Selbstkompetenz ist wichtiger als Medienkompetenz

In seinem Buch „Digitale Hysterie“ hat Georg Milzner darauf hingewiesen, dass Selbstkompetenz heute wichtiger sein muss als Medienkompetenz. Die Angleichung an den Rhythmus der Maschinen setzt seiner Meinung nach fundamentale menschliche Prozesse außer Kraft oder blockiert, stört oder verhindert die Herausbildung dessen, was man ein „reifes Selbst“ nennt. Doch wer meint, das Fehlen von Selbstaufmerksamkeit und Selbstkompetenz lasse sich ausschließlich mit Smartphone und Co. erklären, verkennt, dass das Problem in seinen Wurzeln viel älter ist. Der Kunsthistoriker Jonathan Crary verortet den Ursprung der Probleme mit der Aufmerksamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „Einerseits versprach das Maschinenzeitalter neuartige Chancen der Selbstpräsentation und des schnellen Geldmachens, andererseits schuf die ständig anwachsende Summe an Möglichkeiten ein neuartige Atmosphäre der Überreizung.“ Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Die Idee der Berufung ist eine große Illusion

Wer heute das Wort „Berufung“ hört, denkt zum Beispiel an einen Menschen wie Franz von Assisi. Er konnte nicht anders, als dem Ruf Gottes zu folgen. Ähnliche Berufungen kennt man von Paulus, Augustinus, Blaise Pascal und anderen Bekehrten in und außerhalb der Bibel. Gleichzeitig hat der Begriff „Berufung“ auch einen sehr zeitgenössischen Klang. Viele Menschen, vor allem junge, fragen sich, wie sie wohl ihre Berufung finden könnten. Wenn Rolf Dobelli so etwas hört, muss er zuerst einmal tief schlucken, denn die Berufung ist ein Relikt aus dem Christentum: „Für jemanden, der nicht an Gott glaubt, klingt der Begriff ein bisschen wie eine Wahnvorstellung.“ Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Die Einsamkeit durchzieht das Leben wie eine Welle

Es existiert kein Wort für das Gegenteil von Einsamkeit. Aber wenn es eins gäbe, dann vielleicht Heimat. Immer mehr Menschen verbringen mehr Zeit mit ihrem Handy als mit ihrer Familie. An einem Fleck bleiben, einen Job in derselben Firma, Jubiläen im Kreise der Familie, Freunde, Vereinskumpel zu feiner, das gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht in den großen Städten. Hinzu kommt die Digitalisierung des Lebens, die Hinwendung zum Smartphone, zum Chat, zu Instagram und Facebook. Abends allein auf dem Sofa statt im Gespräch in der Kneipe, mit Menschen aus Fleisch und Blut, die einem gegenübersitzen, die man anfassen, anlächeln oder auch mal anschreien kann. Vor zwei Jahren tauchte im Netz das Video „Look Up“ auf. Es erzählt von einer Gesellschaft, die einander nicht mehr in die Augen schaut, sondern nur noch auf den Bildschirm.

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Peter Scholl-Latour erweist sich als exzellenter Chinakenner

Viele Menschen in Deutschland haben den Aufstieg Chinas zur Weltmacht mit Unbehagen und Missgunst zur Kenntnis genommen. Die breite deutsche Öffentlichkeit hat laut Peter Scholl-Latour nicht aufgehört, die chinesische Entfaltung kleinzureden und immer wieder zum „China bashing“ auszuholen, wozu sie durch eine voreingenommene und systematisch desinformierte Presse stimuliert wird. Peter Scholl-Latour fügt hinzu: „Als kommerzieller Partner ist China für die heutige Bundesrepublik unentbehrlich geworden. Doch wann immer die Gelegenheit sich dazu bietet und der transatlantische Allianzpartner das zu erwarten scheint, bricht in den deutschen Medien ein Chor der Verwünschungen gegen die roten Mandarine von Peking aus.“ Peter Scholl-Latour arbeitet seit 1950 als Journalist, unter anderem viele Jahre als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD-Studioleiter in Paris, als Fernsehdirektor der WDR, als Herausgeber des STERN. Seit 1988 ist er als freier Publizist tätig.

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Für Peter Scholl-Latour ist die Welt total aus den Fugen geraten

Die Weltpolitik gleicht für den Journalisten und ausgewiesenen Kenner des Nahen Ostens derzeit einem aufziehenden Gewittersturm. Ob in Lateinamerika, Arabien, dem Mittleren Osten oder Schwarzafrika, überall braut sich Unheil zusammen. Auch Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika, Orte der Stärke und Stabiliät, werden von Krisen erschüttert wie schon lange nicht mehr. Im ersten Teil seines Buches „Die Welt aus den Fugen“ analysiert Peter Scholl-Latour die aktuelle Weltlage, angefangen von der Mongolei über China, Russland, Libyen, Syrien bis hin zu Deutschland. Der zweite Teil umfasst ältere Artikel und Interviews aus den Jahren 2008 bis 2012. Peter Scholl-Latour arbeitet seit 1950 als Journalist, unter anderem viele Jahre als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD-Studioleiter in Paris, als Fernsehdirektor der WDR, als Herausgeber des STERN. Seit 1988 ist er als freier Publizist tätig.

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Rudolf Eucken stellt den Grundcharakter des geistigen Lebens vor

Den Ausgangspunkt zur Selbstbestimmung bildet für Rudolf Eucken die Frage, ob das Leben eines Menschen gänzlich innerhalb der Natur verläuft oder ob es darüber hinaus eine eigentümliche Art entwickelt. Rudolf Eucken hegt keinen Zweifel daran, dass der Mensch auch innerlich zunächst der Natur angehört, die ihn nicht nur von außen her umfängt, sondern sich auch tief in sein seelisches Leben hinein erstreckt. Aber das Seelenleben erschöpft sich nicht allein darin. Es durchbricht vielmehr in allen seinen Hauptentfaltungen wie dem Erkennen, dem Fühlen und dem Streben den dort gezogenen Rahmen der bloßen Natur. Die Erkenntnis im Bereich der Natur besteht für Rudolf Eucken in der Verknüpfung von einzelnen Eindrücken, dem Beharren und Speicherung dieser Empfindungen, woraus sich eine gewisse Verwebung und eine Art von Erfahrung ergeben.

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Die neue Denkhaltung der griechischen Sophisten

Die Forscher, die sich mit der Geschichte der Philosophie befassen, sind sich bis heute nicht darüber einig geworden, was Sophistik eigentlich ist. Das Wort hängt mit dem griechischen sophía, der Weisheit zusammen und sophistás wurden ursprünglich in Griechenland ganz allgemein kundige Männer genannt, die über ein Spezialwissen und besondere Erfahrungen in einem Wissensgebiet verfügten. Etwas Spezielleres meint aber die spätere Sophistik. Die ersten Weisen in der Geschichte der Philosophie, die vor der Epoche des Sokrates lebten, wurden nicht nur Vorsokratiker, sondern auch Physiker genannt, also als Naturphilosophen bezeichnet. Ihr Denken umschließt den ganzen Kosmos, einschließlich des Menschen. Ihre Weisheit entsprach oft noch dem Wissen einer Offenbarung.

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Tony Judt beklagt die Privatisierung von Staatsbetrieben

Eine allgemeine Folge der geistigen Wende, die das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts geprägt hat, ist für Tony Judt die Verherrlichung des Privatunternehmers und der Privatisierungskult. Für die Anhänger dieser Ideen ist die Abschaffung staatlicher Dienstleistungen rein pragmatisch gewesen. Man verspricht sich in Zeiten knapper öffentlicher Kassen, Einsparungen. Unwirtschaftliche Staatsunternehmen oder teure öffentliche Dienstleistungsbetriebe wie zum Beispiel Wasserwerke oder Eisenbahn werden privatisiert. Auf diese Weise fließt sofort Geld in die leeren öffentlichen Kassen und durch das Interesse der neuen Eigentümer am Profit steht das privatisierte Unternehmen bald viel effizienter da. Auf den ersten Blick ist die Privatisierung gemäß Tony Judt eine Abkehr von der politischen Ideologie und eine Hinwendung zu strikter Wirtschaftlichkeit.

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