furcht und Mitleid erregen

In den Dramen der französischen und englischen Schriftsteller fand Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) die Aufhebung der alten feudalen Ständeklausel, die das erwachende bürgerliche Selbstgefühl beleidigte, bereits in die Praxis umgesetzt: Der Bürger war dort tragödienfähig geworden. Gotthold Ephraim Lessing überwand die feudale Ständeklausel dadurch, dass er den Menschen abgelöst von seiner ständischen Gebundenheit zum Handelnden machen wollte: „Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben; zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muss natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen und nicht als mit Königen.“ Diese Berufung Gotthold Ephraim Lessings auf das Menschliche hing eng zusammen mit seinem Bemühen um eine neue, differenzierte Funktionsbestimmung der Literatur.

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In Bayern gab es schon immer großartige Menschen

Das Thema des Buchs „Große Gestalten der bayerischen Geschichte“ fasst die Vorträge einer gleichnamigen Ringvorlesung an der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen. Die Herausgeberin Katharina Weigand weist in ihrer Einleitung darauf hin, dass die 25 Gestalten der bayerischen Geschichte, die in diesem Buch vorgestellt werden, keine Persönlichkeiten sind, die einzig und allein kritiklose Bewunderung hervorrufen würden. Stattdessen soll der Band Anlass zum eigenen Nachdenken, Anlass zum Nachfragen und Anlass zum Weiterlesen bieten. Über die Auswahl der Menschen schreibt Katharina Weigand: „Am Ende ergab sich eine Mischung, bei der sowohl der frühmittelalterliche Bischof, diverse Künstler, eine bayerische Prinzessin, die zur Kaiserin aufstieg, der Kanzler des Wirtschaftswunders und auf diese Weise auch die verschiedenen Epochen der bayerischen Geschichte vertreten sind.

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Zygmunt Bauman analysiert die Konsumgesellschaft

Die moderne Gesellschaft kennt für Zygmunt Bauman nur ein Ziel, das Glück. Glücklich ist seiner Meinung nach, wer begehrt ist und der durch Konsum das Interesse an der eigenen Person steigern kann. Doch wer den Anforderungen der Konsumgesellschaft nicht gewachsen ist, fällt gnadenlos aus ihr heraus. Es ist ein Merkmal der modernen Gesellschaft, dass die Menschen rastlos einkaufen, meistens viel mehr als sie wirklich brauchen. Zygmunt Bauman erklärt: „Es ist eine Attacke aus dem Hinterhalt, die die Unternehmen führen. Längst geht es nicht mehr um ein konkurrierendes Bedürfnis. Produkte werden beispielsweise künstlich entwertet und durch neue und verbesserte Varianten ersetzt.“ Das ursprüngliche Produkt kann eine Saison später nur noch peinlich sein.

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